Bundesgerichtshof Entscheidungen

Anforderungen an Sachvortrag im Rechtsstreit bei Vorliegen eines Mietmangels - XII ZR 67/19 -


Der unter anderem für das Gewerbemietrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18.12.2019 im Beschlusswege entschieden:

GG Art. 103 Abs. 1

Eine Partei genügt bei einem von ihr zur Rechtsverteidigung gehaltenen Sachvortrag ihren Substantiierungspflichten, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das von der anderen Seite geltend gemachte Recht als nicht bestehend erscheinen zu lassen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 27. Juli 2016 - XII ZR 59/14 - NJW-RR 2016, 1291).


Tenor:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 16. April 2019 zugelassen.

Auf die Revision der Beklagten wird das vorgenannte Urteil aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Wert: 229.400 €


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Gründe:

I.

1 Die Klägerin (Vermieterin) nimmt die Beklagten (Mieter) auf Mietzahlung aus einem Gewerberaummietvertrag in Anspruch.


2 Mit Vertrag vom 16. September 2013 vermietete die Klägerin der Beklagten zu 2 eine Gewerbefläche mit Gebäude für einen Kfz-Handel. Vereinbart waren nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts eine Netto-Kaltmiete von monatlich 6.200 € und eine feste Laufzeit bis zum 14. Oktober 2018. Die Klägerin macht geltend, die Beklagte zu 1 sei neben der Beklagten zu 2 als Mieterin in den Vertrag eingetreten.


3 Mit Schreiben vom 7. März 2014 rügten die Beklagten Mängel des Mietobjekts und setzten eine Frist zur Beseitigung. Mit Schreiben vom 28. April 2014 kündigten sie das Mietverhältnis fristlos; sie räumten das Objekt im Mai 2014 ohne weitere Mietzahlung.


4 Daraufhin hat die Klägerin die Mieten für den Zeitraum von Mai 2014 bis einschließlich Mai 2017 gegen die Beklagten als Gesamtschuldner eingeklagt. Das Landgericht hat dieser Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Hiergegen wenden sich diese mit der Nichtzulassungsbeschwerde.


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II.

5 Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.


6 1. Dieses hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Die Beklagte zu 1 sei dem Mietverhältnis als weitere Mieterin beigetreten. Der Geschäftsführer beider Beklagten habe - wie auch der Geschäftsführer der Klägerin - auf einem neuen Vertrags-Deckblatt unter dem darauf zusätzlich angebrachten Stempel der Beklagten zu 1 unterschrieben. Dieses Deckblatt sei mit den weiteren Blättern des Vertrags durch Heftung zu einer Einheit verbunden. Die dadurch statuierte Vermutung der Echtheit der geänderten Vertragsurkunde hätten die Beklagten nicht zu erschüttern vermocht. Auch für die Behauptung der Beklagten, der Mietvertrag sei mit der Beklagten zu 2 auflösend bedingt durch die Handelsregistereintragung der Beklagten zu 1 geschlossen worden, gebe es keine belastbaren Indizien. Bei der hierfür erfolgten Benennung des Kommanditisten beider Beklagten als Zeugen handele es sich um einen Ausforschungsbeweis, denn es erschließe sich vor allem nicht, wann, wo und mit welchem konkreten Inhalt diese Vereinbarung getroffen worden sei.


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7 Das Mietverhältnis sei nicht aufgrund der Kündigungserklärungen der Beklagten beendet, weil die von den Beklagten reklamierten Kündigungsgründe nicht bestünden. Soweit sich die Beklagten auf eine angeblich ungenügende Tragfähigkeit des Untergrunds im Außenbereich stützten, sei ihr Sachvortrag nicht in einem für eine Beweiserhebung ausreichenden Maße schlüssig. Dabei möge eine durch Ausspülung bedingte Bodenabsenkung in der Größe von 50 cm x 50 cm noch unterstellt werden. Eine derart geringe Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit rechtfertige aber keine außerordentliche Kündigung, wobei bereits zweifelhaft erscheine, ob die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache dadurch überhaupt negativ beeinflusst worden sei. Im Übrigen lege der Sachvortrag der Beklagten weder den Schadensumfang konkret dar noch verhalte er sich zur Dauer des gerügten Zustands. Er sei auch deshalb wenig plausibel, weil die Beklagten das Außengelände nach Übernahme des Mietobjekts im Oktober 2013 regelmäßig bestimmungsgemäß genutzt hätten, ohne wegen entsprechender Mängel an die Klägerin heranzutreten.


8 2. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt zu Recht, dass dem angefochtenen Urteil ein entscheidungserheblicher Verstoß des Berufungsgerichts gegen Art. 103 Abs. 1 GG zugrunde liegt, weil es die Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und dadurch versäumt hat, den entscheidungserheblichen Sachvortrag der Beklagten in der nach Art. 103 Abs. 1 GG gebotenen Weise zur Kenntnis zu nehmen und die angebotenen Beweise zu erheben (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Juli 2016 - XII ZR 59/14 - NJW-RR 2016, 1291 Rn. 3 mwN).


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9 a) Eine Partei genügt bei einem von ihr zur Rechtsverteidigung gehaltenen Sachvortrag ihren Substantiierungspflichten, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das von der anderen Seite geltend gemachte Recht als nicht bestehend erscheinen zu lassen. Dabei ist unerheblich, wie wahrscheinlich die Darstellung ist und ob sie auf eigenem Wissen oder auf einer Schlussfolgerung aus Indizien beruht. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Leitet der Mieter - wie hier - seine Rechte aus einem Mangel der Mietsache ab, dann genügt er seiner Darlegungslast hinsichtlich des Mangels mit einer hinreichend genauen Beschreibung der Mangelerscheinungen ("Mangelsymptome"). Von ihm ist hingegen nicht zu verlangen, dass er auch die - ihm häufig nicht bekannte - Ursache dieser Symptome bezeichnet (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Juli 2016 - XII ZR 59/14 - NJW-RR 2016, 1291 Rn. 4 f. mwN).


10 b) Die Nichtzulassungsbeschwerde verweist schon zutreffend darauf, dass der beweisbewehrte Sachvortrag der Beklagten zur auf die fehlende Tragfähigkeit der Außenfläche bezogenen Mängelrüge diesen Anforderungen gerecht wird.


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11 Die Beklagten hatten in erster Instanz ausgeführt, sie hätten aufgrund des 50 x 50 cm großen Einbruchs der Pflasterfläche vor der Fahrzeugaufbereitungshalle einen - als Zeugen benannten - Bausachverständigen mit der Prüfung der Außenfläche beauftragt. Dieser sei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Tragfähigkeit für eine dauerhafte Belastung mit Kraftfahrzeugen und ein Befahren mit Lkw nicht gegeben sei, weil der Unterbau nicht fachgerecht durch Schottertragschichten ausgebaut und verdichtet und der Ablauf des Regenwassers nicht gewährleistet sei. Hierfür hatten die Beklagten zudem Sachverständigenbeweis angeboten. Mit diesem Vortrag, den die Beklagten mit der Berufungsbegründung wiederholt haben, ist der geltend gemachte Sachmangel so dargelegt, dass er ohne weiteres einer Beweiserhebung zugänglich ist. Entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung wird unzweifelhaft deutlich, dass sich die Mangelrüge nicht nur auf den kleinen Bereich des eingebrochenen Pflasterbelags, sondern auf die gesamte Außenfläche bezieht und - weil durch bauliche Fehler begründet - von Anfang an bestanden haben soll. Weiterer Vortrag war von der Beklagten insoweit nicht zu verlangen. Soweit das Berufungsgericht die Plausibilität dieses Vorbringens vermisst, weil die Beklagten die Fläche genutzt hätten, handelt es sich zum einen um eine unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung. Zum anderen übergeht das Berufungsgericht dabei - wie die Nichtzulassungsbeschwerde zu Recht rügt - gehörswidrig den Vortrag der Beklagten dazu, dass die Außenfläche wegen der erst bevorstehenden Anlieferung von Fahrzeugen im fraglichen Zeitraum noch kaum genutzt worden sei.


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12 c) Dieser Gehörsverstoß ist auch entscheidungserheblich. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des Vorbringens der Beklagten und Erhebung der angebotenen Beweise einen wichtigen Grund bejaht und die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten gemäß § 543 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 BGB als durchgreifend erachtet hätte.


13 3. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, sich mit den weiteren Rügen der Nichtzulassungsbeschwerde auseinanderzusetzen.


14 Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird nach § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO abgesehen.


BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2019

- XII ZR 67/19 -


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