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Bundesgerichtshof Entscheidungen
Ladenöffnungszeiten im Einkaufszentrum - XII ZR 5/06 -
Der unter anderem für das Gewerbemietrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich in einer Entscheidung vom Mai 2008 mit der Regelung der Öffnungszeiten eines Ladengeschäfts in einem Einkaufszentrum durch eine Formularklausel auseinandergesetzt.
Da die betreffende Klausel die Mieterin darüber im Unklaren ließ, dass die Ladenöffnungszeiten im Einkaufszentrum aufgrund der Klauseln in anderen Mietverträgen letztendlich durch die Vermieterin festgelegt werden konnten, hat der BGH die betreffende Klausel für nicht hinreichend transparent und damit unwirksam erachtet.
Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die Parteien streiten darüber, wie lange die Beklagte (Mieterin) ihr in einem Einkaufszentrum gelegenes Geschäft an Samstagen geöffnet halten muss.
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin war Vermieterin der Gewerbeflächen des Einkaufszentrums "N. " in C. Mit Vertrag vom 27. September 1993 vermietete sie der Beklagten (Mieterin) eine Ladenfläche von ca. 2.400 m² und eine Nebenfläche von 582,86 m² für die Dauer von 15 Jahren. Die Beklagte (Mieterin) betreibt dort einen Einzelhandel mit Schwerpunkt Textilien, Bekleidung und Randsortimente.
§ 8 d des Mietvertrages lautet:
"Das Geschäftslokal ist im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen über die Ladenschlusszeiten an allen Verkaufstagen mindestens so lange offen zu halten, wie die überwiegende Anzahl aller Mieter ihre Geschäfte offen hält. Der Mieter hat das Recht, die gesetzlichen Ladenöffnungszeiten voll auszuschöpfen. Aus einer bloßen Duldung abweichender Öffnungszeiten durch den Vermieter kann der Mieter keine Rechte herleiten. Zeitweise Schließungen (z.B. aus Anlass von Mittagspausen, Ruhetagen, Betriebsferien, Inventuren u.a.) sind nicht zulässig."
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Der von der Vermieterin zunächst vorgesehene Vertragstext enthielt als Satz 2 noch folgende Regelung:
"Dem Vermieter bleibt die abschließende Festlegung der Ladenöffnungszeiten vorbehalten."
Diese Bestimmung wurde auf Verlangen der Mieterin vor Abschluss des Mietvertrages gestrichen.
Nach Abschluss des Mietvertrages änderte sich das Ladenschlussgesetz. Die Öffnungszeiten wurden 1996 von Montag bis Freitag auf 20.00 Uhr und an Samstagen bis 16.00 Uhr ausgeweitet. Die weitere Änderung des Ladenschlussgesetzes im Jahre 2003 erlaubt die Öffnung von Montag bis Samstag bis jeweils 20.00 Uhr.
Die Mehrheit der Geschäfte im Einkaufszentrum wird auf kleineren Verkaufsflächen betrieben. In den Verträgen mit diesen Mietern (sog. Kleinmietern) ist folgende Klausel enthalten (§ 7 e):
"Der Mieter wird das Geschäftslokal im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen über die Ladenschlusszeiten an allen Verkaufstagen so lange offen halten, wie die überwiegende Anzahl aller Mieter ihre Geschäfte offen hält. Dem Vermieter bleibt die abschließende Festlegung der Ladenöffnungszeiten vorbehalten."
Mit Schreiben vom 27. Mai 2003 forderte die Klägerin (Vermieterin) die Mieter auf, ab dem 1. Juni 2003 auch an Samstagen bis 20.00 Uhr zu öffnen. 32 der insgesamt 49 Mieter sind der Aufforderung gefolgt und halten ihre Geschäfte bis 20.00 Uhr geöffnet. Die Beklagte (Mieterin) hält sich dazu nicht für verpflichtet und schließt ihr Geschäft, außer in der Adventszeit, an Samstagen jeweils um 18.00 Uhr.
Die Klägerin (Vermieterin) begehrt von der Beklagten (Mieterin), das gemietete Ladenlokal auch Samstags bis 20.00 Uhr zu öffnen. Das Landgericht hat die Beklagte (Mieterin) antragsgemäß verurteilt. Die Berufung der Beklagten (Mieterin) blieb überwiegend erfolglos. Dagegen wendet sich die Beklagte (Mieterin) mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.
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In den Entscheidungsgründen heißt es:
Das Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der Klage.
1. Das Berufungsgericht hat, soweit für die Revision noch von Bedeutung, ausgeführt:
Die in § 8 d des Mietvertrages enthaltene Klausel sei wirksam. Dass eine Betriebspflicht des Mieters auch in Formularverträgen festgelegt werden könne, entspreche allgemeiner Auffassung.
Es komme deshalb nicht darauf an, ob nach Verhandlung und Streichung des zunächst vorgesehenen Satzes 2, der in den Verträgen mit den Kleinmietern enthalten geblieben sei, auch Satz 1 nach den Bestimmungen der §§ 305 f. BGB zu beurteilen sei oder die gesamte Regelung dieses Absatzes als "ausgehandelt" i.S. des § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB gelten könne.
Allerdings würde die Streichung einzelner Sätze oder Teile der Klausel wohl nicht ausreichen, um dem verbleibenden Rest den Charakter von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu nehmen.
Dem Vorbringen der Klägerin (Vermieterin) zufolge habe die Beklagte (Mieterin) zwar gegen die Klausel betreffend die Betriebspflicht seinerzeit Vorbehalte geäußert, über die verhandelt worden sei. Den Darlegungen lasse sich aber nicht entnehmen, dass auch über die übrigen Bestandteile von § 8 d in der von der Rechtsprechung geforderten Weise tatsächlich verhandelt worden sei. Die Frage könne aber dahinstehen. Auch wenn § 8 d Satz 1 des Vertrages als eine von der Vermieterin gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung anzusehen wäre, wäre die Klausel nicht unwirksam.
Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liege nicht vor. Die Klausel sei klar und verständlich. Danach sei der Mieter verpflichtet, sein Geschäft mindestens so lange zu öffnen wie die überwiegende Anzahl aller Mieter des Centers. Der einzelne Mieter habe sich also an die Öffnungszeiten der Mehrheit der Mieter zu halten. Er wisse, dass er ggf. sein Geschäft auch dann öffnen müsse, wenn der Betrieb für ihn nicht lukrativ sei. Er könne der Klausel auch entnehmen, wann die Verpflichtung eintrete, nämlich dann, wenn mehr als die Hälfte der insgesamt vorhandenen Mieter länger offen hielten.
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Ein Mangel an Transparenz ergebe sich auch nicht daraus, dass die Klausel keine Regelung über das Zustandekommen der Mehrheitsentscheidung enthalte.
Zu Recht gehe das Landgericht davon aus, dass die Meinung der Beklagten (Mieterin), die überwiegend praktizierten Öffnungszeiten müssten im Wege der Abstimmung zwischen den Mietern festgelegt werden, in der fraglichen Klausel keine Grundlage finde.
Die vertragliche Regelung stelle nur auf die tatsächlichen Öffnungszeiten ab. Wie diese zustande kämen, müsse unter dem Aspekt der Transparenz nicht festgelegt werden. Hätte die Beklagte (Mieterin) Zweifel über die Modalitäten bei der Festlegung der Öffnungszeiten gehabt, hätte sie durch Nachfrage für Klärung sorgen können.
§ 8 d Satz 1 bis 3 des Mietvertrages stelle auch keine unangemessene Benachteiligung der Mieter gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB dar.
Aufgrund der damals wirksamen Regelung folge die Verpflichtung der Beklagten (Mieterin), auch an Samstagen bis 20.00 Uhr zu öffnen, daraus, dass die überwiegende Anzahl der Centermieter ihre Geschäfte geöffnet hielten.
Ohne Erfolg mache die Beklagte (Mieterin) geltend, dass die Klägerin (Vermieterin) die Öffnungszeiten für die anderen Mieter unter Berufung auf die Klausel deshalb durchgesetzt habe, weil ihr die "abschließende Festlegung" der Öffnungszeiten vorbehalten sei. Diese Regelung verstoße nicht gegen das Bestimmtheitsgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht könne sich der Vermieter vorbehalten, wenn dies bei unsicherer Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sei und die Richtlinien der Ausübung - wie hier - möglichst konkret angegeben seien.
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2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
§ 8 d Satz 1 des Mietvertrages wird dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht gerecht.
a) Die Bestimmung ist eine Formularvereinbarung. Zwar hat es das Berufungsgericht offen gelassen, ob es sich bei der in § 8 d Satz 1 geregelten Betriebspflicht um eine Formularklausel oder um eine Individualvereinbarung handelt. Indes kann der Formularcharakter der Klausel bei Zugrundelegung des unstreitigen Parteivorbringens nicht zweifelhaft sein.
Der Vortrag der Klägerin (Vermieterin), im ursprünglichen Vertrag sei - wie in allen Verträgen - die Klausel "dem Vermieter bleibt die abschließende Festlegung der Ladenöffnungszeit vorbehalten" enthalten gewesen, auf Wunsch der Beklagten (Mieterin) aber gestrichen worden, bedeutet nicht, dass auch Satz 1 zu einer Individualvereinbarung geworden ist.
Eine für eine Vielzahl von Fällen vorformulierte Klausel wird nicht bereits dadurch zu einer Individualregelung, dass die Parteien über die Regelung reden. Erforderlich ist vielmehr, dass der Klauselsteller die von ihm vorgesehene Klausel ernsthaft zur Disposition stellt (vgl. BGHZ 85, 305, 308; 104, 232, 236). Das behauptet die Klägerin (Vermieterin) selbst nicht. Im Gegenteil hat sie in den Instanzen und in ihrer Revisionserwiderung (S. 9) - wenn auch in anderem Zusammenhang - selbst darauf hingewiesen, dass ihr Konzept nur gelingen kann, wenn sich alle Mieter an ihre Vorgaben halten und ihr Geschäft so lange geöffnet halten wie die Mehrheit der Mieter. Es ist deshalb fern liegend, dass die Klägerin Satz 1 des Mietvertrages ernsthaft zur Disposition gestellt und damit das System eines einheitlichen Ladenschlusses für das gesamte Einkaufszentrum gefährdet hat.
b) Der Senat hat - nach Erlass des Berufungsurteils - für eine weitgehend identische Fallgestaltung entschieden, dass die formularmäßige Verpflichtung zur Offenhaltung des Ladenlokals bis 20.00 Uhr wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam ist (Senatsurteil vom 16. Mai 2007 - XII ZR 13/05 - NJW 2007, 2176, 2177) und eine Verpflichtung der Mieter zur Öffnung ihrer Geschäfte aus dieser Klausel nicht hergeleitet werden kann.
Nach dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sind Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten ihrer Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört auch, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen wirtschaftliche Nachteile und Belastungen so weit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (vgl. nur BGHZ 164, 11, 16; 165, 12, 21 f. m.w.N.). Abzustellen ist bei der Bewertung der Transparenz auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (BGHZ 165, 12, 22).
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aa) Nach dem Wortlaut der Klausel kommt es für den Umfang der Betriebspflicht des Mieters darauf an, wie lange "die überwiegende Mehrzahl aller Mieter ihre Geschäfte offen hält". Durch diese Regelung wird der Anschein erweckt, eine Ausweitung der Betriebspflicht hänge nicht vom Willen des Vermieters, sondern allein von der Mehrheit der übrigen Mieter des Einkaufszentrums ab. Dem ist aber nicht so.
bb) Tatsächlich können die meisten Mieter nicht frei entscheiden, wie lange sie ihr Geschäft offen halten wollen. Die Klägerin (= Vermieterin) hatte nämlich die überwiegende Mehrzahl der Mieter (sog. Kleinmieter) des Einkaufszentrums bei der Festlegung der Öffnungszeiten ihren Vorgaben unterworfen.
Nach § 7 e Satz 2 der mit den "Kleinmietern" geschlossenen Formularverträge "bleibt dem Vermieter die abschließende Festlegung der Ladenöffnungszeiten vorbehalten". Die Vermieterin kann damit die Öffnungszeiten der Mehrzahl aller von ihr vermieteten Ladenflächen einseitig bestimmen und damit die Voraussetzungen für eine Ausweitung der Betriebspflicht nach § 8 d Satz 1 herbeiführen.
cc) Mit einem solchen Weisungsrecht der Vermieterin gegenüber anderen Mietern rechnet der durchschnittliche Adressat bei der Lektüre des § 8 d Satz 1 nicht. Er wird aufgrund der Formulierung der Klausel vielmehr davon ausgehen, dass die Betriebspflicht bei den anderen Mietern wie in § 8 d Satz 1 seines eigenen Vertrages geregelt ist.
Das Ausmaß seiner Verpflichtung wird durch die gewählte Formulierung verschleiert. Während er nach dem Wortlaut mit einer Änderung der Öffnungszeiten nur rechnen muss, wenn sich die Mehrheit aller Mieter des Einkaufszentrums dafür ausspricht, kann in Wirklichkeit die Vermieterin allein die Öffnungszeiten bestimmen, weil die Kleinmieter wegen § 7 e ihrer Mietverträge die Geschäfte so lange offen halten müssen, wie es die Klägerin (Vermieterin) will.
Damit kann letztlich die Klägerin (Vermieterin) allein entscheiden, wie lange die Beklagte (Mieterin) ihr Geschäft öffnen muss.
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dd) Die Beklagte (Mieterin) musste auch nicht damit rechnen, dass die Öffnungszeiten letztlich durch die Klägerin (Vermieterin) festgelegt werden.
Zwar ist das Transparenzgebot im Geschäftsverkehr mit Unternehmen nicht mit gleicher Strenge wie gegenüber Verbrauchern anzuwenden. Insbesondere kann bei Unternehmern aufgrund ihrer Geschäftserfahrung sowie aufgrund der Maßgeblichkeit von Handelsgewohnheiten und Handelsbräuchen von einer besseren Erkenntnis- und Verständnismöglichkeit ausgegangen werden (Wolf/Horn/Lindacher AGB 4. Aufl. § 9 Rdn. 147 m.w.N.).
Die von der Klägerin (Vermieterin) gewählte Formulierung in § 8 d Satz 1 gab der Beklagten (Mieterin) aber keinen Anlass zu zweifeln, dass die Mehrheit der Mieter und nicht die Vermieterin über die Öffnungszeiten entscheidet.
ee) Die Intransparenz der Regelung besteht darin, dass bei der Mieterin der Eindruck erweckt wird, nicht die Vermieterin, sondern die Mieter würden über die Öffnungszeit entscheiden.
Deshalb kann auch nicht von Bedeutung sein, ob die Festsetzung der Betriebszeiten durch die Vermieterin selbst (oder durch eine Werbegemeinschaft) in Einkaufszentren "durchaus üblich" sei. Die Mieterin wird durch die gewählte Formulierung nicht lediglich im Unklaren gelassen, sondern regelrecht in die Irre geleitet.
ff) Ob eine Mehrheit der Mieter des Einkaufszentrums die verlängerte Samstagsöffnungszeit selbst wünscht und praktiziert, ohne dass die Klägerin (Vermieterin) von ihrem Bestimmungsrecht bezüglich der Ladenöffnungszeiten bei den Kleinmietern Gebrauch macht, ist nicht entscheidungserheblich.
Eine freiwillige Offenhaltung ihrer Geschäfte durch die Mehrheit der Mieter vermag an der mangelnden Transparenz von § 8 d Satz 1 des Mietvertrages nichts zu ändern.
Die Bestimmung ist unwirksam und kann deshalb auch dann nicht verpflichten, wenn die übrigen Mieter nicht auf Veranlassung der Vermieterin, sondern freiwillig ihre Geschäfte Samstag bis 20.00 Uhr geöffnet halten. Auch sonst ist keine Verpflichtung der Beklagten (Mieterin) zur Offenhaltung ihres Geschäftes ersichtlich.
BGH, Urteil vom 7. Mai 2008
- XII ZR 5/06 -
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