Bundesgerichtshof Entscheidungen

Unwirksame Renovierungsverpflichtung - Summierungseffekt von Formularklausel und Individualvereinbarung - VIII ZR 163/05 -


Im April 2006 hat der u. a. für das Wohnraummietrecht zuständige 8. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschieden, dass ein zur Unwirksamkeit einer Formularklausel führender sogenannter Summierungseffekt auf Grund des Zusammentreffens zweier - jeweils für sich genommen - unbedenklicher Klauseln auch dann vorliegen kann, wenn nur eine der beiden Klauseln formularmäßig, die andere dagegen individuell vereinbart worden ist (Bestätigung von VIII ARZ 5/92, NJW 1993, 532).


Der Sachverhalt (Tatbestand):

Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen nicht bzw. nicht ordnungsgemäß ausgeführter Schönheitsreparaturen nach Beendigung eines Mietverhältnisses.

Mit Vertrag vom 28. September 1998 hatte der Mieter (Beklagte) von der Vermieterin (Klägerin) eine Wohnung in dem Anwesen M. -Straße in D. gemietet. Das Mietverhältnis begann am 1. November 1998 und endete nach vorausgegangener fristloser Kündigung der Vermieterin am 31. Oktober 2002.


Über die Instandhaltung und Instandsetzung der Mieträume enthält der Mietvertrag in § 8 Nr. 2 u.a. folgende vorgedruckte Klausel:

"Der Mieter hat insbesondere die Verpflichtung, auf seine Kosten alle Schönheitsreparaturen … auszuführen bzw. ausführen zu lassen…

Schönheitsreparaturen umfassen das Tapezieren, Streichen der Wände und Decken, das Streichen der Heizkörper …

Diese Arbeiten sind ab Mietbeginn in der Regel in Küchen, Bädern und Toiletten spätestens nach drei Jahren, in Wohnräumen, Schlafräumen, Dielen… spätestens nach fünf Jahren und in sonstigen Räumlichkeiten… spätestens nach sieben Jahren zu tätigen."


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§ 12 des Mietvertrages ("Beendigung der Mietzeit") enthält in Nr. 1 folgende weitere Regelung:

"Die Mieträume sind zum Vertragsablauf geräumt, sauber zu verlassen. Außerdem sind die Tapeten zu entfernen und die Decken "wände" zu streichen."

Im ersten Satz dieser Klausel sind die Worte "zu verlassen" in ein freies Textfeld als Fortsetzung des vorangegangenen vorgedruckten Satzteils handschriftlich eingetragen. Der zweite Satz ist insgesamt handschriftlich angefügt; der Begriff "Decken wände" ist in zwei Worten geschrieben.


Im Zusammenhang mit einer von der Vermieterin bereits im Juli 2002 ausgesprochenen Kündigung erstellten die Parteien am 15. August 2002 ein sieben Seiten umfassendes, von beiden Parteien unterschriebenes "Abnahmeprotokoll", in dem die durchzuführenden Renovierungsarbeiten im einzelnen bezeichnet sind und das mit dem Satz endet: "Der Mieter verpflichtet sich, nach Beendigung des Mietverhältnisses die Wohnung ordnungsgemäß und mangelfrei an den Vermieter zu übergeben."


Am 31. Oktober 2002 räumte der Mieter die Wohnung. Mit Anwaltsschreiben vom 4. November 2002 forderte die Vermieterin unter ausdrücklichem Hinweis auf die §§ 8 und 12 des Mietvertrages sowie unter Bezugnahme auf das Protokoll vom 15. August 2002 und die dort aufgeführten Arbeiten den Mieter unter Fristsetzung bis zum 27. November 2002 und mit Ablehnungsandrohung auf, die Schönheitsreparaturen durchzuführen. Weiter heißt es in diesem Schreiben:

"Wenn auch Ihre Partei sich im Protokoll vom 15.08.2002 (zur) Durchführung der oben stehenden… Maßnahmen verpflichtet hat, kommt unsere Mandantschaft Ihnen insofern entgegen, als dass Ihre Partei wahlweise die im Protokoll vom 15.08.2002 übernommenen Verpflichtungen erfüllen kann oder aber die Verpflichtung, so wie sie sich aus dem Mietvertrag ergeben, vornehmen kann.

Will Ihre Partei Schönheitsreparaturen nach den Bestimmungen des Mietvertrages vornehmen, wären sämtliche Tapeten zu entfernen und im Übrigen die Schönheitsrenovierungen entsprechend den eingangs zitierten Bestimmungen des Mietvertrages vorzunehmen."


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Die Vermieterin behauptet, der Mieter habe bei seinem Auszug die erforderlichen Schönheitsreparaturen – trotz Setzung der Nachfrist – nicht bzw. nicht ordnungsgemäß durchgeführt. Nach dem Kostenvoranschlag eines Malergeschäftes seien für die Durchführung der geschuldeten Arbeiten 4.140,93 € auf-zuwenden. Diesen Betrag hat die Vermieterin in den Vorinstanzen als Schadensersatz geltend gemacht. Das Amtsgericht hat der Klage der Vermieterin stattgegeben, das Landgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Vermieterin ihr Klagebegehren noch in Höhe von 3.498,64 € weiter.


In den Entscheidungsgründen führt der Bundesgerichtshof unter anderem folgendes aus:

Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Überprüfung jedenfalls im Ergebnis stand. Der Klägerin (Vermieterin) steht ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Verpflichtung aus § 8 Nr. 2 oder § 12 Nr. 1 des Mietvertrages nicht zu.


1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts scheitert die Klageforderung nicht bereits an der Formulierung der Schönheitsreparaturenklausel in § 8 Nr. 2 des Mietvertrages. Wie der Senat in seiner nach Erlass des Berufungsurteils ergangenen Entscheidung vom 13. Juli 2005 (VIII ZR 351/04, WuM 2005, 716 = NJW 2005, 3416 = BGHReport 2006, 18) für eine mit der vorliegenden Klausel identische formularmäßige Bestimmung klargestellt hat, enthält diese keinen starren Fristenplan; vielmehr lässt sie – für den verständigen Mieter erkennbar – durch die den Fristen vorangestellten Worte "in der Regel" genügend Raum für die Beurteilung im Einzelfall, um eine Anpassung der tatsächlichen Renovierungsintervalle an das objektiv Erforderliche zu ermöglichen.


2. Die Unwirksamkeit der vorformulierten Klausel des § 8 Nr. 2 des Mietvertrages ergibt sich jedoch aus dem sog. Summierungseffekt. Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 2. Dezember 1992 – VIII ARZ 5/92, NJW 1993, 532 unter II 2; Urteil vom 14. Mai 2003 – VIII ZR 308/02, NJW 2003, 2234 = Grundeigentum 2003, 944 = ZMR 2003, 653 unter II 2) liegt ein derartiger Summierungseffekt vor, wenn jeweils für sich unbedenkliche, aber inhaltlich zusammengehörige Klauseln in ihrer Gesamtwirkung zu einer unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders führen.

Das gilt auch dann, wenn die zu prüfende Formularklausel mit einer Individualvereinbarung zusammentrifft; denn bei der Prüfung einer Klausel nach § 307 BGB (früher: § 9 AGBG) ist der gesamte Vertragsinhalt einschließlich seiner Individualteile zu würdigen (Beschluss vom 2. Dezember 1992 aaO unter II 2 m.w.Nachw.; Langenberg, Schönheitsreparaturen, Instandsetzung und Rückbau, 2. Aufl., S. 55 Rdnr. 83).


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Im vorliegenden Fall enthalten die §§ 8 Nr. 2 und 12 Nr. 1 des Mietvertrages eine Gesamtregelung, die neben der Überwälzung der laufenden Schönheitsreparaturen nach Fristenplan auch die Renovierungspflicht bei Beendigung des Mietverhältnisses umfasst.

Dass die Endrenovierungsbestimmung in § 12 Nr. 1 individuell vereinbart war und deshalb, für sich allein betrachtet, unbedenklich – weil nicht am Maßstab des § 307 BGB zu messen – ist, beseitigt den Summierungseffekt, wie ausgeführt, nicht.


Ebenso unerheblich ist insoweit der Umstand, dass jene Klausel nicht eine vollständige, sondern – wenn auch sprachlich missglückt – lediglich eine teilweise Endrenovierung vorschreibt ("Außerdem sind die Tapeten zu entfernen und die Decken wände zu streichen").

Insbesondere führt dies nicht dazu, dass die Regelung in § 8 Nr. 2 des Mietvertrages wenigstens teilweise – soweit sie sich nicht inhaltlich mit § 12 Nr. 1 Satz 2 überschneidet – aufrechterhalten werden könnte; darin läge eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion der Klausel.


3. In den Vorinstanzen hat die Klägerin (Vermieterin) geltend gemacht, das "Abnahmeprotokoll" vom 15. August 2002 enthalte ein konstitutives Schuldanerkenntnis; dies hat das Berufungsgericht zu Recht verneint.

Dagegen wendet sich die Revision auch nicht. Sie meint allerdings, die Parteien hätten in dem Protokoll hinsichtlich der nach § 8 Nr. 2 und § 12 des Mietvertrages geschuldeten Schönheitsreparaturen eine konkretisierende Vereinbarung getroffen, an die der Beklagte (Mieter) – unabhängig vom Ablauf der im Mietvertrag genannten Fristen – nun gebunden sei. Dies trifft nicht zu.


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Die Regelung in § 8 Nr. 2 des Mietvertrages ist, wie ausgeführt, wegen des Summierungseffekts unwirksam (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Sie kann nicht durch eine nachfolgende "konkretisierende" Vereinbarung, die nach der übereinstimmenden Vorstellung der Parteien auf eben jener – unwirksamen – Bestimmung beruht, geheilt werden.


Auch die Annahme einer Bestätigung i.S.d. § 141 BGB scheidet aus; denn eine Bestätigung setzt einen Bestätigungswillen und damit das Bewusstsein von der Unverbindlichkeit des früheren Geschäfts voraus (BGH, Urteile vom 1. Oktober 1999 – VZR 168/98, NJW 1999, 3704 = WM 1999, 2513 unter III 2 b aa, und vom 11. Februar 2003 – XI ZR 130/02, WM 2003, 676 = NJW-RR 2003, 769 unter II 3 b aa). Daran fehlt es hier.


4. Dem Berufungsgericht ist schließlich auch insoweit zuzustimmen, als es einen Schadensersatzanspruch der Klägerin (Vermieterin) wegen Nichterfüllung der individuell vereinbarten Endrenovierungsverpflichtung in § 12 Nr. 1 Satz 2 des Mietvertrages mit der Begründung verneint, der Erfüllungsanspruch sei nicht wirksam in einen Schadensersatzanspruch übergeleitet worden.


Gegen die Wirksamkeit der Individualvereinbarung über die teilweise Endrenovierung bestehen bei isolierter Betrachtung, wie erwähnt, keine Bedenken. Die Bestimmung ist auch nicht dergestalt von der formularmäßigen Schönheitsreparaturklausel in § 8 Nr. 2 des Mietvertrages abhängig, dass deren Unwirksamkeit zwangsläufig die Unwirksamkeit der Regelung in § 12 Nr. 1 Satz 2 des Mietvertrages zur Folge hätte. Davon geht ersichtlich auch das Landgericht aus.


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Denkbar ist allerdings, dass die beiden Klauseln wegen ihres sachlichen Zusammenhangs ein einheitliches Rechtsgeschäft i.S.d. § 139 BGB darstellen, das bei Nichtigkeit eines Teils im Zweifel insgesamt nichtig ist. Dazu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen.


Einer Zurückverweisung an das Landgericht zur Nachholung entsprechender Feststellungen bedarf es jedoch nicht, weil es auf die Frage der Gesamtnichtigkeit nicht ankommt. Selbst wenn man nämlich davon ausgeht, dass die Unwirksamkeit der Bestimmung des § 8 Nr. 2 sich nicht auf § 12 Nr. 1 Satz 2 des Mietvertrages erstreckt, kann die Klägerin (Vermieterin) aus der letztgenannten Klausel keinen Schadensersatzanspruch herleiten.


Der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung wegen nicht erbrachter Leistung (§§ 280, 281 Abs. 1 Satz 1 BGB) setzt voraus, dass der Gläubiger in seinem mit der Fristsetzung verbundenen Verlangen auf Erbringung der geschuldeten Leistung diese Leistung eindeutig bezeichnet.

Das schließt es zwar nicht von vornherein aus, dass der Gläubiger dem Schuldner eine Wahlmöglichkeit einräumt, zumal dann, wenn die alternativ geforderte Leistung den Schuldner weniger belastet als die primär geschuldete.


Das Berufungsgericht hat das Schreiben der Klägerin (Vermieterin) vom 4. November 2002 jedoch dahin ausgelegt, dass angesichts der drei von der Klägerin (Vermieterin) geltend gemachten Renovierungsverpflichtungen – aus § 8 Nr. 2 und § 12 Nr. 1 des Mietvertrages sowie aus dem "Abnahmeprotokoll" vom 15. August 2002 – für den Beklagten (Mieter) nicht erkennbar war, zu welchen Leistungen er nach Auffassung der Klägerin (Vermieterin) verpflichtet sein sollte. Diese Auslegung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.


BGH, Urteil vom 5. April 2006

- VIII ZR 163/05 -


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