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Bundesgerichtshof Entscheidungen
Mieterhöhung bei Flächenabweichung in Mietwohnung - VIII ZR 205/08 -
Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte im Juli 2009 darüber zu entscheiden, ob bei einer Mieterhöhung nach § 558 BGB die vertraglich vereinbarte Wohnfläche auch dann zugrunde zu legen ist, wenn die tatsächliche Wohnfläche (zum Nachteil des Mieters) eine geringere Größe aufweist.
Die Beklagte ist Mieterin einer Wohnung der Klägerin in Hamburg. In dem Mietvertrag ist die Wohnfläche mit 55,75 qm angegeben. Die tatsächliche Wohnfläche beträgt 51,03 qm.
Mit Schreiben vom 24. November 2006 hat die Klägerin (Vermieterin) von der Beklagten (Mieterin) die Zustimmung zu einer Mieterhöhung von 360,47 € auf 432,56 € entsprechend 7,76 € je qm ab dem 1. Februar 2007 verlangt. Sie hat dabei die im Mietvertrag angegebene Wohnfläche von 55,75 qm zugrunde gelegt.
Das Amtsgericht hat der auf Zustimmung zur begehrten Mieterhöhung gerichteten Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten (Mieterin) zurückgewiesen. Die Revision der Beklagten (Mieterin) hatte keinen Erfolg.
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Der Bundesgerichthof hat entschieden, dass bei einem Mieterhöhungsverlangen nach § 558 BGB die im Mietvertrag angegebene Wohnfläche und nicht die geringere tatsächliche Wohnfläche zugrunde zu legen ist, wenn die Flächenabweichung nicht mehr als 10 % beträgt.
In einem solchen Fall liegt die Abweichung innerhalb der Toleranzgrenze für die Verbindlichkeit von Wohnflächenvereinbarungen, wie sie der Senat auch für den Fall einer zum Nachteil des Vermieters wirkenden Flächenabweichung angenommen hat.
Die vertragliche Festlegung einer größeren als der tatsächlich vorhandenen Wohnfläche ist keine Vereinbarung, die zum Nachteil des Mieters von den Bestimmungen der §§ 557, 558 BGB über Mieterhöhungen abweicht und deshalb gemäß 557 Abs. 4 bzw. § 558 Abs. 6 BGB unwirksam wäre. Diese Schutzvorschriften betreffen nur solche Abreden, welche die formellen oder materiellen Voraussetzungen einer Mieterhöhung nach § 558 BGB verändern.
Mit der vertraglichen Festlegung auf eine bestimmte Wohnfläche haben die Parteien aber keine solche Vereinbarung getroffen. Die mittelbare Wirkung einer Wohnflächenvereinbarung auf die Miethöhe wird hingegen nicht vom Schutzzweck dieser Bestimmungen erfasst. Erst bei einer Überschreitung der Erheblichkeitsgrenze von 10 % ist es dem jeweils nachteilig betroffenen Vertragspartner nicht mehr zumutbar, sich an dieser Vereinbarung festhalten zu lassen, und infolgedessen die tatsächliche Wohnfläche maßgeblich.
BGH, Urteil vom 8. Juli 2009
- VIII ZR 205/08 -
Mitteilung der Pressestelle des BGH Nr. 146/2009
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Langfassung der Entscheidung:
BGB § 557 Abs. 4, § 558 Abs. 1, 6
Einer Mieterhöhung nach § 558 BGB ist die vereinbarte Wohnfläche zugrunde zu legen, wenn die tatsächliche Wohnfläche zum Nachteil des Mieters um nicht mehr als 10 % davon abweicht (im Anschluss an BGH, Urteil vom 23. Mai 2007 - VIII ZR 138/06, NJW 2007, 2626).
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juni 2009 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen sowie die Richterinnen Hermanns, Dr. Milger und Dr. Hessel für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 16 des Landgerichts Hamburg vom 8. Juli 2008 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Entscheidung liegt vor Sachverhalt zu Grunde:
Die Beklagte ist Mieterin einer Wohnung der Klägerin in H. . Im Mietvertrag vom 30. Juli 1987 ist die Wohnfläche mit 55,75 qm angegeben; die tatsächliche Wohnfläche beträgt jedoch nur 51,03 qm. Die Miete für die Wohnung belief sich seit November 2003 auf 360,47 € zuzüglich Nebenkosten sowie eines Betrages von 7,85 €, den die Beklagte (Mieterin) im Hinblick auf den Einbau eines Wasserzählers als "Modernisierungszuschlag" entrichtet.
Mit Schreiben vom 24. November 2006 forderte die Klägerin (Vermieterin) die Beklagte (Mieterin) auf, einer Erhöhung der Nettomiete von 360,47 € auf 432,56 € (jeweils zuzüglich des Modernisierungszuschlags von 7,85 €) mit Wirkung ab 1. Februar 2007 zuzustimmen. Sie verwies dabei auf die Einordnung der Wohnung in das einschlägige Rasterfeld des Hamburger Mietspiegels, welches eine Spanne von 6,43 € je qm bis 9,83 € je qm und einen Mittelwert von 7,83 € je qm ausweist. Die Beklagte (Mieterin) stimmte nicht zu. Mit der Klage hat die Klägerin (Vermieterin) Zustimmung zur Mieterhöhung entsprechend dem Mieterhöhungsverlangen vom 24. November 2006 begehrt.
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Das Amtsgericht hat die Beklagte (Mieterin) zur Zustimmung zu einer Erhöhung der Nettomiete auf 432,56 € mit Wirkung vom 1. Februar 2007 verurteilt und in den Gründen ausgeführt, dass der frühere Modernisierungszuschlag in der neuen Nettomiete aufgehe. Das Landgericht hat die Berufung der Beklagten (Mieterin) zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte (Mieterin) weiterhin die Abweisung der Klage.
In den Urteilsgründen heißt es:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Das Mieterhöhungsverlangen der Klägerin (Vermieterin) sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf der Grundlage der im Mietvertrag angegebenen Wohnfläche von 55,75 qm zu beurteilen, weil die Abweichung zur tatsächlichen Wohnfläche unter 10 % liege. Da sich die ortsübliche Vergleichsmiete auf mindestens 7,76 € je qm belaufe, sei die von der Klägerin (Vermieterin) verlangte Mieterhöhung auf der Grundlage der vereinbarten Wohnfläche berechtigt.
II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Der Klägerin (Vermieterin) steht aus § 558 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Zustimmung zur Erhöhung der Nettomiete auf 432,56 € mit Wirkung vom 1. Februar 2007 zu.
1. Das Berufungsgericht geht stillschweigend davon aus, dass die Klägerin (Vermieterin) mit dem Schreiben vom 24. November 2006 ein formwirksames Mieterhöhungsverlangen gestellt hat, dass auch die weiteren Voraussetzungen des § 558 BGB (Kappungsgrenze, Jahressperrfrist und Wartefrist) erfüllt sind und dass die ortsübliche Vergleichsmiete, wie vom Amtsgericht festgestellt, zumindest 7,76 € je qm beträgt. Insoweit werden von der Revision keine Einwendungen erhoben und sind Rechtsfehler auch nicht ersichtlich.
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2. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass dem Mieterhöhungsverlangen der Klägerin (Vermieterin) die im Mietvertrag angegebene Wohnfläche von 55,75 qm zugrunde zu legen ist und nicht die geringere tatsächliche Wohnfläche von 51,03 qm.
In der Angabe der Wohnfläche im Mietvertrag liegt nach der Rechtsprechung des Senats eine Beschaffenheitsvereinbarung, die auch für die Beurteilung einer Mieterhöhung nach § 558 BGB maßgeblich ist, wenn die Flächenabweichung - wie hier - nicht mehr als 10 % beträgt (Senatsurteile vom 7. Juli 2004 - VIII ZR 192/03, NZM 2004, 699, unter II 1, sowie vom 23. Mai 2007 - VIII ZR 138/06, NJW 2007, 2626, Tz. 17 f. ).
In der Entscheidung vom 7. Juli 2004 ging es um eine Abweichung von mehr als 10 %; der Senat hat aus diesem Grund einen Anspruch des Mieters auf Erstattung überzahlter Miete bejaht, weil der Mieterhöhung zu Unrecht die überhöhte vereinbarte Wohnfläche zugrunde gelegt worden war. In dem der Entscheidung vom 23. Mai 2007 zugrunde liegenden Sachverhalt war die tatsächliche Wohnfläche - unterhalb - der Grenze von 10 % - größer als die vereinbarte Wohnfläche, so dass sich die Verbindlichkeit der geringeren Größe zum Nachteil des Vermieters auswirkte.
Vorliegend geht es hingegen um die Frage, ob sich auch der Mieter bei der Mieterhöhung nach § 558 BGB an einer für ihn nachteiligen, aber im Rahmen der Toleranzgrenze von 10 % liegenden Wohnflächenvereinbarung festhalten lassen muss. Dies hat das Berufungsgericht zutreffend bejaht. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Beschaffenheitsvereinbarung der Parteien über die Wohnfläche auch für diesen Fall maßgebend.
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Allerdings leitet eine verbreitete Auffassung aus § 557 Abs. 4 bzw. § 558 Abs. 6 BGB (zuvor § 10 Abs. 1 MHG) her, dass die Vereinbarung einer gemessen an den tatsächlichen Verhältnissen zu großen Wohnfläche für spätere Mieterhöhungen nach § 558 BGB nicht verbindlich sei, weil es sich um eine verkappte Mieterhöhungsmöglichkeit handele, die dem Vermieter gestatte, die Miete über die ortsübliche Vergleichsmiete hinaus zu erhöhen (OLG Hamburg, NZM 2000, 654, 655; LG Berlin, WuM 2004, 613; Sternel, Mietrecht Aktuell, 4. Aufl., IV Rdnr. 167; Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 9. Aufl., § 558 BGB Rdnr. 64; Staudinger/Emmerich, BGB (2006), § 558 Rdnr. 32; Münch-KommBGB/Artz, 5. Aufl., § 558 Rdnr. 23; Bamberger/Roth/Ehlert, BGB, 2. Aufl., § 558 Rdnr. 28; Kraemer, WuM 1998, Beil. zu Heft 12, 13, 18; Vehslage, DWW 1998, 227, 228).
Dieser Auffassung folgt der Senat indessen nicht. Eine Wohnflächenvereinbarung wird von den Mieterschutzbestimmungen der § 557 Abs. 4, § 558 Abs. 6 BGB nicht erfasst.
Nach § 557 BGB kann der Vermieter Mieterhöhungen, sofern er sie nicht während des Mietverhältnisses mit dem Mieter vereinbart (§ 557 Abs. 1 BGB), nur nach Maßgabe der §§ 558 ff. BGB verlangen. Mit dem in § 557 Abs. 4 BGB enthaltenen und in § 558 Abs. 6 BGB noch einmal wiederholten Verbot von Vereinbarungen, die von den gesetzlichen Bestimmungen zum Nachteil des Mieters abweichen, sind Abreden gemeint, die die formellen oder materiellen Voraussetzungen für eine Mieterhöhung abändern (vgl. Senatsurteil vom 7. Februar 2007 - VIII ZR 122/05, NJW-RR 2007, 667, Tz. 15 f. zum Zustimmungserfordernis).
Dies trifft auf eine Wohnflächenvereinbarung nicht zu, selbst wenn sie im Rahmen eines späteren Mieterhöhungsverfahrens mittelbar Bedeutung erlangen kann.
Auch der Mieter muss sich deshalb - innerhalb der Toleranzgrenze - an einer Wohnflächenvereinbarung im Rahmen eines Mieterhöhungsverfahrens nach § 558 BGB in gleicher Weise wie der Vermieter festhalten lassen. Erst bei einer Differenz von mehr als 10 % ist es dem davon jeweils nachteilig betroffenen Vertragspartner nicht mehr zumutbar, an der Vereinbarung festzuhalten, und ist infolge dessen die tatsächliche Wohnfläche maßgeblich.
BGH, Urteil vom 8. Juli 2009
- VIII ZR 205/08 -
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