Bundesgerichtshof Entscheidungen

Berechnung der Wohnfläche einer Wohnung bei öffentlich-rechtlicher Nutzungsbeschränkung - VIII ZR 275/08 -


Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte im September 2009 zu entscheiden, ob die Grundfläche von Mieträumen, die öffentlich-rechtlichen Nutzungsbeschränkungen unterliegen, in die Wohnfläche einzurechnen ist.


Die Kläger waren von Januar 1989 bis Dezember 2007 Mieter eines Einfamilienhauses der Beklagten (Vermieter) in München.

Nach § 1 des Mietvertrages beträgt die Wohnfläche 129,4 m². Im Dachgeschoss befinden sich Räume, die von den Klägern bis etwa 2005 als Wohnraum genutzt wurden.

Die Kläger (Mieter) machen geltend, dass diese Räume wegen Verstoßes gegen öffentlich-rechtliche Bauvorschriften nicht zum Wohnen geeignet und daher nach der anzuwendenden Wohnflächenverordnung bei der Berechnung der Wohnfläche nicht zu berücksichtigen seien. Die Wohnfläche betrage danach tatsächlich nur 108,6 m² und weiche somit um mehr als 10 % von der vereinbarten Wohnfläche ab.


Mit der Klage haben die Kläger (Mieter) unter anderem die Rückzahlung überzahlter Miete in Höhe von 3.384 € sowie die Feststellung begehrt, dass sie ab November 2007 nur zur Zahlung einer Miete in Höhe von 372,13 € zuzüglich Betriebskosten verpflichtet sind. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Kläger (Mieter) zurückgewiesen.


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Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass eine Mietminderung wegen einer zu geringen Wohnfläche ausscheidet.

Das Berufungsgericht hat zu Recht die auf die ausgebauten Räume im Dachgeschoss entfallende Fläche bei der Ermittlung der tatsächlichen Wohnfläche berücksichtigt. Es ist im Rahmen der Auslegung des zwischen den Parteien geschlossenen Mietvertrages rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Räume im Dachgeschoss zu Wohnzwecken, also als Wohnraum vermietet wurden.


Das Berufungsgericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass etwaige öffentlich-rechtliche Nutzungsbeschränkungen die Kläger (Mieter) nicht zur Minderung berechtigen, weil die Nutzbarkeit der Räume mangels Einschreiten der zuständigen Behörden nicht eingeschränkt war. Die Revision der Kläger (Mieter) hatte daher keinen Erfolg.


BGH, Urteil vom 16. September 2009

- VIII ZR 275/08 -

Mitteilung der Pressestelle des BGH Nr. 184/2009


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Langfassung der Entscheidung:

BGB § 536 Abs. 1 Satz 1

a) Öffentlich-rechtliche Nutzungsbeschränkungen vermieteter Wohnräume berechtigen den Mieter nicht zur Mietminderung, wenn deren Nutzbarkeit mangels Einschreitens der zuständigen Behörden nicht eingeschränkt ist.

b) Haben die Parteien eine bestimmte Wohnfläche als Beschaffenheit der Mietsache vereinbart, sind die Flächen von Räumen, die nach dem Vertrag zu Wohnzwecken vermietet sind (hier: ausgebautes Dachgeschoss), bei der Wohnflächenermittlung unabhängig davon mit einzurechnen, ob sie bei einer Flächenberechnung nach den Bestimmungen der Zweiten Berechnungsverordnung als Wohnraum anzurechen sind (Fortführung von BGH, Urteil vom 23. Mai 2007 - VIII ZR 231/06, NJW 2007, 2624, Tz. 13).


Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. September 2009 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen, die Richterin Dr. Milger, den Richter Dr. Achilles und die Richterin Dr. Fetzer für Recht erkannt:

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts München I, 14. Zivilkammer, vom 8. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.


Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Kläger waren von Januar 1989 bis Dezember 2007 Mieter eines Einfamilienhauses der Beklagten (Vermieter) in M. . Nach § 1 des Mietvertrages beträgt die Wohnfläche 129,4 qm. Im Haus befinden sich Dachgeschossräume, die von den Klägern (Mietern) bis etwa 2005 als Wohnraum genutzt wurden.

Die Kläger (Mieter) machen geltend, dass diese Räume wegen öffentlich-rechtlicher Nutzungsbeschränkungen bei der Berechnung der Wohnfläche nicht zu berücksichtigen seien, so dass die tatsächliche Wohnfläche nur 108,6 qm betrage und somit um mehr als 10 % von der vereinbarten Wohnfläche abweiche.


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Die Kläger (Mieter) haben Rückzahlung ihrer Auffassung nach überzahlter Miete in Höhe von 3.384 € nebst Zinsen, Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 543,59 € nebst Zinsen sowie die Feststellung begehrt, dass sie ab November 2007 nur zur Zahlung einer Miete in Höhe von 372,13 € zuzüglich Betriebskosten verpflichtet sind. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger (Mieter) ihr Klagebegehren weiter.


In den Entscheidungsgründen heißt es:

Die Revision hat keinen Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

Es könne offen bleiben, ob die Wohnfläche im vorliegenden Fall nach der Wohnflächenverordnung oder nach der Zweiten Berechnungsverordnung zu berechnen sei, denn die von den Klägern (Mietern) behauptete verminderte Wohnfläche ergebe sich nur vor dem Hintergrund öffentlich-rechtlicher Nutzungsbeschränkungen.

Darin liege jedoch kein Mangel im Sinne des § 536 BGB. Beschränkungen wegen vornehmlich feuerpolizeilicher Gründe berührten die Nutzbarkeit der Dachgeschossräume nicht unmittelbar.


Aus dem Mietvertrag ergäben sich keine Hinweise darauf, dass das Dachgeschoss nicht zu Wohnzwecken genutzt werden könne. Da es ausgebaut gewesen sei, habe es nahe gelegen, dass es den Klägern (Mietern) zu Wohnzwecken zur Verfügung stehe, zumal sie es auch über einen sehr langen Zeitraum so genutzt hätten.

Dass die Kläger (Mieter) von dieser gegebenen vertraglichen Nutzungsmöglichkeit im streitgegenständlichen Zeitraum keinen Gebrauch mehr gemacht hätten, berühre ihre Verpflichtung zur Entrichtung der Miete nicht.


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Soweit die Kläger (Mieter) ferner geltend gemacht hätten, dass die Dachgeschossräume schlechter beheizbar seien, Leitungen über Putz lägen und kein Wohnbelag vorhanden sei, handele es sich um offensichtliche Mängel, die von den Klägern (Mietern) bei der Anmietung nicht gerügt worden seien und deshalb nach § 536b BGB nicht mehr geltend gemacht werden könnten.


II. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.

1. Zutreffend ist das Berufungsgericht zunächst davon ausgegangen, dass etwaige öffentlich-rechtliche Nutzungsbeschränkungen der Räume im Dachgeschoss die Kläger (Mieter) nicht zur Minderung der Miete berechtigen, weil die Nutzbarkeit dieser Räume mangels Einschreiten der zuständigen Behörden nicht eingeschränkt war (vgl. OLG Köln, WuM 1998, 152, 153; OLG Düsseldorf, DWW 2005, 20 und 2006, 286; MünchKommBGB/Häublein, 5. Aufl., § 536 Rdnr. 20; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 9. Aufl., § 536 BGB Rdnr. 76).


2. Zu Recht und von der Revision unbeanstandet hat das Berufungsgericht ferner angenommen, dass die Kläger (Mieter) die Miete auch nicht wegen der verminderten Wohnqualität des Dachgeschosses (fehlender Wohnbelag, auf Putz verlegte Leitungen) mindern können, denn diese offensichtlichen Mängel waren den Klägern (Mietern) bei der Anmietung bekannt, so dass ihnen die Rechte aus §§ 536 und 536a BGB gemäß § 536b Satz 1 BGB nicht zustehen.


3. Schließlich ist dem Berufungsgericht auch darin beizupflichten, dass die Kläger (Mieter) nicht wegen einer zu geringen Wohnfläche des angemieteten Einfamilienhauses zur Mietminderung berechtigt sind.

Die ausgebauten Räume im Dachgeschoss sind den Klägern (Mietern) als Wohnraum vermietet worden und sind deshalb - unabhängig davon, ob sie bei einer Flächenermittlung nach den Bestimmungen der Zweiten Berechnungsverordnung als Wohnraum anzurechnen sind - bei der Ermittlung der tatsächlichen Wohnfläche des von den Klägern (Mietern) gemieteten Einfamilienhauses zu berücksichtigen.


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a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Angabe der Wohnfläche im Mietvertrag regelmäßig nicht als unverbindliche Beschreibung, sondern als Beschaffenheitsvereinbarung anzusehen ist, die bei einer Abweichung von mehr als 10 % zum Nachteil des Mieters zu einem Mangel der Mietsache führt (Senatsurteile vom 24. März 2004 - VIII ZR 295/03, NJW 2004, 1947, unter II 2 a, sowie vom 23. Mai 2007 - VIII ZR 138/06, NJW 2007, 2626 Tz. 13 f., 17). Eine solche Beschaffenheitsvereinbarung haben die Parteien mit der Angabe der Wohnfläche von 129,4 qm im Mietvertrag auch getroffen.


b) Der Begriff der Wohnfläche ist auslegungsbedürftig, denn er hat keinen feststehenden Inhalt, und eine verbindliche Regelung zur Berechnung von Flächen bei preisfreiem Wohnraum fehlt.

Nach der Rechtsprechung des Senats können für die Auslegung des Begriffs der Wohnfläche grundsätzlich auch beim frei finanzierten Wohnraum die für den preisgebundenen Wohnraum geltenden Bestimmungen herangezogen werden, es sei denn, die Parteien haben dem Begriff der Wohnfläche im Einzelfall eine abweichende Bedeutung beigemessen oder ein anderer Berechnungsmodus ist ortsüblich oder nach der Art der Wohnung nahe liegender (Senatsurteile vom 24. März 2004 - VIII ZR 44/03, NJW 2004, 2230, unter II 1 b aa, cc, sowie vom 23. Mai 2007 - VIII ZR 231/06, NJW 2007, 2624, Tz. 13).


Nach der Rechtsprechung des Senats kommt somit einer Vereinbarung der Parteien darüber, welche Flächen in die Berechnung der Wohnfläche einzubeziehen sind, Vorrang zu. Eine solche Vereinbarung liegt hier nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts vor.


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Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Räume im Dachgeschoss nach dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrag zu Wohnzwecken, also als Wohnraum vermietet wurden.

Es hat einen solchen vertraglichen Nutzungszweck mit der Begründung bejaht, der Ausbau der - von den Klägern (Mietern) über lange Zeit auch tatsächlich zu Wohnzwecken genutzten - Räume habe eine Wohnnutzung nahe gelegt und der Mietvertrag enthalte keinen Hinweis darauf, dass sie nicht zu Wohnzwecken hätten genutzt werden sollen.

Diese Auslegung ist als tatrichterliche Würdigung einer Individualvereinbarung nur beschränkt darauf überprüfbar, ob gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt worden sind (BGHZ 135, 269, 273; 154, 132, 133).

Ein derartiger Auslegungsfehler wird von der Revision nicht aufgezeigt und ist auch nicht ersichtlich. Die Auslegung des Berufungsgerichts ist möglich und daher für die Revisionsinstanz bindend (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 1992 - X ZR 88/90, NJW 1992, 1967, unter II 3 a).


Das Berufungsgericht hat die ausgebauten Räume des Dachgeschosses deshalb bei der Berechnung der Wohnfläche zu Recht berücksichtigt.

Da die tatsächliche Wohnfläche - unter Berücksichtigung der einzubeziehenden Flächen des Dachgeschosses - den Angaben im Mietvertrag entspricht, sind die Kläger (Mieter) nicht zur Minderung der Miete wegen eines in einer Wohnflächenabweichung liegenden Sachmangels berechtigt.


BGH, Urteil vom 16. September 2009

- VIII ZR 275/08 -


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