Bundesgerichtshof Entscheidungen

Kein Auskunftsanspruch des Mieters zur tatsächlichen Höhe der als Pauschale gezahlten Betriebskosten ohne konkrete Anhaltspunkte für nachträglich eingetretene Ermäßigungen - VIII ZR 106/11 -


Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im November 2011 entschieden:

BGB § 556 Abs. 2, § 560 Abs. 3, § 242 Be

Ein Auskunftsanspruch des Mieters gegen den Vermieter zur tatsächlichen Höhe der bei der Wohnraummiete von einer Pauschale abgedeckten Betriebskosten gemäß § 242 BGB kommt nur in Betracht, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine nachträgliche Ermäßigung der Betriebskosten bestehen. Dabei sind Ermäßigungen einzelner Betriebskosten nicht relevant, wenn sie durch Erhöhungen in anderen Bereichen ausgeglichen werden.


Tenor:

Die Revision der Kläger gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 10. März 2011 wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen


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Sachverhalt (Tatbestand):

Die Kläger sind Mieter einer Dreizimmerwohnung der Beklagten (Vermieterin) in K. . In § 4 Ziff. 1 des Mietvertrages vom 22. Februar 2007 in Verbindung mit der Anlage B vereinbarten die Parteien eine Nebenkostenpauschale für die in der Anlage zum Mietvertrag näher bezeichneten kalten Betriebskosten in Höhe von 190 € monatlich. Die Grundmiete beträgt monatlich 600 €. Die Kläger (Mieter) halten die Nebenkostenpauschale für zu hoch. Sie verlangen im Wege der Stufenklage - mit der sie die Herabsetzung der Nebenkostenpauschale erstreben – zunächst Auskunft über die Höhe der von der Pauschale erfassten Nebenkosten und Belegeinsicht.


Das Amtsgericht hat der Klage auf Auskunft und Belegeinsicht durch Teilurteil stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten (Vermieterin) hat das Berufungsgericht das Teilurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstreben die Kläger (Mieter) die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Teilurteils.


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Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Den Klägern (Mietern) stehe kein Auskunftsrecht gegen die Beklagte (Vermieterin) zu. Aus Sinn und Zweck der Vereinbarung einer Nebenkostenpauschale ergebe sich, dass ein Mieter nicht jederzeit Auskunft über die Höhe der betreffenden Nebenkosten verlangen könne. Vielmehr habe er dieser im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung sehenden Auges zugestimmt. An dieser Zustimmung müsse er sich grundsätzlich festhalten lassen. Eine Prüfung der Höhe der Betriebskostenpauschale sei vor Abschluss des Mietvertrages möglich gewesen. Durch die Vereinbarung einer Pauschale solle gerade die genaue Ermittlung und Abrechnung der betreffenden Kostenarten vermieden werden. Daher sei als Voraussetzung eines Auskunftsanspruchs zu verlangen, dass der Mieter konkrete Anhaltspunkte für eine Veränderung der betreffenden Nebenkosten vortragen müsse. Diese Anhaltspunkte könne der Mieter sowohl aus den Medien, beispielsweise bezüglich der Müllgebühr, als auch aus den Umständen des Einzelfalles, beispielsweise bei Abschaffung eines Gärtners oder Hausmeisters, erhalten.


Derartige Anhaltspunkte hätten die Kläger (Mieter) hier nicht vorgetragen. Insbesondere sei die durch die Mieter zu erfolgende Treppenhausreinigung in der Anlage B zum Mietvertrag geregelt. Auch der Betriebskostenspiegel der Stadt K. aus dem Jahr 2008 helfe nicht weiter, da dieser sich nicht auf das konkrete Gebäude beziehe. Gleiches gelte für den Betriebskostenspiegel aus dem Jahr 2004, der sich auf ganz Deutschland beziehe.


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II. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass den Klägern (Mietern) ein Anspruch aus § 242 BGB auf Auskunft über die Höhe der von der vereinbarten Pauschale erfassten Betriebskosten nicht zusteht.


1. Soweit die Kläger (Mieter) von der Beklagten (Vermieterin) Auskunft verlangen, weil sie die vereinbarte Betriebskostenpauschale - von Anfang an - für deutlich überhöht halten, weist das Berufungsgericht zutreffend darauf hin, dass die Kläger (Mieter) im Rahmen ihrer Vertragsautonomie die Höhe der Betriebskostenpauschale vereinbart haben. An dieser Vereinbarung müssen sie sich festhalten lassen. Der Vermieter ist grundsätzlich nicht verpflichtet, seine anfängliche Kalkulation einer Betriebskostenpauschale offenzulegen (Rips in Eisenschmid/Wall/Rips, Betriebskostenkommentar, 3. Aufl., Rn. 2402; Schmidt-Futterer/Langenberg, Mietrecht, 10. Aufl., § 556 BGB Rn. 24).


Ein Anspruch auf Offenlegung der anfänglichen Kalkulation der Betriebskosten kann auch nicht aus § 560 Abs. 3 BGB hergeleitet werden. Hiernach ist der Vermieter bei einer Ermäßigung der Betriebskosten verpflichtet, die Betriebskostenpauschale entsprechend herabzusetzen. Die Vorschrift gilt aber nicht für von vornherein zu hoch angesetzte Pauschalen (MünchKommBGB/Schmid, 5. Aufl., § 560 Rn. 23).


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2. Danach kann ein Auskunftsanspruch des Mieters zur tatsächlichen Höhe der von einer Pauschale abgedeckten Betriebskosten gemäß § 242 BGB nur in Betracht kommen, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine nachträgliche Ermäßigung der Betriebskosten bestehen. Denn ohne einen solchen Auskunftsanspruch wäre dem Mieter keine Kontrolle möglich, ob der Vermieter seiner Pflicht aus § 560 Abs. 3 BGB nachgekommen ist, die Betriebskostenpauschale bei einer Ermäßigung der Betriebskosten entsprechend herabzusetzen. Dabei sind Ermäßigungen einzelner Betriebskosten nicht relevant, wenn sie durch Erhöhungen in anderen Bereichen ausgeglichen werden (SchmidtFutterer/Langenberg, aaO, § 560 BGB Rn. 40).


a) Allerdings wird im mietrechtlichen Schrifttum teilweise angenommen, dass dem Mieter ein solcher Auskunftsanspruch nach Ablauf eines jeden Jahres zustehe, ohne dass es der Darlegung besonderer Anhaltspunkte für eine Ermäßigung der von der Pauschale erfassten Betriebskosten bedürfe, da sich erfahrungsgemäß die Höhe der Gesamtbelastung von Jahr zu Jahr ändere (MünchKommBGB/Schmid, aaO, § 560 Rn. 26; Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl., § 560 Rn. 18; Sternel, Mietrecht Aktuell, 4. Aufl., Rn. IV 430; Rips in Eisenschmid/Wall/Rips, aaO, Rn. 2414 a).


Dem kann - wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat – in dieser Weite nicht gefolgt werden. Nach zutreffender Auffassung besteht der Auskunftsanspruch nur dann, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich die von der Pauschale erfassten Betriebskosten insgesamt ermäßigt haben (Schmidt-Futterer/Langenberg, aaO, § 560 Rn. 124; Staudinger/Weitemeyer, BGB, Neubearb. 2011, § 560 Rn. 44; Kinne in Kinne/Schach/ Bieber, Miet- und Mietprozessrecht, 6. Aufl., § 560 Rn. 64). Denn nach dem Sinn und Zweck der vereinbarten Pauschale ist der Vermieter grundsätzlich nicht zur Abrechnung verpflichtet.


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Die gemäß § 556 Abs. 2, § 560 BGB - vorbehaltlich anderweitiger Vorschriften - zulässige Vereinbarung einer Betriebskostenpauschale erspart dem Vermieter die genaue Abrechnung der Betriebskosten und entlastet ihn damit von dem ansonsten jährlich anfallenden Arbeitsaufwand. Stünde dem Mieter demgegenüber - jährlich – ohne Weiteres ein Auskunftsanspruch über die tatsächliche Höhe der anfallenden Betriebskosten zu, würde diese Arbeitserleichterung für den Vermieter entfallen, während der Mieter den mit der Pauschale verbundenen Vorteil behielte, zumindest vorerst von einem auch zukünftig gleichbleibenden, festen Betrag der Betriebskosten ausgehen zu können (Schmidt-Futterer/Langenberg, aaO, § 556 BGB Rn. 24). Eine solche Unausgewogenheit widerspräche dem Sinn und Zweck der vereinbarten, im beiderseitigen Interesse liegenden Pauschale. Deshalb kann dem Mieter ein Auskunftsanspruch über die tatsächliche Höhe der von einer Pauschale abgedeckten Nebenkosten nur dann zustehen, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine - nachträgliche - Ermäßigung der Betriebskosten ohne Kompensation in anderen Bereichen bestehen.


b) Das Berufungsgericht hat entgegen der Auffassung der Revision rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Kläger (Mieter) hier keine zureichenden Anhaltspunkte für eine nachträgliche Ermäßigung der tatsächlich anfallenden Betriebskosten dargelegt haben. Weder der Betriebskostenspiegel der Stadt K. aus dem Jahr 2008 noch derjenige für das gesamte Land aus dem Jahr 2004 sind geeignet, eine nachträgliche Ermäßigung der Betriebskosten für die konkrete, von den Klägern (Mietern) gemietete Wohnung darzulegen.


BGH, Urteil vom 16. November 2011

- VIII ZR 106/11 -


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