Bundesgerichtshof Entscheidungen

Zum Anspruch eines Mieters auf Anbringung einer Parabolantenne - VIII ZR 118/04 -


Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im März 2005 über den Anspruch eines Mieters gegen den Vermieter auf Duldung der Anbringung einer Parabolantenne entschieden.


Der Kläger, ein russischer Staatsangehöriger, ist Mieter einer Wohnung in einem der Beklagten (Vermieterin) gehörenden Mehrparteienhaus in Calbe. Die Wohnung ist mit einem Kabelanschluß für den Empfang von Radio und Fernsehprogrammen versehen.

Durch Installation eines zusätzlichen Decoders könnten über "Digi-KABEL RUS" fünf russische Programme empfangen werden. Die Vermieterin hat dem Mieter freigestellt, auf seine Kosten einen solchen Decoder anzuschließen.

Der Mieter möchte dagegen mit Hilfe einer Parabolantenne, die er an dem Metallgitter vor dem Fenster seines Wohnzimmers im dritten Stock des Anwesens anbringen will, eine größere Zahl privater und staatlicher russischer Fernsehprogramme empfangen. Die beklagte Vermieterin verweigerte ihr Einverständnis hierzu.


Zum Seitenanfang - Übersicht -

Zum Seitenende - Übersicht nur zum Mietrecht


Der Mieter hat beantragt, die Vermieterin zu verurteilen, die Installation einer Parabolantenne mit einem Durchmesser von höchstens 80 cm zu dulden. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Vermieterin hat das Landgericht die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen.


Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Mieters zurückgewiesen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist dem Grundrecht des Mieters aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 GG, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, auch in zivilgerichtlichen Streitigkeiten über die Anbringung von Sattelitenempfangsanlagen an Mietwohnungen Rechnung zu tragen.


Andererseits ist zu berücksichtigen, daß das Grundrecht des Vermieters aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG berührt ist, wenn von ihm verlangt wird, eine Empfangsanlage an seinem Eigentum zu dulden.

Das erfordert in der Regel eine fallbezogene Abwägung der von dem eingeschränkten Grundrecht und dem grundrechtsbeschränkenden Gesetz geschützten Interessen.

Dabei ist das besondere Informationsinteresse von dauerhaft in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländern zu beachten. Diese haben ein anerkennenswertes Interesse, die Programme ihres Heimatlandes zu empfangen, um sich über das dortige Geschehen unterrichten und die kulturelle und sprachliche Verbindung aufrechterhalten zu können.


Zum Seitenanfang - Übersicht -

Zum Seitenende - Übersicht nur zum Mietrecht


Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht bei seiner Abwägung beachtet. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß der Mieter über das Programmpaket "Digi-KABEL RUS" bereits fünf russischsprachige Sender über das im Gebäude installierte Breitbandkabel nach Erwerb eines Zusatzgerätes empfangen kann.

Unter diesen Gegebenheiten hat es dem Eigentumsrecht der Vermieterin den Vorrang eingeräumt mit der Begründung, das Gesamtbild der Gebäudefassade würde durch das Einbringen einer Parabolantenne erheblich beeinträchtigt, auch wenn der Eingriff in die Gebäudesubstanz gering sein könne.

Diese Abwägung des Berufungsgerichts ließ einen Rechtsfehler nicht erkennen, so daß die Revision des Mieters zurückzuweisen war.


BGH, Urteil vom 2. März 2005

- VIII ZR 118/04 -

Mitteilung der Pressestelle des BGH Nr. 38/2005


Anmerkung:

Bis zu dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofs wurde die Frage des Anspruches eines Mieters auf die Anbringung einer Satellitenschüssel von den untergeordneten Gerichten häufig unterschiedlich beschieden.

Sofern eine Mietwohnung bereits mit einem Kabelanschluss ausgestattet war, wurde ein Anspruch des Mieters auf die Anbringung einer Parabolantenne für den Empfang von Satellitenfernsehen in der Regel verneint, soweit der Mieter nicht ein ganz besonderes Informationsbedürfnis darlegen konnte, welches gerade den Empfang von Satellitenprogrammen erforderlich machte.

Ausnahmsweise wurde bei ausländischen Mitbürgern ein derartiges Informationsbedürfnis bejaht, wenn sie Sendungen aus ihrem Heimatland nicht per Kabelfernsehen sondern nur über das Satellitenfernsehen empfangen konnten.


Zum Seitenanfang - Übersicht -

Zum Seitenende - Übersicht nur zum Mietrecht


Künftig ist in Fällen, in denen Mieter ihr besonderes Informationsbedürfnis jedenfalls zu einem nicht nur geringen Teil bereits über in der Mietsache vorhandene Empfangseinrichtungen (Kabelanschluss o.ä.) befriedigen können, wohl eine gewisse Vereinheitlichung der Rechtsprechung zu erwarten.

Nach der nun vorliegenden Entscheidung des BGH wird stets eine fallbezogene Abwägung der Interessen des Mieters auf eine möglichst weitgehende Information und der Interessen des Vermieters auf die Unversehrtheit seines Eigentums durch die Gerichte vorzunehmen sein.

Vor diesem Hintergrund wird es wohl auch in Zukunft voneinander abweichende Entscheidungen der untergeordneten Gerichten geben. Insbesondere die Abwägung, wie weit den Interessen des Mieters auf eine möglichst umfassende Information zu genügen ist (sind unter Umständen auch ein oder zwei empfangbare Heimatsender ausreichend?) und wie weit dem Interesse des Vermieters an der Unversehrtheit seines Eigentums entsprochen werden muß (welche optische Beeinträchtigungen eines Gebäudes sind für den Vermieter gerade noch hinnehmbar?) wird in einzelnen Fällen sicherlich zu voneinander abweichenden Entscheidungen führen.

Siehe zu dieser Problematik auch die Entscheidung des BGH aus Mai 2007- VIII ZR 207/04 -


Sollten Sie Fragen zu der Entscheidung haben und hierzu eine telefonische Rechtsberatung wünschen, rufen Sie uns gern an !

Tel. 040 - 555 99 999


Zum Seitenanfang - Übersicht -