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Bundesgerichtshof Entscheidungen
Pflicht zur Nachzahlung von Nebenkosten im Gewerbemietverhältnis auch bei verspäteter Abrechnung - XII ZR 124/09 -
Der unter anderem für das Gewerbemietrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im November 2010 folgende Entscheidung verkündet:
BGB §§ 556 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3, 578, 242 Be, Cc
Zur Abrechnungsfrist von Nebenkosten bei Mietverträgen über Geschäftsräume (im Anschluss an das Senatsurteil vom 27. Januar 2010 - XII ZR 22/07 - NZM 2010, 240).
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 18. Juni 2009 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
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Sachverhalt (Tatbestand):
Die Kläger (Mieter) verlangen von dem Beklagten (Vermieter) nach Beendigung eines Pachtvertrages über Gewerberäume und eines damit verbundenen Mietvertrages über eine Dienstwohnung vom 23. März 1998 Rückzahlung für die Wohnräume geleisteter Betriebskostenvorauszahlungen in Höhe von 2.944,96 € und einer für die Gewerberäume gezahlten Kaution in Höhe von 5.215,18 €. Der Beklagte (Vermieter) hat mit Gegenforderungen aufgerechnet, u.a. mit einer Forderung auf Zahlung von Nebenkosten für die Gewerberäume für die Zeit von 2005 bis 2007 in Höhe von insgesamt 6.245,23 €. Diese Nebenkosten hat der Beklagte (Vermieter) erstmals mit der Klageerwiderung vom 7. Juli 2008, die den Klägervertretern am 9. Juli 2008 zugestellt worden ist, abgerechnet.
Die Parteien streiten im Revisionsverfahren nur noch über die Begründetheit dieser von dem Beklagten (Vermieter) zur Aufrechnung gestellten auf § 3 des Pachtvertrages gestützten Nebenkostenforderungen.
Nach § 3 des Pachtvertrages waren die Kläger (Mieter) verpflichtet, die im Einzelnen genannten Nebenkosten an den Beklagten (Vermieter) zu bezahlen, sobald er sie in Rechnung stellt oder, soweit der Pächter des im selben Anwesen betriebenen Lokals die Nebenkosten bezahlt hatte, an diesen davon ein Drittel zu bezahlen.
Für die Jahre 2002 bis 2004 hat der Beklagte (Vermieter) keine Nebenkostenabrechnung für die Gewerberäume erstellt.
Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 2.755,54 € stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Die Berufung der Kläger (Mieter) ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger (Mieter) den abgewiesenen Zahlungsanspruch weiter.
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Entscheidungsgründe:
Da der Beklagte (Vermieter) in der mündlichen Verhandlung trotz rechtzeitiger Bekanntgabe des Termins nicht vertreten war, ist über die Revision der Kläger (Mieter) antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden §§ 557, 331 ZPO. Das Urteil beruht jedoch inhaltlich nicht auf einer Säumnisfolge, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37, 79, 81 f.).
Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die den Klägern (Mietern) zustehenden Forderungen auf Rückzahlung der geleisteten Kaution und auf Erstattung der für die Wohnung geleisteten Betriebskostenvorauszahlungen in Höhe von insgesamt 8.160,14 € seien in Höhe von 5.404,60 € durch die von den Beklagten (Vermieter) erklärte Aufrechnung mit Forderungen auf Nachzahlung von Nebenkosten für die Gewerberäume für die Jahre 2005 bis 2007 erloschen. Zwar sei die den Klägern (Mietern) erst mit der Klageerwiderung am 9. Juli 2008 übersandte Abrechnung dieser Kosten teilweise verspätet erfolgt. Denn die als angemessen anzusehende Abrechnungsfrist betrage ein Jahr ab Ende des Abrechnungszeitraums. Insoweit sei die für die Wohnraummiete geltende Bestimmung des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB, die eine Abrechnungsfrist von einem Jahr bestimme, auf die Gewerberaummiete entsprechend anwendbar.
Die teilweise Überschreitung der Abrechnungsfrist um mehr als eineinhalb Jahre habe aber nicht zur Folge, dass der Beklagte (Vermieter) seinen Anspruch auf Ausgleich der Abrechnung verloren habe. § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB sei auf die Gewerberaummiete nicht entsprechend anwendbar. Es fehle bereits an dem Erfordernis einer unbeabsichtigten Regelungslücke, da kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich sei, dass der Gesetzgeber die allein für das Wohnraummietrecht konzipierte Regelung des § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB lediglich versehentlich nicht in den Verweisungskanon des § 578 BGB aufgenommen habe.
Die geltend gemachten Nebenkosten seien auch nicht verwirkt. Das Zuwarten mit der Abrechnung über einen Zeitraum von mehr als eineinhalb Jahren habe bei den Klägern (Mietern) schon nicht das berechtigte Vertrauen darauf begründen können, der Beklagte (Vermieter) werde keine Forderungen auf Zahlung der Nebenkosten mehr erheben. Das gelte auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass er schon seit dem Jahre 2002 keine Nebenkostenabrechnungen mehr erstellt habe. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Kläger (Mieter) im Hinblick auf ein derartiges Vertrauen bestimmte Dispositionen getroffen hätten, die der beanspruchten Nachzahlung entgegenstünden.
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II. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Prüfung stand.
Der Beklagte (Vermieter) hat gemäß § 581 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m § 3 des Pachtvertrages vom 23. März 1998 gegen die Kläger einen Anspruch auf Zahlung von Nebenkosten für die Gewerberäume für die Jahre 2005 bis 2007 in der zuerkannten Höhe von 5.404,60 €. Die Umlage dieser Nebenkosten ist unstreitig vereinbart worden.
1. Entgegen der Ansicht der Revision ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB, der für die Wohnraummiete den Ausschluss von Betriebskostennachforderungen anordnet, die der Vermieter zwölf Monate nach Ablauf des Abrechnungszeitraumes verlangt, auf die Geschäftsraummiete nicht analog anwendbar ist. Dieser in Rechtsprechung und Literatur überwiegend vertretenen Meinung (OLG Düsseldorf ZMR 2008, 206; Grundeigentum 2006, 847; KG ZMR 2007, 449; OLG Köln ZMR 2007, 115; LG Nürnberg-Fürth ZMR 2008, 800; Blank/Börstinghaus Miete 3. Aufl. § 556 Rn. 1; Schmidt-Futterer/Langenberg Mietrecht 9. Aufl. § 556 BGB Rn. 6 und 458; Soergel/Heintzmann 13. Aufl. § 556 BGB Rn. 21; Staudinger/Weitemeyer [2006] § 556 BGB Rn. 106; aA MünchKomm/Schmid 5. Aufl. § 556 BGB Rn. 1) hat sich der Senat mit Urteil vom 27. Januar 2010 (XII ZR 22/07 - NZM 2010, 240 Rn. 18 ff.) angeschlossen.
Es fehlt bereits an der für eine Analogie erforderlichen planwidrigen Gesetzeslücke. Mit dem am 1. September 2001 in Kraft getretenen Mietrechtsreformgesetz (BGBl. I S. 1149) hat der Gesetzgeber die als Ausschlussfrist gestaltete Abrechnungsfrist für die Betriebskosten von zwölf Monaten nach dem Ende des Abrechnungszeitraums in § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB auch für frei finanzierten Wohnraum übernommen (BT-Drucks. 14/4553 S. 51). In § 578 BGB, der gemäß § 581 Abs. 2 BGB auf Pachtverträge anwendbar ist und der konkret aufzählt, welche von den für die Wohnraummiete geltenden Vorschriften auf die Mietverhältnisse über Räume, die keine Wohnräume sind, entsprechend anwendbar sind, wird § 556 BGB nicht genannt. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber es versehentlich unterlassen hat, in § 578 BGB auf § 556 BGB zu verweisen, bestehen nicht. Insbesondere kann nicht daraus, dass die Gesetzesmaterialien keine Begründung dafür enthalten, warum der Gesetzgeber von einem Verweis auf § 556 BGB abgesehen hat, auf eine planwidrige Gesetzeslücke geschlossen werden. Denn der Gesetzgeber hat durch die gezielte Auswahl der auf die Geschäftsraummiete anwendbaren Vorschriften in § 578 BGB deutlich zum Ausdruck gebracht, dass § 556 BGB für die Geschäftsraummiete nicht gelten soll. Über diesen gesetzgeberischen Willen kann nicht im Wege der Analogie hinweggegangen werden.
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2. Entgegen der Ansicht der Revision ist der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der Nebenkosten auch nicht verwirkt.
Der Rechtsgedanke der Verwirkung, der auch im Miet- und Pachtrecht gilt, ist ein Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung aufgrund widersprüchlichen Verhaltens. Danach ist ein Recht verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft geltend machen werde. Die Annahme einer Verwirkung setzt somit neben dem Zeitablauf das Vorliegen besonderer ein solches Vertrauen des Verpflichteten begründender Umstände voraus (Senatsurteil vom 27. Januar 2010 - XII ZR 22/07 - NZM 2010, 240 Rn. 32 mwN). Ob eine Verwirkung vorliegt, richtet sich letztlich nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalles.
a) Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass für die Bestimmung des Zeitmoments auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der Abrechnungen für die jeweilige Abrechnungsperiode abzustellen ist. Denn nur wenn zwischen dem Zeitpunkt, zu dem der Beklagte (Vermieter) die Abrechnung hätte vornehmen müssen und dem Zugang der Abrechnung bei den Klägern ein längerer Zeitraum liegt, kann das Zeitmoment erfüllt sein.
Die Parteien haben weder eine Abrechnungsperiode noch eine Abrechnungsfrist vertraglich vereinbart. Ausgehend von den üblichen Abrechnungsperioden konnte der Beklagte (Vermieter) die Nebenkosten jährlich oder kalenderjährlich abrechnen. Über die in dem jeweiligen Abrechnungszeitraum angefallenen Nebenkosten musste er sodann innerhalb angemessener Frist abrechnen.
Eine Frist, innerhalb derer die Abrechnung der Nebenkosten erteilt werden muss, ist für die Geschäftsraummiete nicht gesetzlich geregelt. Lediglich für die Wohnraummiete bestimmt der durch das Mietrechtsreformgesetz (BGBl. I S. 1149) eingefügte § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB, dass der Vermieter dem Mieter die Abrechnung spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach dem Ende des Abrechnungszeitraums mitzuteilen hat.
Der Senat hat sich der in Rechtsprechung und Literatur schon in der Vergangenheit überwiegend vertretenen Ansicht, dass auch für die Geschäftsraummiete eine solche Frist angemessen ist, angeschlossen (Senatsurteil vom 27. Januar 2010 - XII ZR 22/07 - NZM 2010, 240 Rn. 36 ff.).
Danach war die Abrechnung der im Jahr 2007 angefallenen Nebenkosten zum Zeitpunkt des Zugangs der Abrechnung am 9. Juli 2008 noch nicht fällig. Deshalb fehlt es insoweit schon an dem für die Verwirkung erforderlichen Zeitablauf.
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Die den Klägern (Mietern) ebenfalls am 9. Juli 2008 zugegangenen Nebenkostenabrechnungen für die Jahre 2005 und 2006 sind demgegenüber für das Jahr 2005 mehr als eineinhalb Jahre und für das Jahr 2006 mehr als ein halbes Jahr nach Ablauf der Abrechnungsfrist erfolgt. Es kann dahingestellt bleiben, ob durch diese Fristüberschreitung das Zeitmoment erfüllt ist. Es fehlt jedenfalls an Umständen, die geeignet sind, ein Vertrauen der Kläger darauf zu begründen, der Beklagte (Vermieter) werde diese Kosten nicht mehr abrechnen. Hierfür reicht der bloße Zeitablauf nicht aus. Denn allein daraus, dass der Beklagte (Vermieter) eineinhalb Jahre bzw. ein halbes Jahr lang Nebenkosten für die Abrechnungsperioden 2005 bzw. 2006 nicht abgerechnet hatte, konnten die Kläger (Mieter) nicht schließen, der Beklagte (Vermieter)wolle auf die Geltendmachung dieser ihm vertraglich zustehenden Nebenkosten verzichten. Ohne das Hinzutreten weiterer Umstände, aus denen sich ein solcher Wille des Beklagten (Vermieters) ergibt, konnten die Kläger (Mieter) nicht auf einen Verzicht des Beklagten (Vermieters) auf diese Forderungen vertrauen.
Ein solcher Wille des Beklagten (Vermieters) kann nicht daraus hergeleitet werden, dass er in den Jahren 2002 bis 2004 keine Nebenkosten abgerechnet hat. Daraus konnten die Kläger (Mieter) nicht schließen, der Beklagte (Vermieter) wolle auch in Zukunft die jährlich neu entstehenden Nebenkostenforderungen nicht verlangen. Im Hinblick darauf, dass die Kläger (Mieter) keine Vorauszahlungen auf die Nebenkosten für die Gewerberäume zahlten und die Nebenkosten darüber hinaus zumindest teilweise vom Verbrauch der Kläger (Mieter) abhingen, lag es vielmehr nahe, davon auszugehen, dass der Beklagte (Vermieter) versehentlich oder aus Nachlässigkeit die Abrechnungen unterlassen hat.
Insgesamt sind keine Umstände ersichtlich, aus denen sich ergibt, dass der Beklagte (Vermieter) auf sein vertraglich begründetes Recht, Nebenkosten zu verlangen, verzichtet hat.
BGH, Versäumnisurteil vom 17. November 2010
- XII ZR 124/09 -
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