Bundesgerichtshof Entscheidungen

Zum Zeitraum der möglichen Erklärung der fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzuges - VIII ZR 115/08 -


Der u.a. für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich in einer Entscheidung vom März 2009 mit der Frage befasst, ob die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzuges nur innerhalb eines angemessenen Zeitraumes möglich ist oder auch noch später bei Fortdauer des Zahlungsverzuges erklärt werden kann.


Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Klägerin (Vermieterin) nimmt die Beklagte (Mieterin) auf Räumung ihrer Mietwohnung infolge Zahlungsverzugs in Anspruch.

Die Beklagte (Mieterin) mietete im Jahr 1997 eine Wohnung von der D. , welche diese im Jahr 2004 an die Klägerin (Vermieterin) verkaufte. Die D. verwaltete das streitige Objekt fortan für die Klägerin (Vermieterin), worüber die Beklagte (Mieterin) schriftlich informiert wurde.

Die monatliche Bruttowarmmiete betrug zuletzt 265,92 €. Die D. sprach mit Schreiben vom 15. März 2007 die fristlose Kündigung wegen eines seit März 2006 angewachsenen Mietrückstands von 915,32 € aus.


Mit der Klageschrift vom 16. April 2007, in der die Klägerin (Vermieterin) wegen eines Mietrückstandes per April 2007 in Höhe von 1.072,48 € nochmals die fristlose Kündigung erklärte, verlangt sie von der Beklagten (Mieterin) die Räumung der Wohnung.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten (Mieterin) hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin (Vermieterin) die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.


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In den Entscheidungsgründen heißt es:

Die Revision hat Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Die von der D. und der Klägerin (Vermieterin) unter dem 15. März 2007 und 16. April 2007 ausgesprochenen Kündigungen hätten das Mietverhältnis nicht beendet, so dass die Beklagte (Mieterin) nicht zur Räumung und Herausgabe der Wohnung nach § 546 Abs. 1 BGB verpflichtet sei.


Es sei schon nicht ersichtlich, in wessen Namen die D. die Kündigung vom 15. März 2007 ausgesprochen habe. Wäre die Klägerin (Vermieterin) zu diesem Zeitpunkt bereits als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen gewesen, hätte die Kündigung in ihrem Namen ausgesprochen werden müssen. Dass die D. in diesem Fall als Hausverwalterin ebenfalls zur Kündigung im Namen der Klägerin (Vermieterin) berechtigt gewesen sei, lasse sich den Informationsschreiben vom 4. und 10. Oktober 2004 nicht entnehmen. Fehle es schon an der bei einer Kündigung durch Bevollmächtigte notwendigen Fremdbezogenheit, könne offen bleiben, ob eine etwaige Hausverwaltervollmacht der D. diese überhaupt zur Kündigung berechtigt habe.


Die von der Klägerin (Vermieterin) in der Klageschrift vom 16. April 2007 ausgesprochene Kündigung sei unwirksam, weil sie nicht innerhalb einer angemessenen Frist im Sinne von § 314 Abs. 3 BGB ausgesprochen worden sei.

§ 314 Abs. 3 BGB enthalte eine allgemeine und auch auf Mietverhältnisse anwendbare Regelung, die der beschleunigten Herbeiführung klarer Verhältnisse diene und der zu Grunde liege, dass nach längerem Zuwarten auch die Fortsetzung eines Vertragsverhältnisses nicht mehr unzumutbar erscheine.

Hier habe die Klägerin (Vermieterin) vorprozessual in zahlreichen Schreiben der D. trotz Vorliegens eines nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b BGB kündigungsrelevanten Mietrückstandes von dem ihr zustehenden Kündigungsrecht keinen Gebrauch gemacht.


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Vor der Kündigung vom 16. April 2007 hätte die Klägerin (Vermieterin) der Beklagten (Mieterin) daher einen eindeutigen Hinweis erteilen müssen, dass sie den behaupteten Mietrückstand nicht mehr hinnehme und bei Nichtbegleichung die fristlose Kündigung tatsächlich aussprechen werde. Da ein solcher Hinweis nicht erfolgt sei, sei die Kündigung vom 16. April 2007 rechtsmissbräuchlich und daher unbeachtlich.


Soweit die Klägerin (Vermieterin) den Räumungsanspruch schließlich auf die im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 31. März 2008 ausgesprochene Kündigung stütze, sei diese deshalb unbeachtlich, weil es sich um eine Klageänderung handele, die als neuer Klagegrund ausschließlich im Rahmen einer Anschlussberufung nach § 524 ZPO hätte geltend gemacht werden können. Eine in der Klageänderung liegende Anschlussberufung sei gemäß § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO verspätet.


II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Die Revision ist - entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung - unbeschränkt zugelassen.

Das Berufungsgericht hat nach den Urteilsgründen die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob und inwieweit § 314 Abs. 3 BGB für den Ausspruch einer auf Zahlungsrückstand gestützten Kündigung zu berücksichtigen sei, zugelassen. Hierin liegt keine wirksame Beschränkung der Zulassung der Revision, weil die Frage keinen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs betrifft, auf den die Revisionsklägerin selbst ihre Revision hätte beschränken können (vgl. Senatsurteile vom 16. Juni 2007 - VIII ZR 57/07, WuM 2008, 556, Tz. 14; und vom 28. Juli 2006 - VIII ZR 124/05, WuM 2006, 513, Tz. 9).


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2. Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt ist die Beklagte (Mieterin) gemäß § 546 BGB zur Räumung der Mietwohnung verpflichtet, weil die Klägerin (Vermieterin) das Mietverhältnis wirksam gekündigt hat.


a) Ob dem Berufungsgericht darin zu folgen ist, dass der Wirksamkeit der Kündigung vom 15. März 2007 entgegenstand, dass sie nicht ausdrücklich im Namen der Klägerin (Vermieterin) erklärt war, bedarf keiner Entscheidung. Denn jedenfalls die Kündigung vom 16. April 2007 hat das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis beendet.


b) Die Klägerin (Vermieterin) war gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB zur fristlosen Kündigung berechtigt, weil sich die Beklagte (Mieterin), wie für das Revisionsverfahren zu unterstellen ist, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug befand, der die Miete für zwei Monate erreichte.


Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die Kündigung vom 16. April 2007 nicht deshalb gemäß § 314 Abs. 3 BGB unwirksam, weil sie nicht innerhalb einer angemessenen Frist ab Kenntniserlangung der Klägerin (Vermieterin) von dem Kündigungsgrund erfolgt wäre.

Dabei bedarf die im rechtswissenschaftlichen Schrifttum umstrittene Frage, ob § 314 Abs. 3 BGB bei der Wohnraummiete im Rahmen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB überhaupt Anwendung finden kann (vgl. dazu Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 9. Aufl., § 543 BGB, Rdnr. 123 f.; Erman/Hohloch, BGB, 12. Aufl., § 314 BGB Rdnr. 10; Lammel, Wohnraummietrecht, 3. Aufl., § 543 Rdnr. 175, 183, 185; MünchKomm BGB/Bieber, 5. Aufl., § 543 Rdnr. 53; MünchKommBGB/Gaier, aaO, § 314 BGB, Rdnr. 9; Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 314 BGB, Rdnr. 6; Weth in: jurisPK-BGB, 4. Aufl., § 314 Rdnr. 5, 40; Erman/Jendrek, aaO, § 543 BGB Rdnr. 3, Rdnr. 21 a.E.; vgl. zur Gewerbemiete auch BGH, Urteil vom 21. März 2007 - XII ZR 36/05, NJW-RR 2007, 886, Tz. 21 für eine auf die Nichtleistung der Kaution gestützte Kündigung) keiner Entscheidung. Denn auch bei einer Anwendung von § 314 Abs. 3 BGB ist die von der Klägerin (Vermieterin) am 16. April 2007 erklärte Kündigung wirksam.


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Der Umstand, dass die Klägerin (Vermieterin) nicht sogleich im November 2006 gekündigt hat, als mit 534,45 € bereits ein zur fristlosen Kündigung berechtigender Rückstand von zwei Monatsmieten erreicht war, vermag eine illoyale Verspätung der am 16. April 2007 - wegen eines fast doppelt so hohen Mietrückstands erklärten - fristlosen Kündigung von vornherein nicht zu begründen. Für ein Vertrauen der Beklagten (Mieterin), die Klägerin (Vermieterin) werde den Mietrückstand hinnehmen und auch bei einem weiteren Anstieg des Rückstands von ihrem Kündigungsrecht keinen Gebrauch machen, gibt es in dieser Situation keine Grundlage.


Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war die Kündigung der Klägerin (Vermieterin) vom 16. April 2007 auch nicht deshalb missbräuchlich, weil sie zuvor nicht ausdrücklich eine fristlose Kündigung angedroht hat.

Gemäß § 543 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BGB bedarf es bei einer auf Zahlungsverzug des Mieters gestützten Kündigung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB keiner vorherigen Fristsetzung oder Abmahnung. Dass der Vermieter einen sich aufbauenden Mietrückstand nicht sofort zum Anlass einer fristlosen Kündigung nimmt, ändert daran nichts und lässt eine ohne Abmahnung erfolgte Kündigung noch nicht treuwidrig erscheinen.


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III. Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, weil das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat, ob die von der Beklagten (Mieterin) behaupteten Mängel bestehen, eine Mietminderung in Höhe der von ihr einbehaltenen Beträge rechtfertigen und ob die Beklagte (Mieterin) den Zahlungsrückstand zu vertreten hat.


BGH, Urteil vom 11. März 2009

- VIII ZR 115/08 -


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