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Bundesgerichtshof Entscheidungen
Zur Rückforderung der Mietkaution vom neuen Eigentümer nach dem Ende des Mietverhältnisses und Auszug aus der Wohnung - VIII ZR 219/06 -
Der u.a. für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH hat sich im April 2007 mit der Frage befasst, ob ein Eigentumserwerb an der Mietsache zu einem Zeitpunkt nach der Beendigung eines Mietverhältnisses und nach erfolgtem Auszug des Mieters aus der Wohnung den neuen Eigentümer gleichwohl zur Rückzahlung der Mietsicherheit an den Mieter neben, bzw. anstelle des bisherigen Vermieters verpflichtet. Der BGH hat dies verneint und hierzu folgendes festgestellt:
BGB §§ 566, 566a
a) Ein Grundstückserwerb nach der Beendigung eines Mietverhältnisses und dem Auszug des Mieters führt nicht zum Eintritt des neuen Eigentümers in Rechte und Pflichten des bisherigen Vermieters aus dem beendeten Mietverhältnis und aus einer Sicherungsabrede zur Mietkaution.
b) Die Abrechnung der Nebenkosten aus der im Zeitpunkt des Auszugs des Mieters laufenden Abrechnungsperiode obliegt dem bisherigen Vermieter (im Anschluss an BGH, Urteil vom 3. Dezember 2003 - VIII ZR 168/03, NJW 2004, 851).
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die Parteien streiten um Rückzahlung einer Mietkaution.
Der Kläger (Mieter) hatte seit dem 1. Juli 1999 von einer Wohnungsbaugesellschaft eine Wohnung in B. gemietet und die Kaution in Höhe von 1.730 DM (884,53 €) entrichtet.
Seit dem 12. April 2004 stand das Grundstück, auf dem sich die an den Kläger (Mieter) vermietete Wohnung befindet, unter Zwangsverwaltung.
Der Kläger (Mieter) kündigte das Mietverhältnis zum 30. Juni 2004 und zog aus. Am 26. November 2004 erhielt die Beklagte im Rahmen der Zwangsversteigerung den Zuschlag für das Grundstück.
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Das Amtsgericht hat die Beklagte (als neue Eigentümerin der Wohnung) mit (rechtskräftigem) Teilurteil vom 29. November 2005 zur Abrechnung über die Kaution und mit Schlussurteil vom 23. Februar 2006 zur Rückzahlung der Kaution nebst Zinsen verurteilt.
Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Landgericht zurückgewiesen.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung weiter.
In den Entscheidungsgründen heißt es:
Das Berufungsgericht (LG Berlin GE 2006, 1479) hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Der Anspruch des Klägers (Mieters) auf Rückzahlung der Mietkaution richte sich gemäß § 566a BGB gegen die Beklagte als Erwerberin des Grundstücks, denn es komme entscheidend darauf an, zu welchem Zeitpunkt der Anspruch des Klägers (Mieters) fällig geworden sei.
Die Fälligkeit sei aber erst nach dem Eigentumserwerb der Beklagten eingetreten, weil noch die Abrechnung der Nebenkosten für das Jahr 2004 ausgestanden habe und die Mietkaution auch zur Sicherung noch nicht fälliger Ansprüche bestimmt sei.
Darauf, dass das Mietverhältnis schon vor dem Eigentumsübergang beendet gewesen sei, komme es nicht an. Bereits im Anwendungsbereich des § 566 BGB sei anerkannt, dass der Erwerber auch in ein Abwicklungsverhältnis nach Kündigung des Mietverhältnisses eintrete, solange die Mietsache noch nicht zurückgegeben sei.
Für die Rückgabe der Sicherheit bestimme dies § 566a BGB ausdrücklich. Nach der gesetzlichen Regelung sei es unerheblich, ob der Erwerber die Kaution vom früheren Vermieter erhalten habe, er müsse sich grundsätzlich bei dem Veräußerer schadlos halten. Diese Risikoverteilung gelte auch für den Erwerb im Rahmen der Zwangsversteigerung.
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II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass §§ 566, 566a BGB auch im Fall des Eigentumserwerbs im Wege der Zwangsversteigerung Anwendung finden (§ 57 ZVG).
Ein Eintritt des neuen Eigentümers in Rechte und Pflichten des Vermieters aus dem Mietverhältnis und der geleisteten Mietsicherheit gemäß §§ 566, 566a BGB kommt aber nach dem Zweck dieser Vorschriften nicht mehr in Betracht, wenn der (ehemalige) Mieter - wie hier - schon vor dem Eigentumsübergang auf den Erwerber ausgezogen ist.
a) Der in § 566 BGB geregelte Eintritt des Erwerbers in ein bestehendes Mietverhältnis dient dem Schutz des Mieters, dem die Wohnung aufgrund eines wirksamen Mietvertrages überlassen worden ist.
Die ihm dadurch von seinem Vertragspartner eingeräumte Rechtsstellung - der berechtigte Besitz - soll ihm auch gegenüber einem späteren Erwerber des Grundstücks erhalten bleiben (Staudinger/Emmerich, BGB (2006), § 566 Rdnr. 3).
Das Erfordernis der Überlassung der Wohnung an den Mieter erfüllt ferner eine Publizitätsfunktion, denn der Erwerber kann in der Regel bereits aus der Besitzlage ablesen, in welche Mietverhältnisse er eintreten muss (Staudinger/Emmerich, aaO, Rdnr. 33; vgl. auch Wolff/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasing-rechts, 9. Aufl., Rdnr. 1291).
§ 566a BGB ergänzt den Schutz des Mieters dadurch, dass der Erwerber außerdem in die sich aus der Sicherungsvereinbarung zur Mietkaution ergebenden Rechte und Pflichten des Vermieters eintritt.
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b) Nach ihrem Wortlaut und Zweck setzen §§ 566, 566a BGB deshalb grundsätzlich voraus, dass im Zeitpunkt des Eigentumswechsels ein wirksames Mietverhältnis besteht (Palandt/Weidenkaff, BGB, 66. Auflage, § 566 Rdnr. 14; Blank/Börstinghaus, Miete, 2. Aufl., § 566 Rdnr. 12 ff.; Bub/Treier/Heile, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., Kap. II Rdnr. 857) und sich der Mieter (noch) im Besitz der Wohnung befindet (MünchKomm/Häublein, BGB, 4. Aufl., § 566 Rdnr. 16; Wolff/Eckert/Ball, aaO, Rdnr. 1296 f.; Staudinger/Emmerich, aaO; Lammel, Wohnraummietrecht, 3. Aufl., § 566 Rdnr. 31). An beiden Voraussetzungen fehlt es hier.
Zwar nimmt die wohl herrschende Meinung - wovon auch das Berufungsgericht zutreffend ausgeht - eine Ausnahme für den Fall an, dass der Mieter im Zeitpunkt des Eigentumswechsels die Wohnung trotz Ablaufs des Mietvertrags noch nicht geräumt hat; in diesem Fall soll der Erwerber entsprechend § 566 BGB in das Abwicklungsverhältnis mit dem Mieter eintreten (BGHZ 72, 147; MünchKomm/Häublein, aaO, Rdnr. 12; Gather in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 9. Aufl., § 566 Rdnr. 24; Erman/Jendrek, BGB, 11. Aufl., § 566 Rdnr. 8; einschränkend Palandt/Weidenkaff, aaO).
Diese Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 566 BGB wird vor allem mit praktischen Erwägungen begründet (BGH, aaO, S. 150; Lammel, aaO, § 566 Rdnr. 29; Bub/Treier/Heile, aaO, Kap. II Rdnr. 860).
Für eine noch weitergehende Analogie zugunsten eines vor dem Eigentumswechsel ausgezogenen Mieters besteht jedoch kein Anlass.
Weder der Zweck der gesetzlichen Regelung noch praktische Gründe rechtfertigen es in einem solchen Fall, den Erwerber in ein etwa noch bestehendes Abwicklungsverhältnis und in die Pflichten aus der Sicherungsabrede eintreten zu lassen.
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aa) Der vor dem Eigentumsübergang auf den Erwerber ausgezogene Mieter bedarf eines Schutzes durch die §§ 566, 566a BGB nicht, denn seine Rechtsposition wird durch den Eigentumswechsel nicht mehr berührt.
Soweit ihm noch Ansprüche aus der Abwicklung des Mietverhältnisses zustehen, kann er diese gegen seinen bisherigen Vermieter geltend machen. Seine Rechtsstellung wird durch die zwischenzeitliche Veräußerung seiner ehemaligen Wohnung nicht verschlechtert.
bb) Die Regelung des § 566a BGB soll ein Auseinanderfallen von Mietvertrag und Kautionsabrede vermeiden und ist deshalb in engem Zusammenhang mit dem Eintritt des Erwerbers in das Mietverhältnis zu sehen.
Die Vorschrift verfolgt hingegen nicht den Zweck, dem Mieter unabhängig hiervon einen zusätzlichen Schuldner für die Rückzahlung der Kaution zu verschaffen und ihn dadurch besser zu stellen.
Gegen das Risiko wirtschaftlicher Schwierigkeiten seines Vertragspartners kann sich der Mieter im Hinblick auf die geleistete Kaution dadurch hinreichend absichern, dass er eine Anlage der Sicherheit getrennt vom Vermögen des Vermieters gemäß § 551 Abs. 3 Satz 3 BGB verlangt und dieses Recht erforderlichenfalls auch (rechtzeitig) durchsetzt.
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cc) Der Revision ist darin beizupflichten, dass eine Anwendung des § 566a BGB auf den vor dem Eigentumswechsel ausgezogenen Mieter nicht den Interessen der Beteiligten an einer einfach zu handhabenden Abwicklung des beendeten Mietverhältnisses entspricht.
(1) Die Mietkaution kann in einem solchen Fall in der Hand des Erwerbers ihre Funktion, Ansprüche des Vermieters aus dem Mietverhältnis zu sichern, nicht erfüllen, denn alle vor dem Eigentumswechsel entstandenen und fällig gewordenen Ansprüche gegen den Mieter - etwa wegen rückständiger Miete, Schönheitsreparaturen oder einer Beschädigung der Mietsache - bleiben wegen der Zäsurwirkung des Eigentumswechsels ohnehin bei dem bisherigen Vermieter (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 1988 - VIII ZR 22/88, NJW 1989, 451, unter II 2 b m.w.N.).
Nach dem Auszug des Mieters werden nur noch etwaige Ansprüche des Vermieters aus späteren Nebenkostenabrechnungen fällig. Nach der Rechtsprechung des Senats stehen Nachzahlungsansprüche aus einer nach dem Eigentümerwechsel erteilten Nebenkostenrechnung über eine zuvor abgelaufene Abrechnungsperiode jedoch weiter dem ehemaligen Vermieter zu (Senatsurteil vom 3. Dezember 2003 - VIII ZR 168/03, NJW 2004, 851, unter II 1).
Auch die Abrechnungspflicht und die Verpflichtung zur Auskehrung eines etwaigen Guthabens treffen in einem derartigen Fall den früheren Vermieter.
Von einer strikten Anwendung des so genannten Fälligkeitsprinzips hat der Senat in diesen Fällen aus Gründen der Rechtsklarheit und Praktikabilität abgesehen.
Derjenige, der die Vorauszahlungen für einen Abrechnungszeitraum erhalten hat, soll auch die Abrechnung erteilen und zur Rückzahlung eines Guthabens verpflichtet bzw. zur Geltendmachung eines Nachzahlungsbetrages berechtigt sein (Senatsurteil vom 3. Dezember 2003, aaO).
Dies gilt auch für die im Zeitpunkt des Eigentümerwechsels laufende Abrechnungsperiode, wenn der Mieter vor dem Eigentumsübergang ausgezogen ist. Auch in diesem Fall ist ausschließlich über einen Zeitraum abzurechnen, in dem der ehemalige Vermieter noch Eigentümer war und die Vorauszahlungen erhalten hat.
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(2) Die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung, dass den Grundstückserwerber die Pflicht zur Rückzahlung einer Mietkaution auch dann trifft, wenn der Mieter zwar vor dem Eigentumswechsel ausgezogen ist, die Verpflichtung zur Abrechnung über die Kaution aber erst nach dem Eigentumswechsel fällig wird, würde ferner - wie die Revision zutreffend hervorhebt - zu einer besonders für den Mieter nachteiligen Unsicherheit darüber führen, wen er insoweit in Anspruch nehmen muss, denn die Fälligkeit des Anspruchs auf Abrechnung der Mietkaution und Auskehrung eines nicht verbrauchten Betrages hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und lässt sich nicht nach einer feststehenden Frist berechnen (vgl. Senatsurteil vom 18. Januar 2006 - VIII ZR 71/05, NJW 2006, 1422, unter II 1 a).
III.
Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichtes keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist zur Endentscheidung reif, da es keiner weiteren Feststellungen bedarf (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage auf Auskehrung der Mietkaution ist unbegründet und daher abzuweisen.
BGH, Urteil vom 4. April 2007
- VIII ZR 219/06 -
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