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Bundesgerichtshof Entscheidungen
Anfechtung eines Mietvertrages über Gewerberaum nach Vertragsende wegen arglistiger Täuschung - XII ZR 67/06 -
Der unter anderem für das Gewerbemietrecht zuständige XII. Zivilsenat des BGH hat im August 2008 entschieden:
BGB §§ 123 Abs. 1, 142 Abs. 1, 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 818 Abs. 2; UStG § 1 Abs. 1
a) Die Anfechtung eines Mietvertrages über Geschäftsräume wegen arglistiger Täuschung ist auch nach Überlassung der Mieträume und Beendigung des Mietvertrages neben der Kündigung zulässig.
Sie wirkt gemäß § 142 Abs. 1 BGB auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zurück.
b) Der in Höhe der ortsüblichen Miete bestehende Anspruch auf Wertersatz gemäß § 818 Abs. 2 BGB unterliegt bei nichtigem Mietvertrag wie ein Mietzinsanspruch der Umsatzsteuer (Fortführung Senatsurteil vom 22. Oktober 1997 - XII ZR 142/95 - NZM 1998, 192).
Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die Parteien streiten über die Abwicklung eines inzwischen beendeten, von der Beklagten (Mieterin) nachträglich wegen arglistiger Täuschung angefochtenen Mietvertrages über Wohn- und Geschäftsräume.
Die Klägerin (Vermieterin) verlangt von der Beklagten (Mieterin) Zahlung restlicher Miete und rückständiger Nebenkosten. Sie hatte zunächst von der Beklagten (Mieterin) und den früheren weiteren Beklagten zu 2 und 3 Räumung und Herausgabe des Mietobjekts verlangt. Insoweit war der Rechtsstreit von den Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 28. August 2002 übereinstimmend für erledigt erklärt worden.
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Die Klägerin (Vermieterin) schloss am 30. Juli 1997 mit der Beklagten (Mieterin) für die Zeit vom 1. August 1997 bis zum 31. Juli 2002 einen Mietvertrag über "Büroräume im Souterrain, Hochparterre und 2. Obergeschoss" (§ 1 Ziff. 1 des Mietvertrages) in einer von ihr 1996/1997 sanierten Altbauvilla. Beide Parteien konnten den Mietvertrag durch einmalige Option um fünf Jahre verlängern (§ 2 Ziff. 2 des Mietvertrages). Laut § 1 Ziff. 2 des Mietvertrages wurden die Mieträume in vollständig renoviertem und für den vertragsgemäßen Gebrauch nutzbaren Zustand übergeben.
Der monatliche Staffelmietzins wurde zunächst mit 8.200 DM sowie 60 DM für den Kfz-Stellplatz jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer vereinbart. Die monatliche Betriebs- und Nebenkostenvorauszahlung sollte 1.341 DM betragen (§ 4 Ziff. 3 des Mietvertrages).
Die Beklagte (Mieterin) vermietete mit Zustimmung der Klägerin (Vermieterin) die Räume im Souterrain und im Hochparterre als Büroräume zum Betrieb einer Anwaltskanzlei an die früheren Beklagten zu 2 und zu 3. Das zweite Obergeschoss vermietete sie an die frühere Beklagte zu 3 als Wohnraum.
Die Beklagte (Mieterin) zahlte wegen verschiedener behaupteter Mängel seit November 1997 zeitweise lediglich eine geminderte Miete und gekürzte Nebenkostenvorauszahlung. Die Klägerin (Vermieterin) veranlasste verschiedene Mängelbeseitigungsmaßnahmen.
Wegen der Zahlungsrückstände erklärte die Klägerin (Vermieterin) am 8. Februar 2000 und in der Folgezeit wiederholt die fristlose Kündigung des Mietvertrages.
Mit Schreiben vom 27. Dezember 2001 teilte die Beklagte (Mieterin) der Klägerin (Vermieterin) mit, dass sie die Wohnräume im zweiten Obergeschoss zum 31. Dezember 2001 geräumt an die Klägerin (Vermieterin) herausgeben werde und übte vorsorglich das vertraglich vereinbarte Optionsrecht zur Verlängerung des Mietvertrages um weitere fünf Jahre aus. Mit weiterem Schreiben vom 24. Juli 2002 erklärte sie der Klägerin (Vermieterin), sie werde im Hinblick darauf, dass der Mietvertrag am 31. Juli 2002 vertragsgemäß ende, das Mietobjekt an diesem Tag geräumt an die Klägerin (Vermieterin) herausgeben.
Das Landgericht hat der gegen die Beklagte (Mieterin) zuletzt auf Zahlung von 76.599,27 € gerichteten Klage in Höhe von 48.696,49 € stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat der Beklagten (Mieterin) und den früheren Beklagten zu 2 und zu 3 gemäß § 91 a ZPO die Kosten der Räumungsklage auferlegt. Gegen dieses Urteil haben die Klägerin (Vermieterin), die Beklagte (Mieterin) und die früheren Beklagten zu 2 und zu 3 Berufung eingelegt. In zweiter Instanz hat die Beklagte (Mieterin) mit Schriftsatz vom 6. August 2004 die Anfechtung des Mietvertrages wegen arglistiger Täuschung erklärt und Hilfswiderklage auf Rückzahlung der geleisteten Kaution zuzüglich Zinsen in Höhe von insgesamt 15.320,69 € sowie Stufenwiderklage auf Abrechnung der Mietkaution von 12.761,85 € nebst angefallenen Zinsen und Zahlung des sich danach ergebenden Betrages an die Beklagte erhoben.
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Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten (Mieterin) die Klage abgewiesen und die Klägerin (Vermieterin) auf die Hilfswiderklage verurteilt, an die Beklagte (Mieterin) 12.761,85 € zu zahlen. Im Übrigen hat es die Hilfswiderklage der Beklagten (Mieterin) abgewiesen und deren Stufenwiderklage als unzulässig zurückgewiesen. Die Berufungen der Klägerin (Vermieterin) und der früheren Beklagten zu 2 und zu 3 hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Gegen die Zurückweisung ihrer Berufung und ihre Verurteilung zur Zahlung richtet sich die Revision der Klägerin (Vermieterin), die der Senat dahin auslegt, dass die Klägerin (Vermieterin) das Berufungsurteil nur angreift, soweit es sie beschwert.
Das Berufungsgericht hat die Revision zur Klärung der Fragen zugelassen, ob die Anfechtung eines Mietvertrages nach Überlassung der Mietsache neben der Kündigung - gegebenenfalls mit Rückwirkung - zulässig ist, ferner ob ein steuerbares Geschäft im Hinblick auf den Nutzungsersatzanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung anzunehmen ist.
In den Entscheidungsgründen heißt es:
Die Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Klägerin (Vermieterin) habe keinen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte (Mieterin) wegen der Nutzung der Mieträume. Mietvertragliche Ansprüche bestünden schon deshalb nicht, weil die Beklagte (Mieterin) den Mietvertrag wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten habe.
Die Klägerin (Vermieterin) habe die Beklagte (Mieterin) arglistig über die Gebrauchstauglichkeit der Souterrainräume als vollwertige Büroräume getäuscht. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts des schriftlichen Mietvertrages und der Anhörung der Parteien stehe zur Überzeugung des Berufungsgerichts fest, dass die Parteien übereinstimmend eine Vermietung des Souterrains zur Nutzung als vollwertige Büroräume gewollt hätten und Hinweise auf eine etwaige eingeschränkte Benutzbarkeit durch die Klägerin (Vermieterin) auch nicht erteilt worden seien.
Die Räume im Souterrain seien jedoch öffentlich-rechtlich nur zur Nutzung als Nebenflächen, in denen ein dauernder Aufenthalt von Menschen nicht gestattet sei, zugelassen und hätten deshalb - ungeachtet ihrer tatsächlichen Nutzbarkeit - nicht als Büroräume genutzt werden dürfen.
Die Klägerin (Vermieterin) habe somit der Beklagten (Mieterin) im Souterrain Räume vermietet, die für den vertragsgemäß vorausgesetzten Zweck, nämlich zur Nutzung als vollwertige Büroflächen, nicht geeignet gewesen seien. Hierüber sei die Beklagte (Mieterin) getäuscht worden. Denn sie habe die eingeschränkte Nutzungsmöglichkeit bei Abschluss des Mietvertrages weder gekannt noch kennen müssen.
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Die Klägerin (Vermieterin) habe die Beklagte (Mieterin) auch arglistig getäuscht. Nach der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Berufungsgerichts fest, dass die Klägerin (Vermieterin) die eingeschränkte Nutzbarkeit des Souterrains gekannt und bewusst gegenüber der Beklagten (Mieterin) verschwiegen habe. Dies ergebe sich aus den Aussagen der Zeugen K. -von K. und von B. , die übereinstimmend bekundet hätten, die Klägerin (Vermieterin) sei schon in der Planungsphase der Sanierungsarbeiten davon in Kenntnis gesetzt worden, dass insbesondere im Hinblick auf den Fußbodenaufbau die Souterrainräume nicht als vollwertige Büroräume hergestellt werden könnten.
Dementsprechend sei mit dem Bauantrag in Abstimmung mit der Klägerin (Vermieterin) auch nur eine Genehmigung zur Nutzung der Räume im Souterrain als Nebenfläche beantragt worden. Diese Aussagen der Zeugen stünden im Einklang mit den von der Klägerin (Vermieterin) gestellten Anträgen und Eingaben im Baugenehmigungsverfahren, in denen die Räume im Souterrain stets als Büronebenräume bezeichnet gewesen seien.
Schließlich habe die Klägerin (Vermieterin) bei ihrer Anhörung selbst eingeräumt, die Räume im Souterrain seien als Nebenflächen im Bauantrag deklariert worden, um leichter eine Baugenehmigung zu erhalten. Sie habe folglich billigend in Kauf genommen, dass die vertragsgemäß vorgesehene Nutzung bauordnungsrechtlich nicht zulässig gewesen sei. Darin liege jedenfalls eine bedingt vorsätzliche Täuschung der Beklagten (Mieterin) durch das Verschweigen entscheidungserheblicher Tatsachen für die Nutzung der Mieträume.
Diese Täuschung sei auch für den Abschluss des Mietvertrages kausal gewesen. Es habe auf der Hand gelegen, dass die Beklagte (Mieterin) den Mietvertrag nicht abgeschlossen hätte, wenn sie gewusst hätte, dass die Räume im Untergeschoss nur als Nebenflächen genutzt werden durften. Der Klägerin (Vermieterin) sei zudem klar gewesen, dass bei fehlender Nutzbarkeit als vollwertige Büroräume insgesamt nur ein niedrigerer Mietpreis zu erzielen gewesen sei.
Die Beklagte (Mieterin) habe die Anfechtung auch binnen der Jahresfrist des § 124 BGB erklärt. Sie habe von der mangelnden Nutzbarkeit der Räume im Souterrain als Bürovollflächen erst am 24. März 2004 im Verhandlungstermin beim Oberlandesgericht in dem Rechtsstreit der Klägerin (Vermieterin) gegen ihren Architekten K. -von K. Kenntnis erlangt. In diesem Termin habe der Zeuge K. -von K. erklärt, eine Nutzung der Souterrainräume als Büroräume sei von vornherein nicht in Betracht gekommen, weil hierfür umfangreiche Baumaßnahmen hätten durchgeführt werden müssen, welche die Klägerin (Vermieterin) nicht habe vornehmen wollen. Eine frühere Kenntnis der Beklagten (Mieterin) könne nicht positiv festgestellt werden.
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Der Anfechtung stehe auch nicht entgegen, dass der Mietvertrag tatsächlich durchgeführt und zwischenzeitlich sogar längst beendet worden sei.
Dies habe nicht zur Folge, dass die Wirkung der Anfechtung entgegen § 142 Abs. 1 BGB keine Nichtigkeit des Mietverhältnisses von Anfang an nach sich ziehe, sondern ausnahmsweise nur eine Nichtigkeit mit Wirkung ab Zugang der Anfechtungserklärung eintrete.
Diese Rechtsfragen zur Anfechtbarkeit von Mietverträgen seien in der Literatur seit längerer Zeit umstritten. Das Berufungsgericht folge der Auffassung, wonach es beim Mietvertrag bei den allgemeinen Wirkungen der Anfechtung, insbesondere der Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts von Anfang an, bleibe.
Die Regeln über die Anfechtung im Allgemeinen Teil des BGB hätten grundsätzlich für alle Verträge Geltung. Ein hinreichender Grund für einen gänzlichen Ausschluss der Anfechtung oder eine Abweichung von der gesetzlichen Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB sei nicht gegeben.
Die in den Bereichen des Gesellschafts- und Arbeitsrechts angestellten Überlegungen seien auf die Geschäftsraummiete nicht übertragbar. Die sich dort aus sozialen Erwägungen ergebenden Einschränkungen könnten allenfalls im Wohnungsmietrecht, nicht aber im Gewerbemietrecht herangezogen werden, weil vergleichbare soziale Verbundenheiten wie im Arbeits- und Gesellschaftsrecht bei der Gewerbemiete nicht vorlägen.
Es handele sich dabei vielmehr um ein schlichtes, auf Austausch angelegtes Dauerschuldverhältnis ohne die Begründung irgendwie gearteter persönlicher Beziehungen. Die teilweise erwähnten Schwierigkeiten bei der Rückabwicklung in Vollzug gesetzter Mietverhältnisse rechtfertigten nicht das Abweichen von gesetzlichen Vorschriften. Die Rückabwicklung sei rechtlich und tatsächlich möglich und könne nach den Regeln des Bereicherungsausgleichs durchgeführt werden.
Auch die Gewährleistungsregeln in §§ 536 ff. BGB ersetzten die Regeln über die Anfechtung nicht. Eine Parallele zum Kaufrecht könne nicht zur Einschränkung der Anfechtungsmöglichkeiten im Mietrecht herangezogen werden. Zum einen sei auch im Kaufrecht eine derartige Einschränkung umstritten, zum andern sei die Interessenlage dort eine andere als im Mietrecht.
Da das Mietverhältnis aufgrund der Anfechtung als von Anfang an nichtig anzusehen sei, könne die Klägerin (Vermieterin) entsprechend ihrer Hilfsbegründung gegen die Beklagte (Mieterin) Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung geltend machen.
Der Klägerin (Vermieterin) stehe als Eigentümerin der Räume ein Anspruch auf Wertersatz aus §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 , 818 Abs. 1, Abs. 2 BGB zu.
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Zu ersetzen sei der objektive Verkehrswert der Gebrauchsvorteile, welche die Beklagte (Mieterin) erlangt habe. Dabei seien die Wohn- und Büroräume sowie der Pkw-Stellplatz zu berücksichtigen. Zwar könnten grundsätzlich auch verbrauchsabhängige Nebenkosten zu den erlangten Vorteilen gehören. Hierzu habe die Klägerin (Vermieterin) allerdings unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung nicht schlüssig vorgetragen.
Hinsichtlich der Jahre bis 2000 seien Nebenkostenabrechnungen erstellt worden und in eine Gesamtabrechnung eingeflossen. Diese beinhalte zu erheblichen Teilen verbrauchsunabhängige Bestandteile (z.B. 30 % Grundkosten für Heizung und Warmwasser, Versicherungen, Grundsteuer), die nach Bereicherungsrecht nicht verlangt werden könnten, weil es sich nicht um Gebrauchsvorteile oder gezogene Nutzungen handele.
Dem Vortrag der Klägerin (Vermieterin) könne nicht entnommen werden, hinsichtlich welcher konkreten Nutzungsvorteile eine Bereicherung der Beklagten (Mieterin) noch vorliegen solle. Die vorgelegten Abrechnungen sprächen im Gegenteil eher für eine Überzahlung durch die Beklagte (Mieterin). Von den Ansprüchen der Klägerin (Vermieterin) seien die von der Beklagten (Mieterin) im Laufe der Jahre auf das nichtige Mietverhältnis erbrachten Leistungen in Abzug zu bringen.
Nach einer Saldierung der gegenseitigen Ansprüche verbleibe kein Überschuss zu Gunsten der Klägerin (Vermieterin). Damit sei die Hilfsaufrechnung der Beklagten (Mieterin) mit dem Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Kaution gegenstandslos.
Der Beklagten (Mieterin) stehe gegen die Klägerin (Vermieterin) der mit der Hilfswiderklage erhobene Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Mietkaution aus Bereicherungsrecht zu. Die Klägerin (Vermieterin) habe aufgrund des anfechtungsbedingten Wegfalls des Mietvertrages keinen Anspruch auf die Kaution.
Die gegenüber dem Rückzahlungsanspruch erklärte Hilfsaufrechnung der Klägerin (Vermieterin) mit Schadensersatzansprüchen wegen Ausübung der Verlängerungsoption durch die Beklagte (Mieterin) greife nicht durch.
Ein vertraglicher Schadensersatzanspruch scheide schon deshalb aus, weil der Mietvertrag als Grundlage für etwaige Ansprüche insgesamt nach der Anfechtung entfallen sei. Es sei auch keine andere Rechtsgrundlage gegeben.
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II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Klägerin (Vermieterin) die Beklagte (Mieterin) arglistig darüber getäuscht hat, dass es sich bei den Räumen im Souterrain - ungeachtet ihrer tatsächlichen Nutzbarkeit - um Büronebenflächen gehandelt hat, die zum dauernden Aufenthalt von Menschen nicht zugelassen waren und damit als vollwertige Büroräume nicht genutzt werden durften.
Der dagegen gerichtete Einwand der Revision, das Berufungsgericht verstoße gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze, wenn es aus der rechtlichen Unzulässigkeit der Nutzung schließe, die Räume seien auch tatsächlich nicht als Büroräume nutzbar gewesen, greift nicht.
Zum einen hat das Berufungsgericht diesen Schluss nicht gezogen. Zum anderen steht es der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nicht entgegen, dass die Räume von der Beklagten (Mieterin) tatsächlich als Büroräume genutzt worden sind.
Für die Anfechtbarkeit der auf Abschluss des Mietvertrages gerichteten Willenserklärung ist vielmehr entscheidend, ob die Klägerin (Vermieterin) durch positives Tun oder Unterlassen gegenüber der Beklagten (Mieterin) das Vorhandensein eines Umstandes vorgespiegelt hat, der für deren Willensbildung, den Mietvertrag abzuschließen, von wesentlicher Bedeutung war.
Davon ist nach den getroffenen Feststellungen auszugehen. Die Klägerin (Vermieterin) hat es unterlassen, die Beklagte (Mieterin) über den Umstand in Kenntnis zu setzen, dass die Souterrainräume aufgrund ihres baulichen Zustands für den dauernden Aufenthalt von Menschen bauordnungsrechtlich nicht genehmigt und auch nicht genehmigungsfähig waren, und damit nicht als vollwertige Büroräume genutzt werden durften.
Dieser Umstand war, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, für die Entscheidung der Beklagten (Mieterin), den Mietvertrag abzuschließen, von wesentlicher Bedeutung. Denn sie wollte die Souterrainräume zur Nutzung als Büroräume mieten. Im Hinblick darauf, dass bei einer bauordnungswidrigen Nutzung mit einer behördlichen Nutzungsuntersagung gerechnet werden musste, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte (Mieterin) den Mietvertrag, wie geschehen, abgeschlossen hätte, wenn sie Kenntnis von der insoweit fehlenden Genehmigung gehabt hätte.
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Das Berufungsgericht hat weiter rechtsfehlerfrei und von der Revision nicht beanstandet aufgrund der Aussagen der Zeugen K. -von K. und von B. sowie des von der Klägerin (Vermieterin) selbst unterzeichneten, am 2. Februar 1996 eingereichten Antrags auf Baugenehmigung angenommen, dass die Klägerin (Vermieterin) bei Abschluss des Mietvertrages, am 30. Juli 1997, die eingeschränkte Nutzbarkeit des Souterrains gekannt und diese der Beklagten (Mieterin) bewusst verschwiegen hat.
Die Klägerin (Vermieterin) hat somit die Beklagte (Mieterin) durch arglistige Täuschung zum Abschluss des Mietvertrages veranlasst. Die hierauf gestützte, von der Beklagten (Mieterin) mit Schriftsatz vom 6. August 2004 erklärte, der Klägerin (Vermieterin) am 12. August 2004 zugestellte Anfechtung des Mietvertrages ist nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts auch binnen der Jahresfrist des § 124 Abs. 1 BGB erfolgt und damit wirksam.
2. Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Anfechtung nicht deshalb ausgeschlossen ist, weil der Mietvertrag zum Zeitpunkt der Anfechtung tatsächlich durchgeführt und sogar beendet war.
Während nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur eine Anfechtung des Mietvertrages wegen arglistiger Täuschung vor Übergabe der Mietsache uneingeschränkt zulässig ist und gemäß § 142 Abs. 1 BGB Nichtigkeitswirkung von Anfang an entfaltet, besteht Uneinigkeit darüber, ob und gegebenenfalls mit welcher Rechtsfolge eine Anfechtung des Mietvertrages wegen arglistiger Täuschung nach § 123 Abs. 1 BGB auch nach Übergabe der Mietsache möglich ist.
a) Teilweise wird vertreten, das Recht zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung werde, sobald der Mietvertrag durch Überlassung der Mietsache vollzogen sei, durch das Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 543 BGB verdrängt, soweit sich der Willensmangel auf verkehrswesentliche Eigenschaften des Mietobjekts selbst beziehe (Roquette Das Mietrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches vor §§ 537 bis 542 Rdn. 16, 20; Sternel Mietrecht 3. Aufl. I Rdn. 245; Bub in: Bub/Treier Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 3. Aufl. Kap. II Rdn. 673; offen gelassen in Senatsurteil BGHZ 137, 255, 266).
Die Verdrängung der Anfechtungsmöglichkeit durch die Gewährleistungs- und Kündigungsvorschriften benachteilige den Anfechtungsberechtigten nicht, weil diese ihm einerseits wie bei der Anfechtung die Möglichkeit gäben, das Vertragsverhältnis aufzulösen, andererseits die Rückabwicklung erleichterten.
Habe der Anfechtungsberechtigte die Vertragsleistung der Gegenseite in Anspruch genommen, so verdiene er es nicht, besser gestellt zu werden als bei einer fristlosen Kündigung (Sternel aaO).
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b) Nach der überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur kann zwar eine auf Abschluss eines Mietvertrages gerichtete Willenserklärung auch nach Überlassung der Mietsache wegen arglistiger Täuschung stets angefochten werden (RGZ 157, 173, 174; KG NZM 2002, 21; LG Mannheim ZMR 1990, 303; Emmerich/Sonnenschein/Rolfs Miete 9. Aufl. § 542 BGB Rdn. 82; Soergel/Heintzmann BGB 12. Aufl. vor § 542 Rdn. 2; Hübner/Griesbach/Schreiber in: Lindner-Figura/Oprée/Stellmann Geschäftsraummiete Kap. 14 Rdn. 214; Kraemer in: Bub/Treier aaO Kap. III Rdn. 1326; MünchKomm/Häublein BGB 5. Aufl. vor § 536 Rdn. 24).
Umstritten ist jedoch, ob die nach Überlassung der Mietsache erfolgte Anfechtung den Mietvertrag gemäß § 142 Abs. 1 BGB rückwirkend (ex tunc) oder nur mit Wirkung ab Zugang der Anfechtungserklärung (ex nunc) vernichtet (offen gelassen in Senatsurteil BGHZ 137, 255, 266 und BGH Urteil vom 10. Juli 1968 - VIII ZR 180/66 - WM 1968, 1306, 1307).
aa) Die Ansicht, die die Anfechtung vollzogener Mietverträge wegen arglistiger Täuschung entgegen § 142 Abs. 1 BGB nur mit Wirkung ab Zugang der Anfechtungserklärung (ex nunc) zulässt, beruft sich zur Begründung zum einen darauf, dass ein bereits vollzogenes Mietverhältnis nur unter Inkaufnahme großer Schwierigkeiten abgewickelt werden könne und deshalb eine Beendigung ex nunc sachgerechter sei (Schmidt-Futterer/Blank Mietrecht 9. Aufl. vor § 535 BGB Rdn. 7; Staudinger/Rolfs BGB [2006] § 542 Rdn. 179).
Zum anderen stellt sie darauf ab, dass eine einmal begonnene Dauerleistung nur beendet, nicht aber rückgängig gemacht werden könne (vgl. Roquette aaO vor §§ 537 bis 542 Rdn. 17; LG Nürnberg-Fürth MDR 1966, 1003, 1004).
Schließlich verweist sie darauf, dass mit Bezug der Mieträume ein sozialer Tatbestand geschaffen werde, der einen Bestands- und Vertrauensschutz begründe (für die Wohnraummiete: Hille WuM 1984, 292, 293) und in Anlehnung an die Rechtsprechung zum Gesellschafts- und Arbeitsrecht für die Zulassung einer Anfechtung mit Wirkung ex nunc spreche.
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bb) Die Auffassung, die auch bei der Anfechtung in Vollzug gesetzter Mietverträge wegen arglistiger Täuschung von der in § 142 Abs. 1 BGB geregelten rückwirkenden Vernichtung des Rechtsgeschäfts ausgeht (RGZ 86, 334; 102, 225, 226; 157, 173, 174; KG MDR 1967, 404; KG NZM 2002, 21; Soer-gel/Heintzmann aaO vor § 542 Rdn. 2; Erman/Jendrek BGB 12. Aufl. vor § 536 Rdn. 20; Schmid DWW 1985, 302; Fischer NZM 2005, 567, 571; Emmerich NZM 1998, 692, 694 f.) verweist darauf, dass für Mietverträge kein Anlass bestehe, von der gesetzlichen Bestimmung des § 142 Abs. 1 BGB durch Richterrecht abzuweichen.
Es handele sich bei Mietverträgen um "normale" schuldrechtliche Verträge, für die grundsätzlich die Vorschriften des allgemeinen Teils des BGB Geltung hätten. Es sei nicht ersichtlich, was bei der Rückabwicklung eines fehlerhaften Mietvertrages nach den bereicherungsrechtlichen Vorschriften erschwert sein solle.
Auch sei beim Mietvertrag eine dem Arbeits- oder Gesellschaftsvertrag vergleichbare Interessenlage, die eine Einschränkung der Anfechtungswirkung rechtfertigen könne, nicht gegeben. Im Gegensatz zum Arbeits- oder Gesellschaftsvertrag werfe die Rückabwicklung beim Mietvertrag auch keine besonderen Schwierigkeiten auf, weil es sich um ein einfach strukturiertes synallagmatisches Austauschverhältnis handele (Hille WuM 1984, 292; Emmerich NZM 1998, 692, 695; Fischer NZM 2005, 567, 570; Weimar MDR 1966, 1004).
Soweit die Rückwirkung damit abgelehnt werde, der Vollzug des Mietverhältnisses habe einen sozialen Tatbestand geschaffen, der nur noch für die Zukunft beseitigt werden könne, könne diese Überlegung im Bereich des Gesellschafts- und Arbeitsrechts berechtigt sein.
Jedenfalls für das Gebiet der Geschäftsraummiete lasse sich ein die Rückabwicklung ausschließender sozialer Einschlag jedoch nicht erkennen (KG NZM 2002, 21).
3. Der Senat schließt sich in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht der letzteren Ansicht an.
a) Das Recht zur Anfechtung der auf Abschluss des Mietvertrages gerichteten Willenserklärung wegen arglistiger Täuschung wird auch nach Vollzug des Mietvertrages nicht durch die mietrechtlichen Gewährleistungsvorschriften (§§ 536 ff. BGB) und das Recht zur fristlosen Kündigung gemäß § 543 BGB verdrängt, weil die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung einerseits und die Gewährleistungs- sowie die Kündigungsvorschriften andererseits unterschiedliche Sachverhalte regeln und unterschiedliche Schutzzwecke haben.
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Während die Anfechtung nach § 123 Abs. 1 BGB die rechtsgeschäftliche Entschließungsfreiheit schützt und deren Beeinträchtigung durch rückwirkende Vernichtung der Erklärung beseitigt, ist Gegenstand der Gewährleistungsrechte und der außerordentlichen Kündigung eine aktuelle Leistungsstörung, der durch Minderung und Schadensersatz bzw. durch Beendigung des Vertrages Rechnung getragen wird (vgl. Staudinger/Rolfs aaO § 542 BGB Rdn. 179). Diese unterschiedlichen Schutzzwecke lassen es nicht zu, dass das Anfechtungsrecht wegen arglistiger Täuschung nach Überlassung der Mietsache durch das Recht zur außerordentlichen Kündigung verdrängt wird.
b) Eine Abweichung von der gesetzlichen Regelung des § 142 Abs. 1 BGB ist nach Ansicht des Senats bei der Geschäftsraummiete nicht gerechtfertigt.
aa) Die Schwierigkeiten, die sich bei der Rückabwicklung vollzogener Dauerschuldverhältnisse aufgrund des Zeitablaufs und der Anzahl der rückabzuwickelnden Leistungen ergeben, rechtfertigen keine Ausnahme von der gesetzlichen Regelung. Die gleichen Schwierigkeiten bestehen bei Mietverträgen, die gemäß § 105 BGB oder §§ 134, 138 BGB nichtig sind, ohne dass dort an einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklungsmöglichkeit gezweifelt wird (Hille WuM 1984, 292; Fischer NZM 2005, 567, 570).
bb) Besonderheiten, die bei in Vollzug gesetzten Arbeits- und Gesellschaftsverträgen dazu geführt haben, dass von der Rückwirkung abgegangen wurde, liegen bei der Geschäftsraummiete nicht vor.
Weder besteht - wie beim Arbeitsverhältnis - eine besonders intensive Leistungsbeziehung mit starkem Persönlichkeitsbezug und mit Eingliederung in eine soziale Organisation, noch ist - wie beim Gesellschaftsverhältnis - ein erhöhtes Verkehrsschutzbedürfnis für Gläubiger vorhanden, die durch eine rückwirkende Anfechtung ihr Haftungssubjekt verlieren würden.
Vielmehr handelt es sich bei dem Mietvertrag - anders als beim Arbeits- oder Gesellschaftsvertrag - um ein einfach strukturiertes synallagmatisches Austauschverhältnis, bei dem die Rückabwicklung keine besonderen Schwierigkeiten aufwirft.
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cc) Zur Einschränkung der Anfechtungsmöglichkeiten wegen arglistiger Täuschung kann für das Mietrecht auch keine Parallele zum Kaufrecht herangezogen werden. Denn durch die Gewährleistungsvorschriften vor allem der §§ 434 ff. BGB beim Kauf wird nur die Irrtumsanfechtung (§ 119 Abs. 2 BGB), nicht aber die Anfechtung nach § 123 BGB ausgeschlossen. Dem Käufer stehen dieses Anfechtungsrecht und Ansprüche aus Gewährleistung, sofern ihre jeweiligen Voraussetzungen erfüllt sind, wahlweise zu (MünchKomm/Kramer BGB 5. Aufl. § 123 Rdn. 35).
dd) Entgegen der Ansicht der Revision spricht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Ausschluss des Rücktritts vom Mietvertrag nach Überlassung der Mietsache in Fällen, in denen eine Auflösung des Vertrages durch fristlose Kündigung möglich ist (BGHZ 50, 312, 315), nicht dafür, dass auch die Anfechtung von Mietverträgen nur für die Zukunft wirkt.
Der Bundesgerichtshof hat die Einschränkung der Rücktrittsmöglichkeit darauf gestützt, dass bei in Vollzug gesetzten Dauerschuldverhältnissen eine Rückabwicklung nach § 346 ff. BGB in der Regel nicht den Interessen der Parteien entspreche und angesichts der insbesondere bei längerer Vertragsdauer entstehenden erheblichen Durchführungsschwierigkeiten zu Unzuträglichkeiten führe.
Von einer solchen Interessenlage kann bei einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nicht ausgegangen werden. Die Partei, die aufgrund der arglistigen Täuschung zu einer Willenserklärung veranlasst worden ist, die sie bei Kenntnis der Umstände nicht abgegeben hätte, hat ein schutzwürdiges Interesse an der rückwirkenden Vernichtung ihrer Willenserklärung. Diesem Interesse trägt § 142 Abs. 1 BGB Rechnung.
Demgegenüber regelt der auf Nichterfüllung gestützte Rücktritt, ebenso wie die mietrechtlichen Gewährleistungsansprüche und die Kündigung aus wichtigem Grund, die Rechtsfolgen von Leistungsstörungen.
ee) Auch das Argument, die Rückgängigmachung der vollzogenen Vermieterleistung sei mit der Ingebrauchnahme der Mietsache durch den Mieter nicht mehr möglich (Roquette vor §§ 537 bis 542 Rdn. 17), trägt nicht. Das Bereicherungsrecht sieht für den Fall, dass die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich ist, gemäß § 818 Abs. 2 BGB vor, dass der Wert zu ersetzen ist.
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ff) Schließlich lassen sich bei der Geschäftsraummiete in der Regel auch keine sozialen Belange feststellen, die ggf. einen erhöhten Bestandsschutz in Vollzug gesetzter Mietverträge und deshalb eine Einschränkung der Wirkung der Anfechtung auf den Zeitpunkt des Zugangs der Anfechtungserklärung erforderlich machen könnten.
4. Die Anfechtung des Mietvertrages durch die Beklagte (Mieterin) ist auch nicht nach Treu und Glauben als unzulässige Rechtsausübung ausgeschlossen. Eine solche Einschränkung der Anfechtung greift ein, wenn die Rechtslage des Getäuschten durch die arglistige Täuschung nicht oder nicht mehr beeinträchtigt ist (Staudinger/Looschelders/Olzen BGB [2005] § 242 Rdn. 444 m.w.N.).
Davon kann hier nicht ausgegangen werden.
Die Beklagte (Mieterin) hat zwar die Mieträume bis zu dem vertraglich vereinbarten Ablauf, am 31. Juli 2002, als Büroräume genutzt, ohne dass die Nutzung durch ein Einschreiten der Baubehörde beeinträchtigt gewesen wäre. Insoweit hat sich die arglistige Täuschung der Klägerin (Vermieterin) zum Zeitpunkt der Anfechtung nicht mehr nachteilig ausgewirkt.
Die arglistige Täuschung der Klägerin (Vermieterin) wirkt aber dadurch weiter zu Lasten der Beklagten (Mieterin), weil diese für die Souterrainräume einen Mietpreis vereinbart hat, der auf der fehlerhaften Annahme beruhte, es handele sich um vollwertige Büroräume, die als solche öffentlich-rechtlich genehmigt seien.
Tatsächlich waren die Räume jedoch nur als Büronebenräume, in denen ein dauernder Aufenthalt von Menschen nicht gestattet war, genehmigt und genehmigungsfähig. Das Fehlen einer Genehmigung zur Nutzung als Büroraum stellt - unabhängig von der tatsächlichen Nutzbarkeit der Räume - einen wertbildenden Faktor dar. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Beklagte (Mieterin), hätte sie von der fehlenden Genehmigung Kenntnis gehabt, für die Räume im Souterrain jedenfalls nicht den im Mietvertrag festgelegten, sondern einen geringeren für Nebenräume angemessenen Mietzins vereinbart hätte.
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Soweit die Revision darauf verweist, das Berufungsgericht habe festgestellt, die Parteien hätten im Hinblick auf die Lage der Räumlichkeiten im Souterrain und die eingeschränkten Lichtverhältnisse bereits einen geringeren Mietzins vereinbart, lässt sie außer Acht, dass nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Parteien den Mietpreis ausgehend von einer vollwertigen Büronutzung vereinbart haben.
Dass die Beklagte (Mieterin) keinen niedrigeren Mietzins vereinbart hat, ist Folge der arglistigen Täuschung der Klägerin (Vermieterin). Der daraus entstandene Nachteil war zum Zeitpunkt der Anfechtung nicht entfallen. Bei einer Einschränkung der Wirkung der Anfechtung auf eine solche ex nunc würde er der Klägerin (Vermieterin) zugute kommen, die die Mehreinnahmen, die sie aufgrund der arglistigen Täuschung bis zu diesem Zeitpunkt erzielt hat, behalten dürfte (vgl. Erman/Jendrek aaO vor § 536 Rdn. 20).
5. Die Beklagte (Mieterin) hat auch auf das Recht zur Anfechtung nicht dadurch verzichtet, dass sie mit Schreiben vom 27. Dezember 2001 die vertraglich vorgesehene Verlängerungsoption ausgeübt hat. Denn zu diesem Zeitpunkt hatte sie noch keine Kenntnis von dem Anfechtungsgrund. Erst am 24. März 2004 hat sie nach den Feststellungen des Berufungsgerichts Kenntnis von der arglistigen Täuschung der Klägerin (Vermieterin) erlangt.
6. Infolge der wirksamen Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ist der Mietvertrag als von Anfang an nichtig anzusehen (§ 142 Abs. 1 BGB).
Die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB) hat das Berufungsgericht zutreffend nach den Grundsätzen der Saldotheorie vorgenommen, indem es durch Vergleich der durch den Bereicherungsvorgang hervorgerufenen Vor- und Nachteile ermittelt hat, ob sich für die Klägerin (Vermieterin) ein Überschuss (Saldo) ergibt (BGH Urteil vom 10. Februar 1999 - VIII ZR 314/97 - NJW 1999, 1181).
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Eine Einschränkung der Saldotheorie zum Schutz des arglistig Getäuschten ist hier, wie das Berufungsgericht zu Recht annimmt, nicht geboten. Denn die Klägerin (Vermieterin) verlangt als Täuschende Bereicherungsausgleich, so dass Gegenansprüche der getäuschten Beklagten (Mieterin) ohne weiteres als Abzugspositionen in die Saldierung einzubeziehen sind.
a) Herauszugeben ist gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB das durch die Leistung der Klägerin (Vermieterin) Erlangte. Das ist hier die von der Klägerin gewährte Gebrauchsüberlassung der Räume.
Da die Herausgabe der Gebrauchsüberlassung wegen ihrer Beschaffenheit nicht möglich ist, hat die Beklagte (Mieterin) als gutgläubige Bereicherungsschuldnerin nach § 818 Abs. 2 BGB deren Wert zu ersetzen. Dessen Höhe richtet sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach dem objektiven Verkehrswert des rechtsgrundlos Erlangten, somit hier nach der Miete, die auf dem örtlichen Markt für vergleichbare Objekte erzielt wird (Senatsurteil vom 22. Oktober 1997 - XII ZR 142/95 - NZM 1998, 192, 194; BGHZ 132, 198, 207; 168, 220, 239).
Neben diesem Anspruch auf Ersatz des objektiven Mietwerts für die Gebrauchsüberlassung ist ein Anspruch auf Herausgabe eines durch die Untervermietung evtl. erzielten Gewinns nicht gegeben.
Mit der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung des fehlgeschlagenen Mietvertrages im Wege der Leistungskondition sollen die gegenseitigen, von den Parteien aufgrund des unwirksamen Mietvertrages vorgenommenen Vermögensverschiebungen rückabgewickelt werden.
Die Gewinne der Beklagten (Mieterin) aus der Untervermietung beruhen jedoch nicht auf einer rückabzuwickelnden Leistung der Klägerin (Vermieterin), sondern auf der eigenen vermögensmäßigen Disposition der Beklagten (Mieterin).
Ihr stand es frei, den Bereicherungsgegenstand - die Gebrauchsüberlassung - selbst, gar nicht oder durch Untervermietung zu nutzen. Mit der Erstattung des objektiven Mietwerts für die Gebrauchsüberlassung wird erschöpfender Ersatz für den Wert des erlangten Gebrauchsvorteils geleistet (vgl. für bereicherungsrechtliche Ansprüche bei Verletzung gewerblicher Schutzrechte: BGHZ 82, 299, 307 f.; 99, 244, 248 f.).
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Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Klägerin (Vermieterin) auch nach Treu und Glauben daran gehindert gewesen wäre, von der Beklagten (Mieterin) einen etwaigen Gewinn aus der Untervermietung herauszuverlangen, weil sie die Beklagte (Mieterin) durch arglistige Täuschung zum Vertragsabschluss veranlasst hat.
b) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass verbrauchsunabhängige Nebenkosten grundsätzlich nicht nach Bereicherungsrecht verlangt werden könnten, weil es sich dabei nicht um Gebrauchsvorteile handele.
Der nach § 818 Abs. 2 BGB zu ersetzende Wert der erlangten Gebrauchsvorteile bestimmt sich nach dem ortsüblichen Mietzins. Dieser beinhaltet in dem Umfang, in dem verbrauchsunabhängige Nebenkosten ortsüblich als Teil des Mietzinses mit vereinbart werden, auch diese Nebenkosten.
Da bei der Geschäftsraummiete der vereinbarte Mietzins abweichend von der gesetzlichen Bestimmung in § 535 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB in der Regel die Grundmiete und verbrauchsunabhängige Nebenkosten enthält, spricht eine Wahrscheinlichkeit dafür, dass auch im örtlichen Bereich der hier im Streit befindlichen Räume üblicherweise bestimmte verbrauchsunabhängige Nebenkosten vom Mieter zu tragen sind. Ob und in welchem Umfang dies hier der Fall ist, wird erforderlichenfalls durch Sachverständigengutachten festzustellen sein.
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c) Ferner sind, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, im Rahmen des Bereicherungsanspruchs der Klägerin (Vermieterin) die verbrauchsabhängigen Nebenkosten nur zu berücksichtigen, wenn der Vermieter sie konkret darlegt.
Für die Jahre bis 2000, in denen die Klägerin (Vermieterin) Nebenkostenabrechnungen erteilt hat, ergeben sich die verbrauchsabhängigen Kosten hinreichend substantiiert aus den Abrechnungen, wenn die dort enthaltenen verbrauchsunabhängigen Kosten ortsüblich sind.
Für die Jahre 2001 und 2002, für die die Klägerin (Vermieterin) keine Nebenkostenabrechnungen erstellt hat, hat das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verbrauchsabhängige Nebenkosten nicht berücksichtigt. Die Klägerin (Vermieterin) hat konkrete Ansprüche insoweit nicht geltend gemacht. Das Berufungsgericht war auch nicht gehalten, sich aus Anlagen mögliche verbrauchsabhängige Kosten herauszusuchen.
d) Zu Recht hat das Berufungsgericht bei dem Bereicherungsanspruch der Klägerin (Vermieterin) die auf den Wertersatz entfallende Mehrwertsteuer in Ansatz gebracht.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG liegt ein steuerbarer Umsatz vor, wenn ein Unternehmer im Inland eine Lieferung oder sonstige Leistungen im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Ob es sich bei dem Wertersatz gemäß § 818 Abs. 2 BGB um nicht steuerbaren Schadenersatz oder um eine steuerbare sonstige Leistung handelt, hängt davon ab, ob die Zahlung des Wertersatzes mit einer Leistung des Steuerpflichtigen in Wechselbeziehung steht und damit ein Leistungsaustausch stattgefunden hat.
Davon ist bei einem Wertersatzanspruch, der gemäß § 818 Abs. 2 BGB bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung eines Mietvertrages entsteht, auszugehen. Denn er tritt im Rahmen der Abwicklung eines gegenseitigen Leistungsverhältnisses an die Stelle der vereinbarten Vergütung und ist deshalb umsatzsteuerpflichtig (vgl. Senatsurteil vom 22. Oktober 1997 - XII ZR 142/95 - NZM 1998, 192, 194 f.; BGHZ 175, 118).
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7. Das Berufungsgericht ist weiter zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte (Mieterin) einen Anspruch auf Rückzahlung des Kautionsbetrages aus ungerechtfertigter Bereicherung hat. Die Klägerin (Vermieterin) hat aufgrund des anfechtungsbedingten Wegfalls des Mietvertrages keinen Anspruch auf die Kaution.
Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht auch die gegenüber dem Anspruch auf Rückzahlung der Kaution erklärte Hilfsaufrechnung der Klägerin (Vermieterin) mit Schadensersatzansprüchen wegen Ausübung der Verlängerungsoption durch die Beklagte (Mieterin) für unbegründet gehalten.
Ein vertraglicher Schadensersatzanspruch scheidet, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, aus, nachdem der Mietvertrag aufgrund der Anfechtung als von Anfang an nichtig anzusehen ist. Eine andere Rechtsgrundlage ist nicht gegeben.
8. Da es noch tatsächlicher Feststellungen dazu bedarf, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe auch verbrauchsunabhängige Kosten zur ortsüblichen Miete für vergleichbaren Gewerberaum gehören, ist die Sache noch nicht zur Endentscheidung reif und deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
BGH, Urteil vom 6. August 2008
- XII ZR 67/06 -
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