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Bundesgerichtshof Entscheidungen
Ist eine erneute Eigenbedarfskündigung rechtsmissbräuchlich? - VIII ZR 62/08 -
Der u.a. für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im Januar 2009 folgende Entscheidung verkündet:
BGB §§ 573 Abs. 2 Nr. 2, 242 Bc
a) Die Rechtskraft eines Urteils, mit dem eine auf Eigenbedarf gestützte Kündigung des Vermieters mit der Begründung abgewiesen wird, die Kündigung sei im Hinblick darauf, dass der Mieter bei Abschluss des Mietvertrags nicht auf den bereits absehbaren Eigenbedarf hingewiesen worden sei, "jedenfalls zum fraglichen Zeitpunkt rechtsmissbräuchlich", steht einer erneuten Eigenbedarfskündigung nicht entgegen.
b) Weist der Vermieter anlässlich der Novation eines langjährigen Mietvertrags nicht auf einen möglichen Eigenbedarf für seine heranwachsende Tochter hin, steht einer Kündigung des Vermieters, mit der das Mietverhältnis zum Ablauf von rund vier Jahren nach der Erneuerung des Mietvertrags beendet werden soll, nicht der Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens entgegen.
Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die Beklagte ist seit August 1994 Mieterin einer Wohnung des Klägers in B. . Der ursprünglich abgeschlossene Mietvertrag vom 17. August 1994 wurde von den Parteien zunächst durch einen Zeitmietvertrag vom 1. September 1999 ersetzt; danach sollte die Mietzeit im August 2004 enden. Am 24. November 2003 vereinbarten die Parteien in einem außergerichtlichen Vergleich einen neuen, unbefristeten Mietvertrag.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 26. November 2004 kündigte der Kläger (Vermieter) das Mietverhältnis zum 31. August 2005. Der Kläger (Vermieter) machte mit dieser Kündigung Eigenbedarf geltend; er berief sich darauf, seine damals in N. wohnende Tochter werde mit Ende des Sommersemesters 2005 ihr Studium beenden und ihren Lebensmittelpunkt nach B. zurückverlegen. Die Beklagte (Mieterin) widersprach der Kündigung.
Die vom Kläger (Vermieter) erhobene Räumungsklage wurde durch rechtskräftiges Urteil vom 2. November 2005 mit der Begründung abgewiesen, die Kündigung des Klägers (Vermieters) vom 26. November 2004 sei "... jedenfalls zum fraglichen Zeitpunkt ..." rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 242 BGB.
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Mit Schreiben vom 6. Dezember 2006 kündigte der Kläger (Vermieter) erneut das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs, diesmal zum 30. September 2007. Er machte geltend, er benötige die Wohnung für seine Tochter, die nach Beendigung ihres Studiums mit in der Wohnung der Eltern lebe. Die Tochter wolle und solle in einer eigenen Wohnung leben; die jetzigen Wohnverhältnisse in der 2 ½ Zimmer-Wohnung seien für ein gemeinsames Leben zu dritt zu beengt. Da die Beklagte (Mieterin) die Wohnung nicht räumte, hat der Kläger (Vermieter) Räumungsklage erhoben.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen; das Landgericht hat die Berufung des Klägers (Vermieters) zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger (Vermieter) sein Räumungsbegehren weiter.
In den Entscheidungsgründen heißt es:
Die Revision hat Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Der Kläger (Vermieter) habe keinen Anspruch auf Räumung der Wohnung. Seine Kündigung vom 6. Dezember 2006 habe nicht zur Beendigung des Mietverhältnisses geführt. Der Kläger (Vermieter) sei mit der auf Eigenbedarf für seine Tochter gestützten Kündigung ausgeschlossen. Denn seine auf denselben Eigenbedarfsgrund gestützte vorausgegangene Kündigung sei im Vorprozess als unwirksam angesehen worden, und seitdem seien keine erheblichen Änderungen eingetreten.
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Der zeitlich enge Zusammenhang zwischen der Novation des Mietverhältnisses im Jahr 2003 und der Geltendmachung des Eigenbedarfs mit der Kündigung vom 6. Dezember 2006 bestehe fort. Dieser auf dem Vertrauensgrundsatz beruhende zeitweilige Ausschluss des Kündigungsrechts des Vermieters beruhe darauf, dass er sich zu seinem eigenen Verhalten in Widerspruch setze, wenn er die Wohnung, nachdem sie zuvor befristet vermietet war, unbefristet vermiete, obwohl er bereits entschlossen sei oder erwäge, die Wohnung alsbald seiner Tochter zur Verfügung zu stellen. Das beurteile die Kammer auch für den Zeitraum von wenig mehr als drei Jahren nicht anders.
II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Räumungsklage nicht abgewiesen werden.
1. Zutreffend haben die Vordergerichte die Räumungsklage für zulässig gehalten. Die Rechtskraft des im Vorprozess ergangenen klageabweisenden Urteils steht der neuen Klage nicht entgegen (§ 322 Abs. 1 ZPO).
Die Rechtskraft eines klageabweisenden Urteils hindert eine neue Klage nicht, wenn die Klage im Vorprozess nicht als (schlechthin) unbegründet, sondern nur als derzeit unbegründet abgewiesen worden ist, wobei es unschädlich ist, wenn dies im Tenor der Entscheidung nicht zum Ausdruck kommt (BVerfG, NJW 2003, 3759, unter II 1 b; aA LG Hamburg, MDR 1978, 847, vgl. auch Schopp, MDR 1979, 57 f.; Stadie, MDR 1978, 798 ff.).
So liegt es hier. Das Amtsgericht hat im Vorprozess die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Kündigung vom 26. November 2004 sei "... jedenfalls zum fraglichen Zeitpunkt rechtsmissbräuchlich" gewesen; der Kläger (Vermieter) werde aber "durch die hier entscheidungserheblichen Umstände nicht auf Dauer an der Selbstnutzung seines Eigentums gehindert", die Durchsetzung dieses Wunsches werde ihm lediglich vorübergehend versagt.
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2. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht der Klage den Erfolg versagt, weil der geltend gemachte Eigenbedarf - Nutzung der Wohnung durch die Tochter - aufgrund des Vorprozesses "verbraucht" sei. Dem kann nicht gefolgt werden.
a) Mit der Behauptung, er benötige die Wohnung für seine Tochter, macht der Kläger (Vermieter) ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB geltend.
b) Er ist mit seiner darauf gestützten Kündigung nicht deshalb ausgeschlossen, weil seine auf denselben Eigenbedarfsgrund gestützte vorangegangene Kündigung im Vorprozess als unwirksam angesehen wurde.
Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, dass der im Arbeitsrecht allgemein anerkannte Grundsatz, wonach eine erneute Kündigung aus demselben Grunde unwirksam ist, auch im vorliegenden Fall gilt.
Für Kündigungen im Arbeitsrecht entspricht es ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass ein Arbeitgeber eine erneute Kündigung nicht erfolgreich auf Kündigungsgründe stützen kann, die er schon zur Begründung einer vorherigen Kündigung erfolglos vorgebracht hat (BAGE 74, 143, 149 ff.).
Diese mit prozessualen Besonderheiten des Kündigungsschutzprozesses begründete Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist aber auf die vorliegende Fallgestaltung nicht übertragbar. Denn es geht hier nicht - erneut - um das Vorliegen des bereits früher geltend gemachten Kündigungsgrundes, sondern um die Frage, ob (auch) der vom Kläger (Vermieter) mit Schreiben vom 6. Dezember 2006 zum 30. September 2007 erklärten erneuten Kündigung deshalb der Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) entgegensteht, weil der Kläger (Vermieter) die Beklagte (Mieterin) bei Abschluss des unbefristeten Mietvertrages vom 24. November 2003 nicht darauf hingewiesen hat, dass er die Wohnung alsbald für seine erwachsene Tochter benötigen könnte. Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt ist dies zu verneinen.
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aa) Der Vermieter setzt sich allerdings zu seinem eigenen Verhalten in Widerspruch, wenn er eine Wohnung auf unbestimmte Zeit vermietet, obwohl er entweder entschlossen ist oder zumindest erwägt, sie alsbald selbst in Gebrauch zu nehmen. Er darf dem Mieter, der mit einer längeren Mietdauer rechnet, die mit jedem Umzug verbundenen Belastungen dann nicht zumuten, wenn er ihn über die Absicht oder zumindest die Aussicht begrenzter Mietdauer nicht aufklärt (BVerfGE 79, 292, 308 f.; BVerfG, NJW-RR 1993, 1357; LG Münster, NJW-RR 1990, 1354; LG Berlin, NZM 1998, 433 f.; Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 242 Rdnr. 56; MünchKommBGB/Häublein, 5. Aufl., § 573 Rdnr. 72 f.; Bub/Treier/Grapentin, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraum-miete, 3. Aufl., IV Rdnr. 75; Emmerich/Sonnenschein/Haug, Miete, 9. Aufl., § 573 BGB Rdnr. 52 f.; in der Begründung teilweise abweichend Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 9. Aufl., § 573 BGB Rdnr. 134).
In der Rechtsprechung der Instanzgerichte wird dabei - im Anschluss an einen in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Februar 1989 (BVerfGE 79, 292, 309 f.) enthaltenen Hinweis auf die nach damaliger Rechtslage für Zeitmietverträge in § 564c Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB aF vorgesehene Höchstfrist - meist auf eine Frist von fünf Jahren abgestellt, innerhalb derer der Vermieter das Mietverhältnis mit Rücksicht auf Treu und Glauben nicht wegen Eigenbedarfs kündigen könne (LG Berlin, NZM 1998, 433 f.; LG Ham-burg, NJW-RR 1994, 465 f. und WuM 1993, 50).
Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Vermieters wird teilweise schon dann bejaht, wenn der bei Abschluss des Mietvertrages nicht offenbarte (künftige) Eigenbedarf nur eine Möglichkeit darstellte, die der Vermieter angesichts seiner familiären Umstände hätte in Betracht ziehen können (LG Hamburg, NJW-RR 1994, 465 f.; LG Karlsru-he, WuM 1988, 276; LG Paderborn, WuM 1994, 331; vgl. aber LG Düsseldorf, WuM 1989, 414; auch nach MünchKommBGB/Häublein, aaO, § 573 Rdnr. 73 genügt eine "gewisse Wahrscheinlichkeit des künftigen Eigenbedarfs" nicht; ähnlich Sonnenschein, NJW 1993, 161, 168).
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bb) Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen der Vermieter den Mieter bei Abschluss des Mietvertrags auch auf einen nur möglichen Eigenbedarf - beispielsweise im Hinblick auf heranwachsende Kinder - hinweisen muss, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Für den Mieter ist ein sich abzeichnender Eigenbedarf des Vermieters vor allem für die Entscheidung von Bedeutung, ob er eine Wohnung überhaupt anmieten und damit das Risiko eines Umzugs nach verhältnismäßig kurzer Mietzeit eingehen will.
Eine vergleichbare Interessenlage, die anlässlich des (dritten) Mietvertrags zwischen den Parteien vom 24. November 2003 einen Hinweis des Klägers (Vermieters) auf einen künftigen Eigenbedarf für seine Tochter geboten hätte, bestand hier aber gerade nicht, denn die Beklagte (Mieterin) wohnte zu diesem Zeitpunkt bereits - seit neun Jahren - in der Wohnung. Überdies wusste die Beklagte (Mieterin), wie die Revision zutreffend geltend macht, dass der Kläger (Vermieter) eine Tochter hat, für die er die Wohnung gegebenenfalls einmal benötigen könnte.
Es hätte deshalb nahe gelegen, dass sich die Beklagte (Mieterin) ihrerseits anlässlich der Novation des Mietvertrags nach einem noch zu erwartenden Eigenbedarf erkundigte oder gegebenenfalls auf einen vertraglichen Ausschluss einer Eigenbedarfskündigung im neuen Mietvertrag hinwirkte.
Jedenfalls kann unter den hier gegebenen Umständen nicht angenommen werden, dass der Kläger (Vermieter) mit der streitgegenständlichen Kündigung, die das Mietverhältnis erst zum 30. September 2007 - nach rund 13-jähriger Mietdauer und nach Ablauf von fast vier Jahren seit der Novation des Mietvertrags - beenden sollte, rechtsmissbräuchlich handelte.
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III. Aus den dargelegten Gründen kann die Entscheidung des Berufungsgerichts mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben. Das Berufungsurteil ist daher auf die Revision des Klägers (Vermieters) aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).
Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil das Berufungsgericht - vor dem Hintergrund seiner Auffassung folgerichtig - keine Feststellungen zu dem vom Kläger (Vermieter) behaupteten Eigenbedarf und zu der von der Beklagten (Mieterin) geltend gemachten, durch die Beendigung des Mietverhältnisses für sie eintretenden Härte (§ 574 Abs. 1 BGB) getroffen hat.
Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
BGH, Urteil vom 21. Januar 2009
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