Bundesgerichtshof Entscheidungen

Kein Zurückbehaltungsrecht an der Kaution bzw. Mietsicherheit - XII ZR 255/04 -


Im März 2007 hat der unter anderem für das gewerbliche Mietrecht zuständige XII. Zivilsenat des BGH entschieden, dass der Mieter von Geschäftsräumen in der Regel kein Zurückbehaltungsrecht an der Kaution beziehungsweise Mietsicherheit hat.

Ob allein die Nichtzahlung der Kaution den Vermieter bereits vor Übergabe des Mietobjekts zur fristlosen Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB berechtigt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.


Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Klägerin (Vermieterin) verlangt von der Beklagten (Mieterin) Miete und nach Kündigung des Vertrages Ersatz von Mietausfallschaden. Die Beklagte (Mieterin) macht widerklagend entgangenen Gewinn geltend.


Mit notariellem Vertrag vom 27. September 1999 vermietete die Klägerin (Vermieterin) der Beklagten (Mieterin) zwei Häuser in B. zur Nutzung als Medien- und Geschäftszentrum.

Die Mietobjekte sollten von der Klägerin (Vermieterin) instand gesetzt und der Beklagten (Mieterin) in einem der beigefügten Baubeschreibung entsprechenden Ausbauzustand übergeben werden.

Die Baubeschreibung sah u.a. die Errichtung einer solide dimensionierten Grundinstallation für die Telekommunikationsanlagen vor. "Nach vollständiger Fertigstellung des jeweiligen Hauses nebst Außenanlagen sollte die Beklagte (Mieterin) zur Übernahme der Mietobjekte verpflichtet sein. Mit der Übergabe sollte der Mietvertrag beginnen und die Miete geschuldet sein.


Zur Sicherung der Ansprüche der Klägerin (Vermieterin) aus dem Mietvertrag war die Beklagte (Mieterin) gemäß § 16 des Mietvertrages verpflichtet, verschiedene Sicherheiten beizubringen. Änderungen des Vertrages sollten ebenso wie die Aufhebung der Schriftformklausel der Schriftform bedürfen (§ 21 Abs. 3 des Mietvertrages).


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Mit notariell beurkundeten Nachtragsverträgen vom 21. August 2000, 12. Juli 2001 und Mietbestätigungsvereinbarung vom 8. Mai 2002 haben die Parteien den Mietvertrag wegen wiederholter Verzögerungen der zunächst für Februar bzw. September 2001 geplanten Fertigstellung zuletzt dahin abgeändert, dass die Fertigstellung und Übergabe der Mietobjekte spätestens zum 1. Februar 2003 erfolgen und der Mietvertrag bis zum 31. Januar 2023 laufen sollte.

Eine Bürgschaft der Beklagten (Mieterin) über 900.000 € sollte bis 31. Dezember 2002 und eine Sicherheit der T. M. C. Ltd., L. über 500.000 € bis 18. Mai 2002 beigebracht werden. Letztere hat die Beklagte (Mieterin) der Klägerin (Vermieterin) fristgemäß übergeben.


Die Klägerin (Vermieterin) hat der Beklagten (Mieterin) wiederholt die Übergabe der Mietobjekte angeboten (Schreiben vom 14. Januar 2003, 19. Februar 2003 und 20. März 2003) und die Bürgschaft der Beklagten (Mieterin) angemahnt.

Unter Hinweis auf das Fehlen der Grundinstallation für die Telekommunikationsanlagen und weitere Mängel der Mietobjekte hat die Beklagte (Mieterin) eine Übernahme abgelehnt und bezüglich der Bürgschaft ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht.


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Mit Schreiben vom 28. März 2003 hat die Klägerin (Vermieterin) den Mietvertrag fristlos gekündigt, weil die Beklagte (Mieterin) die geschuldete Kaution nicht erbracht und die Übernahme des vertragsgerecht fertig gestellten Objekts verweigert habe.

Sie behauptet, die Parteien hätten abweichend von dem schriftlichen Mietvertrag nachträglich vereinbart, dass die Grundinstallation für die Telekommunikationsanlagen nicht von der Klägerin (Vermieterin), sondern von der Beklagten (Mieterin) in Auftrag gegeben werden solle.

Bei den übrigen Mängeln handele es sich um kleinere Schönheitsfehler, die die Gebrauchs- und Bezugsfertigkeit der Mietobjekte nicht beeinträchtigten.


Die Beklagte (Mieterin) hat ihrerseits, nachdem sie der Klägerin (Vermieterin) Abhilfefristen zur Fertigstellung der Mietobjekte gesetzt hatte, mit Schreiben vom 7. April 2003 den Mietvertrag fristlos gekündigt.


Das Landgericht hat die auf Miete und Schadensersatz gerichtete Klage abgewiesen und der auf Zahlung entgangenen Gewinns gerichteten Teilwiderklage dem Grunde nach stattgegeben.

Gegen das die Berufung der Klägerin (Vermieterin) zurückweisende Urteil richtet sich die Revision der Klägerin (Vermieterin).

Das Berufungsgericht hat die Revision zur Fortbildung des Rechts im Hinblick auf die Frage der vertraglich vereinbarten Fertigstellung im Rahmen von Mietverträgen bzw. zur Nichterbringung einer vertraglich vorgesehenen Sicherheit vor Übergabe des Mietgegenstandes zugelassen.


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In den Entscheidungsgründen heißt es:

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

Der von der Klägerin (Vermieterin) für die Zeit vom 1. bis 28. März 2003 geltend gemachte Mietzinsanspruch bestehe nicht, weil der Mietzins gemäß § 5 Abs. 1 des Mietvertrages erst ab Übergabe der Mietobjekte geschuldet, die Beklagte (Mieterin) aber mangels Fertigstellung der Mietobjekte nicht zur Übernahme verpflichtet gewesen sei.


Schon das Fehlen der gemäß Baubeschreibung geschuldeten Grundinstallation für die Telekommunikationsanlagen schließe eine Fertigstellung aus. Soweit die Klägerin (Vermieterin) behauptet habe, die Parteien hätten insoweit den schriftlichen Mietvertrag mündlich geändert, stehe der Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung die in § 21 Abs. 3 des Mietvertrages enthaltene qualifizierte Schriftformklausel entgegen.


Selbst wenn man eine konkludente Abänderung der Schriftformklausel für zulässig halte, könne die Klägerin (Vermieterin) hieraus zu ihren Gunsten nichts herleiten. Es fehle an Vortrag dazu, wann/wo/wer mit wem in Abänderung des Vertrages eine Übernahme der Grundinstallation für die Telekommunikationsanlagen durch die Beklagte vereinbart habe.


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Auch die weiteren von der Beklagten (Mieterin) gerügten Mängel stünden einer Fertigstellung der Mietobjekte entgegen. Deren Gesamtheit rechtfertige die Annahme einer erheblichen Gebrauchsbeeinträchtigung im Sinne des § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB.


Die Klägerin (Vermieterin) habe auch keinen Anspruch auf Ersatz eines sogenannten Kündigungsfolgeschadens in Höhe des entgangenen Mietzinses für die geltend gemachte Zeit ab fristloser Kündigung bis Ende April 2003.

Denn die Klägerin (Vermieterin) sei zu einer Kündigung aus wichtigem Grund wegen Nichtleistung der vereinbarten Sicherheit nicht berechtigt gewesen.


Zwar werde die Auffassung vertreten, dass eine solche Kündigung auch schon vor Übergabe der Mietsache möglich sei, wenn das Sicherungsbedürfnis des Vermieters durch das Verhalten des Mieters berührt werde, also wenn vertragswidriges Verhalten des Mieters den Zugriff auf die zu leistende Sicherheit rechtfertigen würde.

Das sei hier gerade nicht der Fall. Da die Klägerin (Vermieterin) noch keinen Anspruch auf Zahlung der Miete gehabt habe, habe auch kein Sicherungsbedürfnis bestanden.


Selbst wenn bei Nichtzahlung der Kaution ein Recht zur Kündigung vorgelegen hätte, hätte dieses nicht zu dem von der Klägerin (Vermieterin) geltend gemachten Schadensersatzanspruch geführt, da eine Mietzinsverpflichtung der Beklagten (Mieterin) bereits deshalb nicht bestanden habe, weil eine Übergabe der Mietobjekte mangels Fertigstellung nicht möglich gewesen sei.


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Soweit die Klägerin (Vermieterin) geltend mache, die Konzernmutter der Beklagten (Mieterin) sei vermögenslos, weshalb die von ihr gestellte Sicherheit wertlos sei, stelle dies keinen wichtigen Grund zur Kündigung des Mietvertrages dar, da die Beibringung der Sicherheit den vertraglichen Vereinbarungen entsprochen habe und das Risiko der Wertlosigkeit von Anfang an bei der Klägerin (Vermieterin) gelegen habe.


Die Widerklage sei dem Grunde nach gerechtfertigt. Da die Klägerin (Vermieterin) bis zum Ablauf der von der Beklagten (Mieterin) gesetzten Frist nicht in der Lage gewesen sei, den vertragsgemäßen Zustand herzustellen, sei die Beklagte (Mieterin) zur Kündigung des Vertrages berechtigt gewesen.

Deshalb stehe ihr auch ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280, 281 BGB jedenfalls dem Grunde nach zu.


II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.

1. Die Klägerin (Vermieterin) hat keinen Anspruch auf Miete. Denn sie hat der Beklagten (Mieterin) die Mietobjekte nicht in dem vertraglich vereinbarten Zustand zur Übernahme angeboten.


a) Es kann dahingestellt bleiben, ob das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Beklagte (Mieterin) zur Übernahme der Mietobjekte nicht verpflichtet war, weil diese mangels Herstellung der vertraglich geschuldeten Grundinstallation für die Telekommunikationsanlagen nicht fertig gestellt waren.


b) Die Beklagte (Mieterin) war jedenfalls schon wegen der Vielzahl der anderen Mängel der Mietobjekte berechtigt, die Übernahme abzulehnen.

Das Berufungsgericht ist nach Würdigung der Mängelliste der Beklagten (Mieterin) vom 18. Februar 2003, die auch Gegenstand des von der Klägerin (Vermieterin) in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens war, zu dem Ergebnis gelangt, dass diese Mängel in ihrer Gesamtheit die Annahme einer erheblichen Gebrauchsbeeinträchtigung im Sinne von § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB rechtfertigen.


Entgegen der Ansicht der Revision ist der Mieter nicht verpflichtet, eine Mietsache, die ihm in vertragswidrigem Zustand angeboten wird, zu übernehmen.

Vielmehr kann er die Übernahme ablehnen, wenn das Mietobjekt nicht den vertraglichen Vereinbarungen entspricht und die Sach- oder Rechtsmängel nicht nur geringfügig sind (Staudinger/Emmerich 2006 § 543 Rdn. 18; Blank/Börstinghaus Miete 2. Aufl. § 535 Rdn. 217, § 543 Rdn. 49 m.w.N.; Grapentin in Bub/Treier Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 3. Aufl. Kap. IV Rdn. 145).


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Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Das Berufungsgericht ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die Mängel eine erhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung zur Folge haben.


2. Die Klägerin (Vermieterin) hat auch keinen Anspruch auf Ersatz entgangener Miete. Denn sie war zur fristlosen Kündigung wegen Nichtleistung der geschuldeten Kaution nicht berechtigt.


Zwar stand der Beklagten (Mieterin) kein Zurückbehaltungsrecht an der Kaution zu, die nach den Vereinbarungen der Parteien einen Monat vor der Übergabe fällig sein sollte.

Denn die Sicherheitsleistung soll den Vermieter ohne Rücksicht auf einen Streit der Parteien über die Berechtigung von Gegenrechten des Mieters in Bezug auf dessen Vertragspflicht zur Zahlung der vereinbarten Miete schützen und ihm während und nach Beendigung des Mietverhältnisses eine erleichterte Durchsetzung seiner berechtigten Ansprüche aus dem konkreten Mietverhältnis gegen den Mieter ermöglichen (OLG Karlsruhe Justiz 2007, 139 m.w.N.).


Da die Sicherheitsleistung der Absicherung des Anspruchs des Vermieters auf künftige Leistungen dient, kann das Sicherungsinteresse auch schon vor Übergabe der Mietsache vorliegen. Mit dem Sicherungszweck der Kaution ist ein Zurückbehaltungsrecht des Mieters an der Kaution nach § 273 BGB in der Regel nicht zu vereinbaren.


Ob jedoch allein die Nichtzahlung der Kaution den Vermieter zur fristlosen Kündigung berechtigt, hängt gemäß § 543 Abs. 1 BGB von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere davon ab, ob ihm unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der Vertragsparteien, die Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar ist.


Hier ist eine Unzumutbarkeit für die Klägerin (Vermieterin) jedoch noch nicht gegeben. Denn bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin (Vermieterin) sich selbst nicht vertragstreu verhalten hat, indem sie die vertraglich geschuldete Herstellung der Mietobjekte verweigert hat.

Die Durchführung des Mietvertrages war der Klägerin (Vermieterin) deshalb aufgrund der Nichtbeibringung der geschuldeten Bürgschaft nicht unzumutbar geworden.


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3. Das Berufungsgericht hat auch zu Recht den mit der Widerklage geltend gemachten Anspruch der Beklagten auf Schadensersatz gemäß §§ 280, 281 BGB dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.


a) Die von der Revision erhobene Rüge, das Grundurteil sei unzulässig, weil das Berufungsgericht zur Wahrscheinlichkeit eines Schadens keine Feststellungen getroffen habe, greift nicht.

Das Berufungsgericht ist insoweit dem Urteil des Landgerichts gefolgt. Danach ist mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Beklagten (Mieterin) ein Schaden aus der Nichterfüllung des Mietvertrages entstanden ist.


b) Die Beklagte (Mieterin) hat den Mietvertrag - entgegen der Ansicht der Revision - auch wirksam fristlos gekündigt. Sie war schon vor Übergabe der Mietobjekte gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 BGB zur fristlosen Kündigung berechtigt, weil die Klägerin (Vermieterin) ihr die Mietobjekte - wie oben ausgeführt - nicht in dem vertraglich vereinbarten Zustand angeboten und die Mängel nicht binnen der von der Beklagten (Mieterin) gesetzten Frist beseitigt hat.


Die Klägerin (Vermieterin) hat sich dabei auch nicht etwa darauf berufen, zu einer Gebrauchsfertigstellung solange nicht verpflichtet zu sein, bis die Beklagte (Mieterin) ihrerseits ihre Verpflichtung zur Erbringung der Kaution erfüllt hat.

Sie hat vielmehr durch die Erklärung in ihrem Kündigungsschreiben vom 28. März 2003, sie habe das Mietobjekt im vertraglich vereinbarten Zustand zur Übergabe angeboten, die geschuldete Vertragserfüllung endgültig verweigert. Deshalb war die Beklagte (Mieterin) - entgegen der Ansicht der Revision - auch nicht wegen eigener Vertragsuntreue (Nichtbeibringung der geschuldeten Bürgschaft) an der Kündigung gehindert.


BGH, Urteil vom 21.03.2007

- XII ZR 255/04 -


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