Bundesgerichtshof Entscheidungen

Zum Umfang der Hinweispflichten des Verkäufers einer Immobilie bei (früherem) Vorliegen von Hausschwamm - V ZR 203/09 -


Der unter anderem für das Immobilienrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich in einer Entscheidung vom Dezember 2010 näher mit dem Umfang der Hinweispflichten des Verkäufers einer Immobilie bei vorliegendem Hausschwamm beschäftigt.


Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 7. Oktober 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen


Sachverhalt (Tatbestand):

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 24. Juni 1992 verkaufte die Beklagte (Verkäuferin) der H. GmbH (Käuferin) mehrere bebaute Grundstücke. In § 5 ist der Ausschluss jeder Mängelhaftung vereinbart. Weiter heißt es dort:

"Außerdem wird darauf hingewiesen, dass die Holzbalkendecke im Laden des Gebäudes K. weg 57 a mit Holzschwamm befallen war. Die erforderlichen Reparaturarbeiten hat die Stadt durchgeführt."


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Tatsächlich waren im Bereich der Ämter der Beklagten (Verkäuferin) weitergehende Erkenntnisse zum Schwammbefall vorhanden. Am 19. Oktober 1988 schrieb die K. Wohnungsbaugesellschaft an das Bauordnungsamt, dass im Bereich des Küchenfußbodens der Wohnung Erdgeschoß links im Haus K. weg 57 Hausschwammbefall festgestellt worden sei und Maßnahmen zur Beseitigung des Hausschwammes sowie zur vorbeugenden Schwammbekämpfung eingeleitet worden seien.


Mit Schreiben vom 22. November 1988 teilte die K. Wohnungsbaugesellschaft dem Sozialamt u.a. mit, dass die Räumung des von ihrem Untermieter genutzten Kellerraumes sowie der Abbruch der Trennwände im Haus K. weg 57 erforderlich gewesen seien, um den in der darüber liegenden Kellerdecke festgestellten Hausschwammbefall beseitigen und vorbeugende Bekämpfungsmaßnahmen durchführen zu können. Später teilte die K. Wohnungsbaugesellschaft dem Bauordnungsamt der Beklagten (Verkäuferin) mit, dass der gemeldete Befall von Hausschwamm zwischenzeitlich beseitigt worden sei.


Nach dem Abschluss des Kaufvertrags begann die Käuferin mit Sanierungsarbeiten an den Gebäuden. Im Sommer 2003 wurde bei dem Objekt K. weg 57 festgestellt, dass ein Teil der Deckenholzbalken mit Holzschwamm befallen war; weiterhin wurde die unsachgemäße Teilsanierung von echtem Hausschwamm in den Häusern K. weg 55, 57 und 57 a festgestellt.


Die Klägerin (Käuferin) hat die Grundstücke inzwischen erworben.

Mit der Behauptung, der im Jahr 1988 vorhandene Hausschwammbefall, wie er von der K. Wohnungsbaugesellschaft beschrieben worden sei, sei nicht fachgerecht beseitigt worden und sei die Ursache für die im Jahr 2003 festgestellten Hausschwammschäden, von denen die Beklagte (Verkäuferin) Kenntnis gehabt und die sie der Käuferin arglistig verschwiegen habe, verlangt die Klägerin (Käuferin) aus eigenem und abgetretenem Recht noch die Verurteilung der Beklagten (Verkäuferin) zur Zahlung von 474.416,33 € nebst Zinsen und die Feststellung der Erledigung der Hauptsache wegen eines zunächst um 250.000 € höheren Schadensersatzbetrages. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben.


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Entscheidungsgründe:

I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts fehlte den beiden Grundstücken, um die der Streit noch geht (K. weg 57 und 57 a), bei Abschluss des Kaufvertrags und der nachfolgenden Übergabe keine zugesicherte Eigenschaft im Sinne von § 463 BGB aF. Auch habe die Beklagte (Verkäuferin) keinen Schadensersatz wegen arglistiger Täuschung zu zahlen. Zwar habe sie - die Behauptungen der Klägerin (Käuferin) als wahr unterstellt - die Käuferin über den Schwammbefall aufklären müssen.


Aber der Leiter des Liegenschaftsamts, der von der Beklagten (Verkäuferin) als vertretungsberechtigtes Organmitglied für den Abschluss des Kaufvertrags bestellt worden sei, habe mangels Kenntnis von dem Schwammbefall den Mangel nicht arglistig verschwiegen. Ein Sachbearbeiter der mit dem Verkauf nicht befassten Ämter, Sozialamt und Bauordnungsamt, habe nicht gewusst, dass trotz der Sanierungsmaßnahmen an einem der Gebäude bei dem Abschluss des Kaufvertrags noch Holzschwamm vorhanden gewesen sei. Hinsichtlich des anderen Gebäudes sei dem Sozialamt und dem Bauordnungsamt der Holzschwammbefall zwar bekannt gewesen; aber bei diesen Ämtern habe sich das mit dem Verkauf befasste Liegenschaftsamt nicht nach Mängeln erkundigen müssen, vielmehr hätten die Erkundigungen bei dem Bauverwaltungsamt, Tiefbauamt und dem Grünflächenamt, die keine Kenntnis hatten, ausgereicht. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass sich die Käuferin der Gefahr des Vorhandenseins von Hausschwamm vor dem Vertragsschluss bewusst gewesen sei.


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II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

1. Fehlerfrei hat das Berufungsgericht allerdings einen Schadensersatzanspruch nach § 463 Satz 1 BGB aF in Verbindung mit Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft verneint. Die Klägerin (Käuferin) erhebt insoweit auch keine Beanstandungen.


2. Zu Recht hat das Berufungsgericht einen Anspruch nach § 463 Satz 2 BGB aF wegen arglistigen Verschweigens des von der Klägerin (Käuferin) behaupteten akuten Schwammbefalls der Häuser K. weg 57 und 57a ebenfalls verneint.

Es ist nicht festgestellt, dass ein Mitarbeiter der Beklagten (Verkäuferin) wusste, dass ein solcher Mangel noch im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags vorlag. Auch die Klägerin (Käuferin) zeigt in der Revisionsbegründung keinen in den Tatsacheninstanzen gehaltenen Vortrag auf, aus welchem sich diese Kenntnis ergibt.


3. Im Ergebnis ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht einen Anspruch nach § 463 Satz 2 BGB aF wegen arglistigen Verschweigens eines früheren Schwammbefalls des Hauses K. weg 57a verneint.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats besteht bei Vertragsverhandlungen, in denen die Beteiligten entgegengesetzte Interessen verfolgen, eine Pflicht, den anderen Teil über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck des anderen vereiteln können und daher für seinen Entschluss von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwarten darf (siehe nur Urteil vom 2. Februar 1996 - V ZR 239/94, BGHZ 132, 30, 34). Von diesem Grundsatz ist auch das Berufungsgericht ausgegangen.


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b) Der Senat hat auch entschieden, dass bei dem Verkauf eines Hausgrundstücks eine Pflicht zur Offenbarung verborgener Mängel oder von Umständen, die nach der Erfahrung auf die Entstehung oder Entwicklung bestimmter Mängel schließen lassen, dann besteht, wenn es sich um Umstände handelt, die für den Entschluss des Käufers von Bedeutung sind, insbesondere die beabsichtigte Nutzung zu mindern geeignet sind (Urteil vom 7. Juni 1978 - V ZR 46/75, WM 1978, 1073, 1074). In Fortführung dieser Rechtsprechung hat der Senat schließlich entschieden, dass ein verkauftes Gebäude auch dann einen Sachmangel aufweist, wenn der vor 25 Jahren aufgetretene Schwamm technisch einwandfrei beseitigt wurde (Urteil vom 10. Juli 1987 - V ZR 152/86,NJW-RR 1987, 1415, 1416).


c) Nach dem Vorstehenden schuldete die Beklagte (Verkäuferin) der Klägerin (Käuferin) Aufklärung über den Schwammbefall des Hauses K. weg 57a im Jahr 1988. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts entfiel diese Offenbarungspflicht nicht deshalb, weil die Mitarbeiter verschiedener Ämter der Beklagten (Verkäuferin), die zwischen 1988 und 1990 mit der Schwammproblematik befasst waren, keine Kenntnis davon hatten, dass die Sanierungsarbeiten nicht erfolgreich waren, und somit von einer fachgerechten Beseitigung des Hausschwamms ausgingen.


d) Die Klägerin (Käuferin) verkennt jedoch, dass die Käuferin in § 5 des Kaufvertrags über den früheren Schwammbefall in dem Haus K. weg 57a und auf die durchgeführten erforderlichen Reparaturarbeiten hingewiesen worden ist.

Dieser Hinweis ist ausreichend. Es ist nicht festgestellt, dass seinerzeit außer der genannten Holzbalkendecke weitere Teile des Gebäudes mit Schwamm befallen waren; es ist auch nicht festgestellt, dass Mitarbeitern der Beklagten (Verkäuferin) ein weiterer (späterer) Schwammbefall bekannt war. Die Klägerin (Käuferin) zeigt nicht auf, dass ihr Vortrag in den Tatsacheninstanzen solche Feststellungen geboten hätte.


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4. Mit Erfolg rügt die Klägerin (Käuferin), dass das Berufungsgericht auch einen Anspruch nach § 463 Satz 2 BGB aF wegen arglistigen Verschweigens eines früheren Schwammbefalls des Hauses K. weg 57 verneint hat. Seine Auffassung beruht auf einer Verkennung der von dem Senat entwickelten Grundsätze zur Wissenszurechnung bei juristischen Personen des öffentlichen oder privaten Rechts.


a) Der Vertragspartner einer Gemeinde soll nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt sein als derjenige einer natürlichen Person (Gleichstellungsargument). Die Schlechterstellung wird dadurch vermieden, dass das innerhalb der Gemeinde typischerweise auf mehrere Wissensträger aufgespaltene Wissen der Gemeinde auch dann zugerechnet wird, wenn nicht ein Wissensträger selbst, sondern eine andere Person für die Gemeinde den Vertrag abschließt.


Diese Wissenszurechnung beruht auf dem Gedanken, dass bei einer Gemeinde die wichtigen Informationen typischerweise in den Akten oder in elektronischen Dateien festgehalten werden und für den für die Gemeinde Handelnden verfügbar sind (Dokumentationsargument). Hieraus folgt die Pflicht zur ordnungsgemäßen Organisation der internen Kommunikation. Dazu gehört zunächst die grundsätzliche Pflicht, wichtige Informationen zu speichern; weiter ist es notwendig, dass solche Informationen von der Stelle, die sie erlangt hat, an die Stellen weitergeleitet werden, die es (auch) angeht; diese müssen solche Informationen abfragen, wenn sie bei ihnen gebraucht werden. Aus dem Verbot der Besserstellung ergeben sich allerdings persönliche und zeitliche Grenzen bei der Beachtung dieser Pflichten.


Das als Wissen Zuzurechnende darf nicht zu einer Fiktion entarten, welche die Gemeinde mehr als eine natürliche Person belastet. Vielmehr muss für denjenigen, für den die Zurechnung gelten soll, eine reale Möglichkeit, aber auch ein Anlass bestehen, sich das Wissen aus dem eigenen Gedächtnis, aus Speichermedien oder von Anderen zu beschaffen.


Die Frage, ob Wissen zuzurechnen ist, beantwortet sich demnach danach, ob die Informationen über den maßgeblichen Umstand überhaupt gespeichert werden mussten. Das hängt davon ab, mit welcher Wahrscheinlichkeit sie später rechtserheblich werden könnten. Zu beurteilen ist das nach dem Zeitpunkt der Wahrnehmung und nicht nach einem erst später erreichten Wissensstand. Zudem muss hinsichtlich der Dauer der Speicherung von Informationen unterschieden werden.


Je erkennbar wichtiger ein Umstand ist, desto länger muss er gespeichert bleiben. Wird die Speicherung zu früh aufgehoben, beendet das die Wissenszurechnung nicht. Schließlich kann man als Wissen den Inhalt von Speichermedien nur zurechnen, soweit ein besonderer Anlass besteht, sich seiner in der konkreten Situation (noch) zu vergewissern. Auch das richtet sich nach der Zumutbarkeit; maßgeblich sind die Bedeutung des Anlasses und die Schwierigkeit der Sache (siehe zu allem Senat, Urteil vom 2. Februar 1996 - V ZR 239/94, BGHZ 132, 30, 36 ff.).


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b) Die Revisionserwiderung der Beklagten (Verkäuferin) gibt Anlass zu dem Hinweis, dass es für die Wissenszurechnung nicht darauf ankommt, ob die bei einem Grundstücksverkauf zu offenbarenden Umstände einem Bediensteten einer Gemeinde im Rahmen von derer privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Tätigkeit bekannt geworden sind. Eine solche Unterscheidung bei der Kenntniserlangung hat der Senat bisher nicht vorgenommen. Für sie spricht - entgegen der von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten (Verkäuferin) in der mündlichen Verhandlung vertretenen Ansicht - auch nicht das Gleichstellungsargument (s. vorstehend unter a)). Selbstverständlich muss eine natürliche Person bei einem Grundstücksverkauf einen wesentlichen Mangel des Kaufgegenstands, der ihr auf öffentlich-rechtlicher Grundlage bekannt geworden ist (z.B. eine behördliche Nutzungsuntersagung), offenbaren (Senat, Urteil vom 10. Juni 1988 - V ZR 125/87, WM 1988, 1449, 1450; Urteil vom 8. Dezember 1989 - V ZR 246/87, BGHZ 109, 327, 330).


c) Danach durfte das Berufungsgericht die Wissenszurechnung zu Lasten der Beklagten (Verkäuferin) nicht verneinen.

aa) Der im Oktober 1988 festgestellte Schwammbefall im Bereich des Küchenfußbodens in einer Wohnung im Haus K. weg 57 stellt einen bei dem Abschluss des Kaufvertrags offenbarungspflichtigen Mangel dar, auch wenn er beseitigt worden ist (siehe vorstehend unter 3.).


bb) Die von dem Bauordnungsamt und dem Sozialamt Ende 1988 erlangte Information über diesen Schwammbefall musste gespeichert werden. Denn auch nach damaligem Erkenntnisstand war nach der allgemeinen Verkehrsanschauung mit der Wiederkehr des Schwamms zu rechnen; es lag der Verdacht nahe, dass das Haus erneut von Schwamm befallen werden könnte (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 1968 - III ZR 32/66, WM 1968, 1220, 1221). Dieser Dokumentationspflicht sind die beteiligten Ämter zwar nachgekommen.


cc) Sowohl das Bauordnungsamt als auch das Sozialamt waren aber nicht die einzigen Stellen, die der Schwammbefall anging. Wegen der - auch schon nach der damaligen Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 10. Juli 1987 - V ZR 152/86, NJW-RR 1987, 1415, 1416) - überragenden rechtlichen Bedeutung, die ein - auch ein beseitigter - Schwammbefall bei dem Verkauf des Grundstücks erlangt, durften beide Ämter ihre Erkenntnisse nicht für sich behalten, sondern mussten sie an das für Grundstücksverkäufe zuständige Liegenschaftsamt weiterleiten. Das ist nicht geschehen. Der notwendige Informationsaustausch war nicht durch organisatorische Maßnahmen sichergestellt. Wegen dieser Pflichtverletzung muss sich die Beklagte (Verkäuferin) so behandeln lassen, als wäre die Kenntnis bei dem Liegenschaftsamt und damit auch bei dessen Leiter, der die Beklagte (Verkäuferin) bei dem Abschluss des Kaufvertrags vertreten hat, vorhanden gewesen.


dd) Schließlich war der Leiter des Liegenschaftsamts zur Einholung von Informationen über einen eventuellen früheren Schwammbefall verpflichtet. Er hat nach dem Vermerk vom 8. Mai 1990 am 19. April 1990, also mehr als zwei Jahre vor dem Abschluss des Kaufvertrags, an einer Besprechung teilgenommen, in der es um den Verkauf auch des Hauses K. weg 57 ging.


Der damalige Geschäftsführer der Käuferin, der einer der beiden Gesellschafter der Klägerin (Käuferin) ist, hat in diesem Gespräch auf die Möglichkeit von Schwammbefall hingewiesen. Das musste den Leiter des Liegenschaftsamt später veranlassen, nicht nur - wie geschehen - bei dem Bauverwaltungsamt, dem Tiefbauamt und dem Grünflächenamt, sondern auch bei anderen Ämtern, die mit der Bewirtschaftung des Kaufgegenstands befasst waren und deshalb Kenntnis über tatsächliche Umstände bezüglich des Kaufgegenstands haben konnten, unter Bezugnahme auf den Kaufvertragsentwurf anzufragen, ob aus dortiger Sicht Vertragsänderungen oder -ergänzungen notwendig seien.


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Hätte er diese Anfrage auch an das Bauordnungsamt und an das Sozialamt gerichtet, hätte dort auffallen müssen, dass der Hinweis auf einen früheren Schwammbefall in dem Kaufvertragsentwurf nicht vollständig war. Beide Ämter hätten das Liegenschaftsamt von dem Vorhandensein eines früheren Schwammbefalls auch in dem Haus K. weg 57 informieren können und müssen. Da der Leiter des Liegenschaftsamts seiner Pflicht zur Einholung von Informationen nicht nachgekommen ist, ist wiederum der Beklagten (Verkäuferin) das bei dem Bauordnungsamt und bei dem Sozialamt vorhanden und verfügbar gewesene Wissen zuzurechnen. Sie muss sich wiederum so behandeln lassen, als habe der Leiter des Liegenschaftsamts Kenntnis von dem früheren Schwammbefall gehabt (vgl. zu allem Krüger in Krüger/Hertel, Der Grundstückskauf, 9. Aufl., Rn. 42).


d) Rechtlich nicht haltbar sind auch die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht den Anspruch wegen Fehlens eines Fahrlässigkeit übersteigenden Grades des Verschuldens der Mitarbeiter des Liegenschaftsamts, des Sozialamts und des Bauordnungsamts verneint hat.

Die Wissenszurechnung führt dazu, dass derjenige, der den Kaufvertrag abgeschlossen hat, rechtlich so behandelt wird, als hätte er von dem früheren Schwammbefall Kenntnis gehabt. Offenbart er diese Kenntnis nicht, handelt er arglistig, wenn er weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass sein Vertragspartner den Mangel nicht kennt und bei Offenlegung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte (siehe nur Senat, Urteil vom 30. April 2003 - V ZR 100/02, WM 2003, 1956, 1957 mwN).


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Diese Voraussetzungen sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erfüllt. Denn aufgrund der gesamten Umstände drängte es sich auf, dass die Käuferin keine anderen Erkenntnisse über früheren Schwammbefall als die hatte, die dem Hinweis in § 5 des Kaufvertrags zu entnehmen waren; aufgrund des in dem Gespräch am 19. April 1990 angesprochenen eventuellen Schwammbefalls drängte es sich auch auf, dass die Käuferin bei Offenlegung eines weiteren Schwammbefalls den Vertrag nicht oder nicht mit dem Inhalt, wie geschehen, abgeschlossen hätte.


Beides hat der Leiter des Liegenschaftsamts billigend in Kauf genommen. Zu keiner anderen Beurteilung führt der Umstand, dass seinerzeit die Möglichkeit des Schwammbefalls von einem der Gesellschafter der Klägerin (Käuferin) angesprochen worden ist, und zwar im Hinblick auf die kaufvertraglich zu vereinbarenden Regelungen über die Sanierung und Modernisierung der vorhandenen Altbebauung. Dies zeigt vielmehr, dass die Käuferin den Vertragsinhalt wenigstens in diesem Punkt von der Schwammproblematik abhängig machen wollte.


III. Nach alledem ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).

Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Es hat bisher - aus seiner Sicht folgerichtig - nicht über die Aktivlegitimation der Klägerin (Käuferin) befunden. Auch muss es dem Vortrag der Beklagten (Verkäuferin) nachgehen, dem Leiter ihres Liegenschaftsamts sei bekannt gewesen, dass die Käuferin von Anfang an den Abriss der Gebäude K. weg 57 und 57a geplant habe. Schließlich fehlen Feststellungen zur Anspruchshöhe.


BGH, Urteil vom 10.12.2010

– V ZR 203/09 –


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