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Bundesgerichtshof Entscheidungen
Vereinbarter Ausschluss der Minderung in Formularklausel eines Gewerbemietvertrages - XII ZR 62/06 -
Der u.a. für das Gewerbemietrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im April 2008 entschieden:
BGB §§ 536, 305 c Abs. 2, 307 Abs. 2 Bb, Cf
Eine vom Vermieter in einem Gewerberaummietvertrag verwendete formularmäßige Klausel, wonach eine Minderung der Miete ausgeschlossen ist, wenn die Nutzung der Räume durch Umstände beeinträchtigt wird, die der Vermieter nicht zu vertreten hat, ist im Zweifel dahin auszulegen, dass sie die Minderung insoweit vollständig ausschließt und dem Mieter nicht die Möglichkeit der Rückforderung der Miete nach § 812 BGB belässt. Eine solche Klausel benachteiligt den Mieter unangemessen und ist deswegen unwirksam.
Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die Kläger (Mieter) verlangen von den Beklagten (Vermietern) Zahlung eines unstreitigen Nebenkostenguthabens von 1.429,46 €. Gegen diesen Anspruch rechnen die Beklagten (Vermieter) mit einem Anspruch auf restliche Miete auf und fordern widerklagend weitere restliche Miete von 723,22 €.
Die Kläger mieteten mit Vertrag vom 21. Januar 1999 von den Beklagten (Vermietern) Gewerberäume zum Betrieb eines physikalischen Therapiezentrums. Sie zahlten ab Juni 2001 eine geminderte Miete. Ab diesem Zeitpunkt begannen auf dem Nachbargrundstück Bauarbeiten. Zunächst wurde das Nachbargebäude abgerissen. Sodann wurden von der dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten (Vermieter) als Nebenintervenientin beigetretenen Generalunternehmerin die H. Arkaden errichtet. Die Abriss- und Neubauarbeiten waren mit erheblichen Lärm- und Erschütterungsbelastungen für das Mietobjekt verbunden.
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Die Beklagten (Vermieter) sind der Ansicht, die Minderung sei gemäß § 16 des Mietvertrages ausgeschlossen. Dieser lautet wie folgt:
"Eine Minderung der Miete ist ausgeschlossen, wenn durch Umstände, die der Vermieter nicht zu vertreten hat (z.B. Verkehrsumleitung, Straßensperrungen, Bauarbeiten in der Nachbarschaft usw.), die gewerbliche Nutzung der Räume beeinträchtigt wird (z.B. Umsatz- und Geschäftsrückgang)."
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Die Berufung der Kläger (Mieter) ist ohne Erfolg geblieben. Dagegen wenden sich die Kläger (Mieter) mit der vom Landgericht zugelassenen Revision.
In den Entscheidungsgründen heißt es:
Die Revision der Kläger (Mieter) hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
I. Das Oberlandesgericht ist der Ansicht, der in § 16 des Mietvertrages vereinbarte Minderungsausschluss sei wirksam. Die Klausel verstoße insbesondere nicht gegen § 307 BGB, denn sie benachteilige die Mieter nicht unangemessen. Diesen bleibe die Möglichkeit einer fristlosen Kündigung gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB und die Befreiung von der Mietzahlungspflicht bei vollständiger Aufhebung der Gebrauchstauglichkeit der Mietsache.
Zudem sehe die Klausel lediglich einen sachlich eng begrenzten Minderungsausschluss für gewisse vom Vermieter nicht zu vertretende Umweltmängel vor. Wegen dieses sachlich begrenzten Minderungsausschlusses komme es, selbst wenn durch die Klausel auch bereicherungsrechtliche Rückforderungsansprüche der Mieter ausgeschlossen sein könnten, nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung der Mieter. Schließlich verbleibe den Mietern die Möglichkeit, sich von den Vermietern Entschädigungsansprüche gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gegen die Nachbarn abtreten zu lassen.
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II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass die Mietminderung bei der Geschäftsraummiete - anders als bei der Wohnraummiete - eingeschränkt werden kann. Dies folgt aus einem Umkehrschluss zu § 536 Abs. 4 BGB (Schmidt-Futterer/Eisenschmid Mietrecht 9. Aufl. § 536 BGB Rdn. 426). Eine solche Einschränkung ist grundsätzlich auch formularmäßig möglich.
2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hält die Bestimmung in § 16 des Mietvertrages jedoch einer Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 BGB nicht stand.
a) Der Inhaltskontrolle vorgeschaltet ist der gegebenenfalls durch Auslegung zu ermittelnde objektive Inhalt der Klausel. Der Senat ist an die Auslegung des Berufungsgerichts nicht gebunden. Da nunmehr auch gegen Berufungsurteile der Landgerichte eine Revision stattfinden kann, vermag der Senat die Klausel selbst auszulegen, ohne dass es darauf ankommt, ob die Klausel über den Bezirk des Oberlandesgerichts (oder auch nur eines Landgerichts) hinaus verwendet wird (Senatsurteil vom 24. Oktober 2007 - XII ZR 24/06 - Grundeigentum 2008, 120; BGH Urteil vom 5. Juli 2005 - X ZR 60/04 - NJW 2005, 2919, 2921).
b) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind gemäß ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn ausgehend von ihrem Wortlaut einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Kreise verstanden werden (st. Rspr. vgl. BGHZ 77, 116, 118; 102, 384, 389 f.; Ulmer/ Brandner/Hensen AGB-Recht 10. Aufl. § 305c BGB Rdn. 76 m.w.N.).
Nach dem Wortlaut der hier streitigen Klausel ist eine Minderung der Miete ausgeschlossen, wenn die Nutzung der Mietsache durch Umstände beeinträchtigt wird, die der Vermieter nicht zu vertreten hat.
Ob der in der Klausel geregelte Ausschluss sich nur auf die Verwirklichung der Minderung durch sofortigen Abzug von der geschuldeten Miete bezieht, oder ob der Ausschluss dem Mieter auch das Recht nimmt, die überzahlte Miete gemäß § 812 BGB zurückzufordern, lässt sich der Klausel nicht zweifelsfrei entnehmen. Die Klausel lässt vielmehr beide Auslegungen zu.
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Der Bundesgerichtshof hat die von ihm bislang überprüften, eine Mietminderung ausschließenden Klauseln dahin verstanden, dass sie nicht das Minderungsrecht schlechthin, sondern nur dessen Verwirklichung durch Abzug vom geschuldeten Mietzins ausschließen und den Mieter insoweit auf Bereicherungsansprüche verweisen (BGHZ 91, 375, 382 f.; Senatsurteil vom 27. Januar 1993 - XII ZR 141/91 - NJW-RR 1993, 519, 520).
Diese Klauseln enthielten allerdings - anders als die vorliegende Klausel - weitere, den Ausschluss der Minderung einschränkende Konkretisierungen (BGHZ 91, 375: Der Mieter kann gegenüber dem Mietzins kein Minderungsrecht geltend machen; Senatsurteil vom 27. Januar 1993 aaO: Auf das Recht zur Minderung [Herabsetzung des Pachtzinses] verzichtet der Pächter, soweit nicht mit rechtskräftig festgestellten Forderungen die vorgenannten Rechte geltend gemacht werden.).
Die hier zu beurteilende Klausel enthält keine vergleichbare Einschränkung. Sie lässt deshalb von ihrem Wortlaut her auch die Auslegung zu, dass der Ausschluss der Minderung endgültig sein und dem Mieter nicht das Recht verbleiben soll, die überzahlte Miete gemäß § 812 BGB zurückzufordern.
Die Klausel ist folglich mehrdeutig, ohne dass die Möglichkeit besteht, die Mehrdeutigkeit im Rahmen der objektiven Auslegung zu beseitigen.
In diesem Fall greift die Auslegungsregel des § 305 c Abs. 2 BGB ein, wonach Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders gehen. Dies führt jedenfalls dann, wenn eine Auslegungsvariante gegen § 307 BGB verstößt, dazu, dass die kundenfeindlichste Variante sich durchsetzt (Staudinger/Schlosser [2006] § 305 c Rdn. 108 m.w.N.; Ulmer/ Brandner/Hensen AGB-Recht 10. Aufl. § 305 c BGB Rdn. 91). Danach ist hier von der Auslegung auszugehen, nach der die Minderung endgültig ausgeschlossen ist.
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2. In dieser Auslegung verstößt die Klausel gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.
a) Nach § 307 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung liegt im Zweifel vor, wenn die Klausel mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB).
b) Nach ständiger Rechtsprechung benachteiligen Minderungsbeschränkungen in Geschäftsraummietverträgen, die den Mieter bei Vorliegen eines den Gebrauch einschränkenden Mangels einstweilen zur Zahlung der vollen Miete verpflichten und ihn wegen der überzahlten Miete auf einen Rückzahlungsanspruch (§ 812 BGB) verweisen, den Mieter nicht unangemessen (BGHZ 91, 375, 382 f.; Senatsurteil vom 27. Januar 1993 - XII ZR 141/91 - NJW-RR 1993, 519, 520; OLG Hamm NJW-RR 1998, 1020; KG NZM 2002, 526; LG Hamburg NZM 2004, 948 f.; OLG Düsseldorf MDR 2005, 1045; OLG Karlsruhe MDR 2006, 745). Diese Ansicht wird auch in der Literatur vorwiegend vertreten (Schmidt-Futterer/Eisenschmid Mietrecht 9. Aufl. § 536 BGB Rdn. 426 f.; Wolf/ Eckert/Ball Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts 9. Aufl. Rdn. 363; Lindner-Figura/Oprée/Stellmann Geschäftsraummiete Kap. 14 Rdn. 305; Bub in Bub/Treier Handbuch der Geschäfts- und Wohnraum-miete 3. Aufl. Kap. II Rdn. 518; Kraemer ebenda III Rdn. 1373; Fritz Gewerberaummietrecht 4. Aufl. Rdn. 171 b).
Solche Klauseln, die nur die Einbehaltung des Minderungsbetrages von der laufenden Miete ausschließen, dem Mieter jedoch die Möglichkeit belassen, den geminderten Teil der Miete nach § 812 BGB zurückzufordern, tragen dem berechtigten Interesse des Vermieters an der fortlaufenden pünktlichen Zahlung der vereinbarten Miete Rechnung.
Um seine Immobilie ohne Liquiditätsprobleme bewirtschaften und finanzieren zu können, ist der Vermieter auf den vollständigen pünktlichen Eingang der laufenden Mietzahlungen angewiesen.
Ein direkter Abzug des Minderungsbetrages aufgrund vom Mieter behaupteter umstrittener Mängel kann dazu führen, dass der Vermieter bis zur rechtskräftigen gerichtlichen Klärung, ob die behaupteten Mängel bestehen, nicht mehr in der Lage ist, die laufenden Bewirtschaftungs- und Kapitalkosten aufzubringen (vgl. Horst Abkopplungsklauseln im Gewerbemietrecht S. 88 ff.).
Das sich daraus ergebende Sicherungsinteresse des Vermieters rechtfertigt es, die Verwirklichung des Minderungsrechts durch Abzug von der laufenden Miete jedenfalls insoweit auszuschließen, als das Minderungsrecht nicht unstreitig oder rechtskräftig festgestellt ist, und den Mieter wegen eines Rückzahlungsanspruchs der überzahlten Miete auf eine gesonderte Klage (§ 812 BGB) zu verweisen.
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c) Demgegenüber benachteiligt der endgültige Ausschluss der Minderung, der dem Geschäftsraummieter bei Vorliegen eines den vertragsgemäßen Gebrauch einschränkenden Mangels auch den Rückzahlungsanspruch verwehrt, den Mieter unangemessen gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB (Senatsurteil vom 12. März 2008 - XII ZR 147/05 - zur Veröffentlichung bestimmt).
Die Minderung ist Ausdruck des das Schuldrecht prägenden Äquivalenzprinzips und hat daher die Aufgabe, die Gleichwertigkeit der beiderseitigen Leistungen sicherzustellen (Senatsurteil BGHZ 163, 1, 6; Emmerich/Sonnenschein Miete 9. Aufl. § 536 Rdn. 30; LG Hamburg NZM 2004, 948 f.).
Ein vollständiger Ausschluss der Minderung durch formularvertragliche Regelung verletzt deshalb das zu den wesentlichen Grundgedanken des Schuldrechts gehörende Prinzip der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung.
Das gilt auch, soweit - wie im vorliegenden Fall - der Minderungsausschluss allein Mängel betrifft, die der Vermieter nicht zu vertreten hat. Denn die Minderung setzt kein Verschulden auf Seiten des Vermieters voraus. Der Mieter kann vielmehr selbst dann mindern, wenn der Vermieter nicht über die Möglichkeit zur Beseitigung des Mangels verfügt (Kraemer in Bub/Treier aaO Kap III Rdn. 1363, 1330, 1344 m.w.N.; LG Hamburg aaO).
Insoweit wird dem Vermieter die Vergütungsgefahr auferlegt. Er verliert den Anspruch auf die vereinbarte Gegenleistung, weil er die von ihm geschuldete Leistung, die Überlassung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand, nicht erbringen kann.
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Ein vollständiger Ausschluss der Minderung bei von Dritten zu verantwortenden Einschränkungen des vertragsgemäßen Gebrauchs ist mit diesen wesentlichen Grundgedanken der Minderung nicht vereinbar.
Der Mieter müsste die volle Miete entrichten, ohne eine gleichwertige Gegenleistung zu erhalten. Er könnte die zuviel gezahlte Miete nicht zurückfordern und bliebe gegebenenfalls über einen langen Zeitraum endgültig zur vollen Mietzahlung verpflichtet, obwohl ihm der Vermieter den geschuldeten vertragsgemäßen Gebrauch nur erheblich eingeschränkt gewähren kann.
Darin liegt eine unangemessene Benachteiligung des Mieters gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.
Der Einwand, die partielle Verlagerung der Vergütungsgefahr auf den Mieter stelle keine Missachtung des Prinzips der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung dar, denn das BGB kenne vergleichbare Verlagerungen der Vergütungsgefahr auf den Leistungsgläubiger in §§ 446, 447, 644, 645, 326 Abs. 2 BGB (HansOLG Hamburg ZMR 2004, 432, 433, Woitkewitsch ZMR 2004, 401, 402), überzeugt nicht.
Diesen gesetzlichen Ausnahmeregelungen ist ebenso wie den Ausnahmeregelungen in §§ 536 b, 536 c Abs. 2 BGB, in denen die Minderung ausgeschlossen ist, gemeinsam, dass sie eine Verlagerung der Vergütungsgefahr auf den Leistungsgläubiger nur in Fällen vorsehen, in denen dies aus Gründen, die dem Leistungsgläubiger zuzurechnen sind, interessengerecht ist.
Die Störung des Äquivalenzprinzips wird auch nicht dadurch kompensiert, dass der Mieter als Besitzer gegebenenfalls von dem die Beeinträchtigung verursachenden Dritten gemäß § 906 Abs. 2 BGB einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen kann.
Die Grenze der Zumutbarkeit im Sinne von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB beurteilt sich nicht nach mietrechtlichen Vorschriften. Schon deshalb entsprechen die nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auszugleichenden Beeinträchtigungen nicht ohne weiteres dem Umfang des Minderungsrechts. Darüber hinaus würde dem Mieter zusätzlich das Risiko der Insolvenz des die Beeinträchtigung verursachenden Dritten auferlegt (LG Hamburg aaO).
3. Da das Landgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob die von den Klägern (Mietern) behaupteten, teilweise bestrittenen Beeinträchtigungen des vertragsgemäßen Gebrauchs vorgelegen haben, war der Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen nachholen kann.
BGH, Urteil vom 23. April 2008
- XII ZR 62/06 -
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