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Bundesgerichtshof Entscheidungen
BGH zum Kündigungsverzicht im Mietvertrag - VIII ZR 27/04 -
Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige 8. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat im April 2005 entschieden, dass in einem Wohnraummietvertrag ein formularmäßiger (zwischen den Parteien nicht im einzelnen ausgehandelter) Kündigungsverzicht, auch wenn er von beiden Parteien des Mietverhältnisses erklärt wird, wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters in der Regel unwirksam ist, wenn die Dauer des Verzichts auf das Kündigungsrecht mehr als vier Jahre beträgt.
Ein Mieter mietete mit schriftlichem Vertrag vom 31. Oktober 2001 ab dem folgenden Tag von dem Vermieter eine Wohnung in dem Haus B. Straße in B. . Die Parteien vereinbarten eine monatliche Miete von 300 € zuzüglich einer Nebenkostenvorauszahlung von 100 €.
In § 2 des von dem Vermieter gestellten Formularvertrages ist unter der Überschrift "Mietdauer (Zutreffendes ankreuzen)" die Nr. 3 angekreuzt, die wie folgt lautet:
"Vertrag auf unbestimmte Zeit mit beiderseitigem Kündigungsverzicht
Die Parteien verzichten wechselseitig für die Dauer von 5 Jahren auf ihr Recht zur Kündigung dieses Mietvertrages. Eine Kündigung ist erstmalig nach Ablauf eines Zeitraums von 5 Jahren mit der gesetzlichen Frist zulässig. Von dem Verzicht bleibt das Recht der Parteien zur Kündigung aus wichtigem Grund und zur außerordentlichen Kündigung mit gesetzlicher Frist unberührt."
In diesem Text ist die Zahl 5 jeweils handschriftlich in eine durch einen Unterstrich gekennzeichnete Leerstelle eingefügt.
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Mit Schreiben vom 2. November 2001 kündigte der Mieter das Mietverhältnis "zum nächstmöglichen Zeitpunkt, d.h. bis spätestens 31.01.2002". Am 31. Januar 2002 übergab er dem Vermieter die Wohnungsschlüssel. Dieser vermietete die Wohnung ab Mitte März 2002 an einen neuen Mieter.
In dem vorliegenden Rechtsstreit nahm der Mieter den Vermieter auf Rückzahlung der von ihm geleisteten Mietsicherheit sowie der seither angefallenen Zinsen in Anspruch. Insgesamt begehrte er Zahlung von 910,50 € nebst Prozeßzinsen.
Der Vermieter rechnete unter anderem in Höhe von 600 € mit der von ihm beanspruchten Miete für den Monat Februar und die erste Hälfte des Monats März 2002 auf. Die Parteien stritten insbesondere darüber, ob der Kündigungsverzicht in § 2 Nr. 3 des Mietvertrages wirksam und dementsprechend die Kündigung des Klägers unwirksam ist.
Hierzu hat der BGH in den Entscheidungsgründen u. a. ausgeführt, dass § 2 Nr. 3 des Mietvertrages der Parteien gemäß § 9 Abs. 1 des seinerzeit noch geltenden AGBG unwirksam sei, weil die Dauer des formularmäßigen Kündigungsverzichts von fünf Jahren den Mieter entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige.
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Bei der Regelung in § 2 Nr. 3 des formularmäßigen Mietvertrages handele es sich um eine von dem Vermieter gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 1 AGBG (jetzt § 305 BGB). Dem stehe nicht entgegen, dass die - hier in Rede stehende - Dauer des Kündigungsverzichts durch handschriftliche Ergänzung von zwei Leerstellen des im übrigen vorgedruckten Textes auf fünf Jahre festgelegt worden sei.
Die Schriftart sei insoweit nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AGBG (jetzt § 305 Abs. 1 Satz 2 BGB) ohne Bedeutung. Eine Formularklausel wäre allerdings hinsichtlich der Dauer des Kündigungsverzichts zu verneinen, wenn die Ergänzung von den Parteien individuell ausgehandelt § 1 Abs. 2 AGBG; jetzt § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB) oder gar von dem Kläger (Mieter) selbst nach seiner freien Entscheidung vorgenommen worden wäre (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 1997 - X ZR 135/95, WM 1998, 562 unter II 2 b; ferner Senatsurteil BGHZ 141, 108, 110).
Das sei jedoch nicht der Fall gewesen. Der Vermieter habe insoweit selbst lediglich behauptet, der - von ihm vorbereitete Mietvertrag sei mit dem Mieter durchgegangen worden; dabei habe dieser Gelegenheit gehabt, die einzelnen Vertragsbestimmungen zu prüfen. Das reiche für ein Aushandeln im Sinne des § 1 Abs. 2 AGBG nicht aus (st.Rspr. des BGH, z.B. BGHZ 143, 103, 111 f.).
Der formularmäßige Kündigungsverzicht in § 2 Nr. 3 des Mietvertrages sei nicht gemäß § 8 AGBG (jetzt § 307 Abs. 3 BGB) der Inhaltskontrolle nach §§ 9 bis 11 AGBG (jetzt §§ 307 bis 309 BGB) entzogen. Die dadurch festgelegte Mindestlaufzeit des Mietvertrages gehöre nicht zu dem kontrollfreien Kernbereich (vgl. BGHZ 127, 35, 41 ff.; BGH, Urteil vom 26. März 1997 - IV ZR 71/96, NJW 1997, 1849 unter 2 a zur Laufzeit von Versicherungsverträgen; so im Ergebnis auch BGH, Urteil vom 10. Februar 1993 - XII ZR 74/91, WM 1993, 791 unter II zu einem Kabelanschlußvertrag mit mietvertraglichem Charakter).
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Ein formularmäßiger Kündigungsverzicht von fünf Jahren benachteilige den Mieter von Wohnraum in der Regel entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und sei daher nach § 9 Abs. 1 AGBG (jetzt § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB) unwirksam.
Wie in der Begründung des Regierungsentwurfs zum Mietrechtsreformgesetz vom 19. Juni 2001 (BT-Drucks. 14/4553 S. 38 f.) hervorgehoben werde, komme der Mobilität und Flexibilität in der heutigen modernen Gesellschaft zunehmende Bedeutung zu.
Durch einen Kündigungsverzicht werde der Mieter jedoch in seiner Dispositionsfreiheit erheblich eingeschränkt. Bei beruflichen, familiären, krankheitsbedingten oder sonstigen persönlichen Veränderungen seiner Lebensverhältnisse könne er den Mietvertrag über eine hierdurch ungeeignet gewordene Wohnung nicht kündigen, selbst wenn die genannten Veränderungen unvorhergesehen oder gar ungewollt eingetreten seien. Da die Miete mit Nebenkosten nicht selten einen beträchtlichen Teil des Einkommens aufzehre, werde es dem Mieter auch kaum möglich sein, eine zweite Wohnung zu unterhalten, die seinen geänderten Bedürfnissen gerecht werde.
Die Möglichkeit, gegebenenfalls einen geeigneten Nachmieter zu stellen (vgl. Senatsurteil vom 22. Dezember 2003, aaO unter II 1 c), sei zu unsicher, um die erhebliche Beeinträchtigung der Dispositionsfreiheit des Mieters durch einen formularmäßigen Kündigungsverzicht auszugleichen.
Da der beiderseitige Kündigungsverzicht aber insofern auch Vorteile für den Mieter habe, als er diesen über den durch §§ 573, 574 BGB gewährten Kündigungsschutz hinaus vor einer ordentlichen Kündigung des Vermieters absichere, benachteilige ein formularmäßiger Kündigungsverzicht den Mieter im Regelfall dann nicht unangemessen, wenn er in zeitlicher Hinsicht überschaubar und dadurch für ihn erträglich sei.
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Angesichts dessen sei es von vorneherein ausgeschlossen, in Anlehnung an § 544 Satz 1 BGB einen Kündigungsverzicht für die Dauer von 30 Jahre zuzulassen (so aber noch Lützenkirchen, ZMR 2001, 769, 770; Blank, ZMR 2002, 797, 801; anders inzwischen Lützenkirchen, MDR 2004, 926, 927; Blank in: Blank/Börstinghaus, Miete, 2. Aufl., § 575 Rdnr. 76).
Auf der anderen Seite komme es auch nicht in Betracht, die Dauer eines formularmäßigen Kündigungsverzichts unter Heranziehung von § 11 Nr. 12 Buchst. a AGBG (jetzt § 309 Nr. 9 Buchst. a BGB) auf lediglich zwei Jahre zu begrenzen.
Abgesehen davon, dass diese Laufzeitregelung für bestimmte Dauerschuldverhältnisse nicht für Mietverträge gelte (BGH, Urteil vom 10. Februar 1993 - XII ZR 74/91, WM 1993, 791 unter II 2 a m.w.Nachw.), lasse das Gesetz selbst in § 557a Abs. 3 BGB bei Staffelmietverträgen einen Ausschluß des Kündigungsrechts des Mieters für vier Jahre zu.
Diese gesetzliche Regelung gebe ungeachtet dessen, dass sie dem Wortlaut nach nur für Staffelmietverträge gelte, einen Hinweis darauf, wo nach Auffassung des Gesetzgebers allgemein die zeitliche Grenze eines Kündigungsverzichts des Mieters zu ziehen sei.
Nach der Gesetzesbegründung zu § 10 Abs. 2 MHG, der Vorgängerregelung des § 557a BGB, erscheine es "unter Berücksichtigung der möglichen Zwangslage der Wohnungssuchenden beim Abschluß eines Mietvertrages … erforderlich, den Ausschluß des Kündigungsrechts des Mieters auf vier Jahre zu begrenzen" (BT-Drucks. 9/2079 S. 18).
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Demgemäß sei ein formularmäßiger Kündigungsverzicht wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters von Wohnraum in der Regel unwirksam, wenn seine Dauer mehr als vier Jahre betrage. Dies entspreche der überwiegenden Auffassung im Schrifttum, soweit dieses einen formularmäßigen Kündigungsverzicht für zulässig erachte (z.B. Blank in: Blank/Börstinghaus, aaO; Palandt/Weidenkaff, BGB, 64. Aufl., § 573c Rdnr. 3; Wiek, WuM 2004, 509, 511; Eckert, EWiR 2004, 1167, 1168; vgl. auch Börstinghaus in: Börstinghaus/Eisenschmid, MietPrax-AK, § 573c BGB Nr. 9). Unter besonderen Umständen könne etwas anderes gelten. Dafür sei hier jedoch weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Der formularmäßige Kündigungsverzicht in § 2 Nr. 3 des Mietvertrages der Parteien sei gemäß § 9 Abs. 1 AGBG insgesamt unwirksam, weil die Dauer von fünf Jahren den Mieter entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige.
Eine Aufrechterhaltung der Klausel mit einer verkürzten Dauer des Kündigungsverzichts komme wegen des für Allgemeine Geschäftsbedingungen generell zu beachtenden Verbots einer geltungserhaltenden Reduktion nicht in Betracht (vgl. BGHZ 143, 103, 118 ff. m.w.Nachw.).
BGH, Urteil vom 6.4.2005
- VIII ZR 27/04 -
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