Bundesgerichtshof Entscheidungen

Zur Ernsthaftigkeit und Konkretisierung des Nutzungsinteresses des Vermieters bei einer Eigenbedarfskündigung - VIII ZR 297/14 -


Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23.9.2015 folgende Entscheidung verkündet:

BGB § 573 Abs. 2 Nr. 2

Ein - auf vernünftige, nachvollziehbare Gründe gestützter - Eigennutzungswunsch rechtfertigt die Kündigung des Mietverhältnisses nur dann, wenn er vom Vermieter auch ernsthaft verfolgt wird und bereits hinreichend bestimmt und konkretisiert ist. Eine bislang nur vage oder für einen späteren Zeitpunkt verfolgte Nutzungsabsicht rechtfertigt eine Eigenbedarfskündigung (noch) nicht.


Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 13. Oktober 2014 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Kammer des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen


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Sachverhalt (Tatbestand):

Die Klägerin (Vermieterin) ist Eigentümerin eines Mehrfamilienhauses in Bonn mit 15 Wohnungen. Mit Vertrag vom 28. Januar 1987 vermietete sie den Beklagten zu 1 und 2 (Mietern) eine Dreizimmerwohnung im dritten Obergeschoss sowie mit weiterem Vertrag vom 18. März 1988 zusätzlich eine 21 qm große separate Mansardenwohnung, in der mittlerweile der erwachsene Sohn der Beklagten zu 1 und 2 (Mieter) wohnt. Die monatliche Miete beläuft sich für beide Wohnungen auf insgesamt 460,62 € zuzüglich Nebenkosten. In § 18 des Mietvertrags über die Mansarde ist vereinbart:

"Das Mietverhältnis ist seitens der Vermieterin nur gleichzeitig mit dem Mietverhältnis für die Wohnung im 3. OG links kündbar, wobei sich die Kündigungsfrist nach dem älteren Mietverhältnis richtet."


Beide Mietverträge wurden im Auftrag der Klägerin (Vermieterin) mit Schreiben vom 28. März 2012 zum 30. Juni 2013 gekündigt. Zur Begründung ist im Kündigungsschreiben ausgeführt, dass die Klägerin (Vermieterin) in die Wohnung in der dritten Etage selbst einziehen wolle und die Mansarde - nach einem geplanten Umbau - als Teil einer für die Tochter vorgesehenen Maisonettewohnung benötigt würde.

Da die Beklagten (Mieter) nicht auszogen, wurde die für die Tochter vorgesehene Wohnung zunächst ohne Einbeziehung der Mansarde umgebaut. Die Wohnfläche der neuen Wohnung, in die die Tochter der Klägerin im August 2013 mit ihrem Ehemann und zwei Kindern eingezogen ist, beträgt 197 qm. Die Tochter möchte die Mansarde nach wie vor mit ihrer Wohnung verbinden und dort ein Gästezimmer kombiniert mit einem weiteren Arbeitszimmer einrichten.


Das Amtsgericht hat die Räumungsklage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstreben die Beklagten (Mieter) die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.


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Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse - ausgeführt:

Nach dem Akteninhalt und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung stehe für die Kammer fest, dass die Klägerin (Vermieterin) einen Nutzungs- bzw. Überlassungswillen im Hinblick auf beide Wohnungen der Beklagten (Mieter) habe. Aus der individualvertraglichen Verknüpfung, die die Parteien zwischen beiden Mietverträgen hergestellt hätten, ergebe sich, dass die Kündigung nur wirksam sei, wenn der geltend gemachte Eigenbedarf an allen Räumen beider Wohnungen bestehe. Diese Voraussetzung sei hier erfüllt, die Klägerin (Vermieterin) habe sowohl den Wunsch, die Mansarde für den Ausbau der Maisonnettewohnung der Tochter zu nutzen als auch ihren Eigenbedarf an der Wohnung der Beklagten (Mieter) im dritten Obergeschoss bewiesen. Das Amtsgericht habe nach der Anhörung der Klägerin (Vermieterin) einen ernsthaften Nutzungswunsch verneint, weil die Klägerin (Vermieterin) nicht plausibel begründet habe, warum nicht eine andere Wohnung als die von den Beklagten (Mietern) bewohnte in demselben Objekt und mit denselben Eigenschaften in Betracht gekommen sei. Hieraus den Schluss zu ziehen, dass die Klägerin (Vermieterin) keinen ernsthaften Eigennutzungswunsch habe, halte rechtlicher Prüfung nicht stand.


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Die Klägerin (Vermieterin) habe bei ihrer Anhörung nachvollziehbar ausgeführt, dass sie von dem angemieteten Objekt, in dem sie jetzt lebe, zurück in ihr Eigentum ziehen wolle. Es sei auch ohne weiteres plausibel, dass die Klägerin (Vermieterin) in ihr Haus ziehen wolle, in das jetzt auch die Tochter mit ihrer Familie gezogen sei. Es sei ebenfalls nachvollziehbar, dass die Klägerin (Vermieterin) behauptet habe, besser auf die Enkelkinder aufpassen zu können, wenn sie vor Ort sei. Dass die Klägerin (Vermieterin) angegeben habe, die Wohnung der Beklagten (Mieter) im dritten Obergeschoss deswegen zur Deckung ihres Eigenbedarfs ausgesucht zu haben, weil es die Koppelung mit der Mansarde gebe, stehe der Behauptung der Klägerin (Vermieterin), in die Wohnung der Beklagten (Mieter) im dritten Obergeschoss einziehen zu wollen, nicht entgegen. Es handele sich dabei lediglich um ein zusätzliches Motiv, das die Klägerin (Vermieterin) bewogen haben möge, gerade die Wohnung, die die Beklagten (Mieter) gemietet hätten, für die Realisierung ihres Eigenbedarfswunsches auszuwählen.


Die Kündigung der Klägerin (Vermieterin) sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt rechtsmissbräuchlich, dass sie eine in Betracht kommende Alternativwohnung etwa einen Monat vor der Kündigung anderweit vermietet habe. Denn es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin (Vermieterin) bereits bei Abschluss des neuen Mietvertrags über die Erdgeschosswohnung am 29. Februar 2012 bewusst gewesen sei, dass sie den Beklagten (Mietern) kurze Zeit später wegen Eigenbedarfs kündigen werde. Die von der Kammer vernommenen Zeugen K. und J. hätten bekundet, dass sich das Gespräch mit den Beklagten (Mietern) am 21. Februar 2012 auf die Mansarde beschränkt habe; die Wohnung der Beklagten (Mieter) in der dritten Etage oder eine Eigenbedarfskündigung seien nicht Thema des Gesprächs gewesen. Dies hätten auch die Beklagten (Mieter) in ihrer Anhörung bestätigt.


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II. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Räumungsanspruch der Klägerin (Vermieterin) aus § 546 Abs. 1, § 985 BGB nicht bejaht werden. Das Berufungsgericht hat bei seiner Würdigung, dass der von der Klägerin (Vermieterin) geltend gemachte Eigenbedarf tatsächlich bestehe, einen unzutreffenden Maßstab angelegt und wesentliche Umstände außer Betracht gelassen.


1. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Kündigung der Klägerin (Vermieterin) allerdings nicht schon deshalb unwirksam, weil sie entgegen § 573 Abs. 3 BGB nicht ausreichend begründet worden wäre. Der Zweck dieser Vorschrift besteht darin, dem Mieter zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition zu verschaffen und ihn dadurch in die Lage zu versetzen, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen (vgl. BT- Drucks. 6/1549, S. 6 f. zu § 564a Abs. 1 Satz 2 BGB aF). Diesem Zweck wird im Allgemeinen Genüge getan, wenn das Kündigungsschreiben den Kündigungsgrund so bezeichnet, dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden kann. Eine solche Konkretisierung ermöglicht es dem Mieter, der die Kündigung nicht hinnehmen will, seine Verteidigung auf den angegebenen Kündigungsgrund auszurichten, denn eine Auswechselung des Kündigungsgrundes ist dem Vermieter verwehrt.


Bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs ist daher grundsätzlich die An-gabe der Person, für die die Wohnung benötigt wird, und die Darlegung des Interesses, das diese Person an der Erlangung der Wohnung hat, ausreichend (Senatsurteil vom 30. April 2014 - VIII ZR 284/13, NJW 2014, 2102 Rn. 7 mwN). Diese Angaben enthält das Kündigungsschreiben der Klägerin (Vermieterin). Entgegen der Auffassung der Revision bedurfte es keiner Erläuterung, wie viele Arbeitszimmer die Familie benötigte.


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2. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Klägerin (Vermieterin) nur kündigen durfte, wenn bezüglich beider Wohnungen Eigenbedarf bestand. Denn bei Abschluss des Mietvertrags über die Mansarde haben die Parteien in § 18 eine Kündigung der Beklagten (Mieter) davon abhängig gemacht, dass auch die weitere Wohnung gekündigt wird. Diese Kündigungsbeschränkung ist dahin auszulegen, dass eine Kündigung nur zulässig ist, wenn der Kündigungsgrund (Eigenbedarf) sich auf beide Wohnungen bezieht.


3. Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht einen Eigenbedarf der Klägerin (Vermieterin) bezüglich der Mansarde bejaht. Denn die Klägerin (Vermieterin) wollte diese Räume ihrer Tochter zur Verfügung stellen, damit sie mit einer weiteren Wohnung in der vierten Etage und Räumen im Dachgeschoss zu einer Maisonnettewohnung umgebaut werden konnten. Entgegen der Auffassung der Revision ist dieser Eigenbedarf auch nicht innerhalb der Kündigungsfrist dadurch entfallen, dass der Umbau zunächst ohne die von den Beklagten (Mietern) nicht geräumte Mansarde vorgenommen wurde und die Umbaupläne dahin geändert wurden, dass das Treppenhaus innerhalb der Wohnung anderweit realisiert wurde und die Mansarde nunmehr mittels eines Mauerdurchbruchs für ein Arbeits- und/oder Gästezimmer mit der Maisonnettewohnung verbunden werden soll.


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4. Ebenfalls ohne Erfolg rügt die Revision die Würdigung des Berufungsgerichts zur Frage rechtsmissbräuchlichen Verhaltens.


a) Insbesondere hat das Berufungsgericht einen "weit überhöhten" Bedarf (vgl. dazu Senatsurteil vom 4. März 2015 - VIII ZR 166/14, NJW 2015, 1590 Rn. 15 f., zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt) im Hinblick auf den großzügigen Zuschnitt der Wohnung der Tochter rechtsfehlerfrei verneint.


b) Die von der Klägerin (Vermieterin) ausgesprochene Kündigung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil die Klägerin (Vermieterin) die Wohnung im Erdgeschoss zum 1. März 2012 neu vermietet hat, ohne sie zuvor den Beklagten (Mietern) anzubieten. Denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte die Klägerin (Vermieterin) im Zeitpunkt der Neuvermietung der Erdgeschosswohnung eine Kündigung des Mietverhältnisses mit den Beklagten zu 1 und 2 (Mietern) noch nicht in Betracht gezogen, so dass auch kein Anlass bestand, diese Wohnung den Beklagten (Mietern) anzubieten.


Die weitere Frage, ob die Verletzung einer etwaigen Anbietpflicht die Eigenbedarfskündigung als rechtsmissbräuchlich erscheinen lässt, wie der Senat in der Vergangenheit angenommen hat (vgl. Senatsurteil vom 13. Oktober 2010 - VIII ZR 78/10, NJW 2010, 3775 Rn. 14 f.) oder ob eine derartige Pflichtverletzung nur zu Schadensersatzansprüchen führt, bedarf hier deshalb keiner Entscheidung.


Soweit die Revision geltend macht, das Berufungsgericht hätte die Klägerin (Vermieterin) zur Frage der Kenntnis informatorisch anhören müssen, zeigt sie nicht auf, dass die Beklagten (Mieter) eine entsprechende, vom Berufungsgericht übergangene Anregung geäußert hätten.


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c) Entgegen der Auffassung der Revision ist die Kündigung der Klägerin (Vermieterin) auch nicht im Hinblick darauf rechtmissbräuchlich, dass die Beklagten (Mieter) damals ihren todkranken, inzwischen verstorbenen Sohn in der Wohnung betreuten; hierbei handelte es sich vielmehr um Umstände, die ein Verlangen nach einer (ggf. zeitweisen) Fortsetzung des Mietverhältnisses nach § 574 BGB hätten rechtfertigen können.


5. Nicht zu beanstanden ist ferner die Würdigung des Berufungsgerichts, dass der von der Klägerin (Vermieterin) angegebene Wunsch, selbst in die Wohnung der Beklagten (Mieter) im dritten Obergeschoss einzuziehen, um dort - entsprechend dem Wunsch ihrer Tochter - einfacher auf die Enkelkinder aufpassen zu können, auf nachvollziehbaren, vernünftigen Gründen beruht.


6. Das Berufungsgericht hat aber bei der Würdigung der Ernsthaftigkeit des von der Klägerin (Vermieterin) angegebenen Nutzungswunsches einen unzutreffenden Maßstab angelegt. Denn für eine Kündigung wegen Eigenbedarfs gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB reicht ein noch unbestimmtes Interesse einer möglichen späteren Nutzung (so genannte Vorratskündigung) nicht aus; vielmehr muss sich der Nutzungswunsch so weit "verdichtet" haben, dass ein konkretes Interesse an einer alsbaldigen Eigennutzung besteht. Die Umstände, die dies im Steitfall objektiv zweifelhaft erscheinen ließen, hat das Berufungsgericht unter Verstoß gegen § 286 ZPO außer Betracht gelassen.


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a) Das Amtsgericht hat seine Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Umzugswunsches der Klägerin (Vermieterin) damit begründet, dass die Klägerin (Vermieterin) bei ihrer persönlichen Anhörung den Eigenbedarf nur "zaghaft" vorgebracht habe; sie habe auch nicht angeben können, dass sie sich überhaupt Gedanken darüber gemacht habe, warum sie von mehreren Dreizimmerwohnungen in dem Anwesen die Wohnung der Beklagten (Mieter) als ihre künftige Wohnung gewählt habe. Dies hat das Amtsgericht - in lebensnaher Würdigung - dazu veranlasst, an der Ernsthaftigkeit des Nutzungswunsches der Klägerin (Vermieterin) zu zweifeln. Denn die Annahme, dass sich ein Vermieter, der - wie die Klägerin - Eigentümer eines Hauses mit 15 Wohnungen ist und bisher in einem Einfamilienhaus wohnt, sich vor einem Umzug im Seniorenalter nicht im Einzelnen überlegt, welche Anforderungen er an den neuen Lebensmittelpunkt stellt und welche der ihm gehörenden Wohnungen nach Größe, Lage und Zuschnitt für seine eigenen Zwecke am besten geeignet ist, ist lebensfremd.


Zwar hat das Berufungsgericht richtig gesehen, dass das Motiv, über einen erklärten Eigennutzungswunsch an der Dreizimmerwohnung auch die Mansarde für die Tochter zurück zu erhalten, die Möglichkeit, dass die Klägerin (Vermieterin) tatsächlich in die Dreizimmerwohnung der Beklagten (Mieter) einziehen will, nicht ausschließt. Es ist auch denkbar, dass die Klägerin (Vermieterin) unter mehreren im Wesentlichen gleich geeigneten Wohnungen im Interesse ihrer Tochter die Wohnung der Beklagten (Mieter) gerade deshalb ausgewählt hat, weil die Mansarde nur gemeinsam mit der Dreizimmerwohnung gekündigt werden konnte. Dass sich die Klägerin (Vermieterin) aber, wie das Amtsgericht aufgrund der wortkargen Angaben der Klägerin (Vermieterin) zu ihrem Eigennutzungswunsch nachvollziehbar angenommen hat, über ihre Wünsche und die Eignung der Wohnung der Beklagten (Mieter) für ihre Bedürfnisse keine näheren Gedanken gemacht hat, ist ein Umstand, der die erforderliche Ernsthaftigkeit und Konkretisierung des angegebenen Nutzungswunsches zumindest in Frage stellt. Denn ein noch unbestimmter, vager Nutzungswusch kann eine Eigenbedarfskündigung (noch) nicht rechtfertigen.


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Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Würdigung des Amtsgerichts, das eine Umzugsabsicht der Klägerin (Vermieterin) angesichts der von ihm dargelegten Zweifel nicht für erwiesen erachtet hat, auch nicht mit Rechtsfehlern behaftet. Das Amtsgericht hat weder einen unzutreffenden Maßstab angelegt noch ist ihm bei seiner Würdigung sonst ein Rechtsfehler unterlaufen. Vielmehr hat es seine Überzeugung maßgeblich auf den persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit der Klägerin (Vermieterin) und der Glaubhaftigkeit ihrer Schilderung über das Bestehen konkreten und ernsthaften Umzugswillens gestützt.


Dass das Berufungsgericht die in der Berufungsverhandlung anwesende Klägerin (Vermieterin) selbst erneut angehört hat, ist weder dem Verhandlungsprotokoll noch den Urteilsgründen eindeutig zu entnehmen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat das Berufungsgericht einen Zeugen jedoch erneut zu hören, wenn es von der Würdigung des erstinstanzlichen Gerichtes hierzu abweichen will (BGH, Urteil vom 8. Dezember 1999 - VIII ZR 340/98, NJW 2000, 1199 unter II 2 a, Beschluss vom 10. November 2010 - IV ZR 122/09, NJW 2011, 1364 Rn. 6, jeweils mwN). Für die Anhörung einer Partei nach § 141 ZPO gilt nichts anderes, insbesondere, wenn es - wie hier - um den Nachweis innerer Tatsachen (Umzugsabsicht) geht, für die eine Parteianhörung regelmäßig geboten ist (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 1998 - I ZR 32/96, NJW 1999, 363 un- ter II 2 a zur Parteivernehmung nach § 448 ZPO).


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b) Ferner hat sich das Berufungsgericht nicht hinreichend mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass die Klägerin (Vermieterin) den von ihr vorgebrachten Entschluss, die Wohnung der Beklagten (Mieter) wieder selbst zu nutzen, nach den von ihm getroffenen Feststellungen erst kurz vor der am 28. März 2012 ausgesprochenen Eigenbedarfskündigung gefasst haben kann.


Bei dem Gespräch zwischen der Tochter der Klägerin (Vermieterin) und den Beklagten (Mietern) am 21. Februar 2012 wurde ausschließlich darüber gesprochen, ob die Beklagten (Mieter) zur Aufgabe der Mansarde bereit wären und stand ein Umzug der Klägerin (Vermieterin) noch nicht im Raum. Weiter hat das Berufungsgericht - wie sich aus seinen Feststelllungen zu einer Anbietpflicht bezüglich der Erdgeschosswohnung ergibt - angenommen, dass die Klägerin (Vermieterin) sogar noch am 29. Februar 2012, als sie die freigewordene Erdgeschosswohnung erneut vermietete, einen Umzug in eine ihrer Wohnungen in dem Mehrfamilienhaus in Bonn noch nicht ernsthaft in Betracht gezogen hat, sondern es allenfalls aufgrund von Gesprächen mit der Tochter "für möglich gehalten haben mag, dass eine Eigenbedarfskündigung künftig hinsichtlich der Mansarde und dann auch hinsichtlich der von der Beklagten (Mietern) bewohnten Wohnung erforderlich werden würde".


Nach der Lebenserfahrung erscheint es aber wenig plausibel, dass die für die persönlichen Lebensumstände der Klägerin (Vermieterin) weitreichende Entscheidung, das bisher von ihr bewohnte Einfamilienhaus und somit den bisherigen Lebensmittelpunkt in S. alsbald zugunsten der Dreizimmerwohnung der Beklagten (Mieter) in Bonn aufzugeben, derart kurzfristig gefasst wurde. Auch dies spricht dafür, dass der von der Klägerin (Vermieterin) vorgebrachte Nutzungswunsch, wenn nicht sogar vorgeschoben, so doch zumindest noch nicht hinreichend bestimmt und konkret gewesen ist, als sie am 28. März 2012 die Eigenbedarfskündigung ausgesprochen hat. Denn dass sich in dem kurzen Zeitraum zwischen der Vermietung der Erdgeschosswohnung und dem Ausspruch der Kündigung an wesentlichen Umständen der Entscheidungsfindung etwas geändert haben könnte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.


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6. Die Verfahrensrüge der Revision bezüglich der unterbliebenen Vernehmung der Nachbarin als Zeugin hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet. Von einer näheren Begründung sieht er insoweit ab (§ 564 Satz 2 ZPO).


III. Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die nicht entscheidungsreife Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dabei macht der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch.


BGH, Urteil vom 23. September 2015

- VIII ZR 297/14 -


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