Tel. 040 - 555 99 999 Fax: 040 - 34 54 88
Bundesgerichtshof Entscheidungen
Formell wirksame Ausübung eines gegebenen Kündigungsrechts ist nicht Voraussetzung für eine Schadensersatzpflicht - VIII ZR 191/12 -
Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im Juli 2013 entschieden, dass die von einem sachlichen Grund zur fristlosen Kündigung getragene Kündigung eines Mietverhältnisses, auch wenn sie an einem formellen Mangel leidet, einem auf § 536a Abs. 1 BGB gestützten Ersatz derjenigen Schäden nicht entgegen steht, die darauf beruhen, dass der Mieter bestehende Mängel der Mietwohnung berechtigterweise zum Anlass nimmt, wegen einer nicht mehr vorhandenen Tauglichkeit der Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch eine den Umständen nach angemessene neue Wohnung anzumieten.
BGB § 536a
Die Kündigung eines Mietverhältnisses, die von einem sachlichen Grund zur fristlosen Kündigung getragen ist, steht, auch wenn sie an einem formellen Mangel leidet, einem auf § 536a Abs. 1 BGB gestützten Ersatz derjenigen Schäden nicht entgegen, die darauf beruhen, dass der Mieter bestehende Mängel der Mietwohnung berechtigterweise zum Anlass nimmt, wegen einer nicht mehr vorhandenen Tauglichkeit der Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch eine den Umständen nach angemessene neue Wohnung anzumieten (Fortführung des Senatsurteils vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 281/06, WuM 2007, 570).
Zum Seitenanfang - Übersicht -
Zum Seitenende - Übersicht nur zum Mietrecht
Tenor:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 25. Mai 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Sachverhalt (Tatbestand):
Die Kläger (Mieter), die im Jahre 2003 eine in W. gelegene Wohnung der Beklagten (Vermieterin) gemietet haben, machen neben einem Kautionsrückzahlungsanspruch und einem Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten Schadensersatz geltend, den sie darauf stützen, dass sie aufgrund von Schimmelbildung in der Mietwohnung zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt gewesen seien. Nachdem sie Anfang Januar 2010 einen Schimmelbefall bemängelt und die Beklagte (Vermieterin) unter Fristsetzung bis zum 24. Januar 2010 vergeblich zur Beseitigung aufgefordert hatten, verlangten sie mit Anwaltsschreiben vom 8. Februar 2010 erneut eine Beseitigung des Schimmelbefalls bis zum 25. Februar 2010 und drohten für den Fall der Fristversäumung die Kündigung des Mietverhältnisses an. Ob diesem Schreiben eine Originalvollmacht des Rechtsanwalts beigefügt war, ist streitig. Mit weiterem Anwaltsschreiben vom 1. März 2010 kündigten sie das Mietverhältnis wegen der in ihren Ursachen streitigen Schimmelbildung fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31. Mai 2010. Die Beklagte (Vermieterin) ließ diese Kündigung mit Schreiben vom 9. März 2010 unter anderem deshalb zurückweisen, weil der Kündigung unstreitig keine Vollmacht beigelegen hat.
Zum Seitenanfang - Übersicht -
Zum Seitenende - Übersicht nur zum Mietrecht
Die Kläger (Mieter) räumten die Wohnung am 31. März 2010 und bezogen eine zwischenzeitlich angemietete andere Wohnung. Den ihnen hierdurch entstandenen Schaden einschließlich einer Mietdifferenz für die ersten drei Monate beziffern sie auf 5.946,31 € zuzüglich der Kosten für die vorgerichtliche Einholung eines Sachverständigengutachtens in Höhe von 2.191,31 € zur Feststellung des Schimmelbefalls und seiner Ursachen sowie vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten von 1.177,62 €, und zwar jeweils nebst Zinsen. Darüber hinaus wollen sie eine Verpflichtung der Beklagten (Vermieterin) zum Ersatz eines Mietdifferenzschadens von monatlich 140 € für mindestens drei Jahre festgestellt wissen. Ferner begehren sie die Rückzahlung der von ihnen in Höhe von 1.480 € geleisteten Mietkaution nebst Zinsen; hiergegen rechnet die Beklagte (Vermieterin) ihrerseits mit Nachzahlungsansprüchen aus einer früheren Nebenkostenabrechnung sowie rückständigen Mietzinsansprüchen für die Zeit ab März 2010 auf.
Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger (Mieter) ihr Klagebegehren in vollem Umfang weiter.
Zum Seitenanfang - Übersicht -
Zum Seitenende - Übersicht nur zum Mietrecht
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Es könne dahin stehen, ob überhaupt ein Mangel der Mietsache durch den Schimmel vorliege und ob dieser Mangel von Anfang an vorhanden gewesen sei. Zwar könne ein Kündigungsfolgeschaden unter Umständen durchaus unter den nach § 536a BGB zu ersetzenden Schaden fallen. Logische Voraussetzung für einen Kündigungsfolgeschaden sei aber - wovon offensichtlich auch der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 13. Juni 2007 (VIII ZR 281/06) ausgegangen sei - eine wirksame Kündigung des Mieters aufgrund des Schadens. An einer solchen wirksamen Kündigung fehle es hier, weil die Beklagte (Vermieterin) die durch Anwaltsschreiben erklärte Kündigung der Kläger (Mieter) vom 1. März 2010 wegen der fehlenden Beifügung einer Originalvollmacht gemäß § 174 BGB unverzüglich zurückgewiesen habe.
Zum Seitenanfang - Übersicht -
Zum Seitenende - Übersicht nur zum Mietrecht
II. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Denn das Berufungsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der von den Klägern (Mietern) begehrte Schadensersatz ungeachtet der von ihnen geltend gemachten Mängel der Mietwohnung und der hierauf gestützten Kündigung allein schon daran scheitere, dass die Kündigung aus einem formellen Grund nicht wirksam ausgesprochen worden sei.
1. Nach § 536a Abs. 1 BGB kann der Mieter wegen eines Mangels der Mietsache, der bei Vertragsschluss vorhanden ist, später wegen eines Umstands entsteht, den der Vermieter zu vertreten hat, oder mit dessen Beseitigung der Vermieter in Verzug gekommen ist, unbeschadet seiner Rechte aus § 536 BGB Schadensersatz verlangen. Das Berufungsgericht hat es - nach seinem Standpunkt folgerichtig - dahin stehen lassen, ob die Mieträume wegen einer von Anfang an in bauseitigen Ursachen angelegten Schimmelbildung mängelbehaftet sind. Für das Revisionsverfahren sind deshalb das Vorhandensein dieser Mängel und die nach den Behauptungen der Kläger (Mieter) davon ausgehende Gesundheitsgefahr zu unterstellen. Da die Beklagte (Vermieterin) ihre Verantwortlichkeit für die zu unterstellenden Mängel in Abrede genommen hat und eine ihr zur Mängelbeseitigung gesetzte Frist fruchtlos hat verstreichen lassen, ist damit zugleich von einem Recht der Kläger (Mieter) auszugehen, den Mietvertrag gemäß § 543 Abs. 1 und 3, § 569 Abs. 1 BGB fristlos zu kündigen.
Zum Seitenanfang - Übersicht -
Zum Seitenende - Übersicht nur zum Mietrecht
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hängt die Ersatzpflicht für die geltend gemachten Schäden, auch soweit es um diejenigen Schadensposten geht, welche durch den - unterstellt - mangelbedingten Umzug der Kläger (Mieter) in eine andere Wohnung veranlasst sind, nicht von der Wirksamkeit des Ausspruchs der danach an sich berechtigten Kündigung der Kläger ab. Das Erfordernis der Wirksamkeit des Kündigungsausspruchs unabhängig vom Vor- liegen eines Kündigungsgrundes ergibt sich - anders als das Berufungsgericht meint - insbesondere nicht aus dem von ihm in Bezug genommenen Senatsurteil vom 13. Juni 2007 (VIII ZR 281/06, WuM 2007, 570 Rn. 9). Soweit dort ausgeführt ist, dass nach der ständigen, im Einzelnen näher bezeichneten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Mietvertragspartei, die durch eine von ihr zu vertretende Vertragsverletzung die andere Partei zu einer wirksamen außerordentlichen Kündigung des Mietvertrages veranlasst hat, dieser Partei zum Ersatz des hierdurch verursachten Schadens verpflichtet ist, ist es genauso wie in weiteren Fallgestaltungen (vgl. Senatsurteile vom 6. Februar 1974 - VIII ZR 239/72, WuM 1974, 213 unter II 1; vom 3. Juni 1992 - VIII ZR 138/91, BGHZ 118, 282, 294 f.) - immer nur um Fragen des Kündigungsgrundes und der Ersatzpflicht für hierdurch verursachte Schäden gegangen. Mit der Frage, ob zusätzliche Voraussetzung für eine Ersatzpflicht auch die formell wirksame Ausübung eines gegebenen Kündigungsrechts ist, hat sich der Senat indessen nicht befasst.
Zum Seitenanfang - Übersicht -
Zum Seitenende - Übersicht nur zum Mietrecht
Diese Frage entscheidet der Senat nunmehr dahin, dass die von einem sachlichen Grund zur fristlosen Kündigung getragene Kündigung eines Mietverhältnisses, auch wenn sie - wie hier - an einem formellen Mangel leidet, einem auf § 536a Abs. 1 BGB gestützten Ersatz derjenigen Schäden nicht entgegen steht, die darauf beruhen, dass der Mieter bestehende Mängel der Mietwohnung berechtigterweise zum Anlass nimmt, wegen einer nicht mehr vorhandenen Tauglichkeit der Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch eine den Umständen nach angemessene neue Wohnung anzumieten. Für eine zusätzliche Einschränkung der Ersatzpflicht des Vermieters dahingehend, dass diese ungeachtet des Kündigungsgrundes, der dadurch herausgeforderten Anmietung der Ersatzwohnung und einer damit einhergehenden Freigabe der bisherigen Wohnung erst mit Ausspruch einer auch formell in jeder Hinsicht wirksamen Kündigung entstehen soll, gibt der Wortlaut des § 536a Abs. 1 BGB nichts her. Dieser knüpft für die Schadensersatzpflicht des Vermieters vielmehr nur an das sachliche Vorliegen der dort beschriebenen Mängel oder den Verzug mit der Mängelbeseitigung und einen dadurch verursachten Schaden an.
Zum Seitenanfang - Übersicht -
Zum Seitenende - Übersicht nur zum Mietrecht
II. Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, weil das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zum Vorhandensein der behaupteten Mängel und deren Kündigungserheblichkeit getroffen hat. Ebenso wenig hat es bislang Feststellungen zum (Fort-)Bestand des Mietverhältnisses und einer davon abhängigen Fälligkeit des Kautionsguthabens sowie zu Bestand und Höhe der dagegen zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen getroffen. Der Rechtsstreit ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
BGH, Urteil vom 3. Juli 2013
- VIII ZR 191/12 -
Sollten Sie Fragen zu der Entscheidung haben und hierzu eine telefonische Rechtsberatung wünschen, rufen Sie uns gern an !
Tel. 040 - 555 99 999
Zum Seitenanfang - Übersicht -