Bundesgerichtshof Entscheidungen

Neuer Eigentümer der Mietwohnung muss auch vom Voreigentümer nicht erhaltene Kaution an den Mieter zurückzahlen - VIII ZR 304/10 -


Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im Juni 2011 folgende den Schutz der Mieter hervorhebende Entscheidung zur Rückzahlung der Mietkaution verkündet:

BGB § 566a

Infolge einer nach Inkrafttreten von § 566a BGB erfolgten Veräußerung vermieteten Wohnraums tritt der Erwerber auch dann in die durch die Zahlung der Kaution an den ursprünglichen Vermieter begründeten Rechte und Pflichten ein, wenn es zuvor - noch unter der Geltung des § 572 BGB aF - weitere Veräußerungsgeschäfte gegeben hat und die Kaution in der Kette der vorangegangenen Vermieter nicht weitergeleitet worden war (im Anschluss an Senatsurteil vom 9. März 2005 - VIII ZR 381/03, NZM 2005, 639 unter II 2b).


Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 28. Oktober 2010 aufgehoben.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Wilhelmshaven vom 15. Juni 2010 im Kostenpunkt und insoweit abgeändert, als hinsichtlich der Klage zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist.

Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin 480,39 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. November 2009 zu zahlen.

Die Kosten der ersten Instanz werden gegeneinander aufgehoben. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren haben die Beklagten zu tragen.

Von Rechts wegen


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Sachverhalt (Tatbestand):

Die Klägerin war bis Ende Mai 2009 Mieterin einer Wohnung der Beklagten (Vermieter) in W. . Das Mietverhältnis war im Jahr 1987 mit dem damaligen Eigentümer B. begründet worden, an den die Klägerin (Mieterin) die vereinbarte Kaution gezahlt hat. Das Mietobjekt wurde zunächst im Jahr 1993 veräußert; im Jahr 2004 wurde es im Wege der Zwangsversteigerung von einem weiteren Eigentümer erworben, der es seinerseits im Jahr 2005 an die Beklagten (Vermieter) veräußerte.


Die Klägerin (Mieterin) hat Rückzahlung der Kaution begehrt, insgesamt 480,39 € nebst Zinsen, die Beklagten (Vermieter) haben widerklagend Zahlung rückständiger Betriebskosten in Höhe von 1.006,58 € nebst Zinsen begehrt. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage unter Abweisung im Übrigen in Höhe von 749,71 € stattgegeben. Das Landgericht hat die gegen die Abweisung der Klage gerichtete Berufung der Klägerin (Mieterin) zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin (Mieterin) ihr Klagebegehren weiter.


Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Der Klägerin (Mieterin) stehe gegen die Beklagten (Vermieter) kein Anspruch auf Rückzahlung der an den ursprünglichen Vermieter erbrachten Kaution zu. Die Rückzahlung der Mietkaution richte sich nach § 556a BGB und - bei einem Erwerbsvorgang vor dem 1. September 2001 - wegen des Fehlens einer Übergangsregelung nach § 572 BGB aF.


§ 566a BGB setze voraus, dass der Mieter die Kaution an den Vermieter gezahlt habe. Im Verhältnis zum zweiten Vermieter der Klägerin (Mieterin) werde diese Frage durch § 572a BGB aF beantwortet. Dieser sei nur im Falle der Weiterleitung der Kaution durch den ursprünglichen Vermieter zur Rückzahlung verpflichtet. Da dies nicht feststehe, fehle es an der Tatbestandsvoraussetzung des § 566a BGB. Denn der dritte Vermieter der Klägerin (Mieterin) und die Beklagten als vierte Vermieter könnten nur in die Rechtsposition eintreten, die bereits ihr Rechtsvorgänger gehabt habe, wie sich auch aus § 566 BGB ergebe. Die Kette der Kautionsschuldner sei hier bereits beim Erwerb des zweiten Vermieters unterbrochen.


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II. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es nicht darauf an, ob der ursprüngliche Vermieter die Kaution bei der Veräußerung des Mietobjekts im Jahr 1993 an den ersten Erwerber weitergeleitet hat. Denn die Beklagten (Vermieter) haben das Mietobjekt im Jahr 2005 erworben und sind deshalb nach § 566a BGB in die durch Zahlung der Kaution an den ursprünglichen Vermieter begründeten Rechte und Pflichten eingetreten. Dies gilt unabhängig davon, ob die Kaution in der Kette der vorangegangenen Vermieter an sie weitergeleitet worden ist.


1. Im Ansatzpunkt zutreffend stellt das Berufungsgericht darauf ab, dass es in Art. 229 § 3 EGBGB für die Anwendung des neuen § 566a BGB, der die frühere Regelung des § 572 BGB aF abgelöst hat, keine Übergangsregelung gibt. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geht das Berufungsgericht ferner davon aus, dass deshalb auf Erwerbsvorgänge, die vor dem Inkrafttreten des § 566a BGB am 1. September 2001 stattgefunden haben, noch § 572 BGB aF Anwendung findet. Denn anderenfalls würde das berechtigte Vertrauen eines Erwerbers, der bei Vertragsschluss entsprechend der zu diesem Zeitpunkt gültigen gesetzlichen Regelung davon ausgehen durfte, dass er nur für eine an ihn weitergeleiteten Kaution einzustehen hatte, enttäuscht und der gesetzlichen Neuregelung eine unzulässige "echte" Rückwirkung beigelegt (Senatsurteil vom 9. März 2005 - VIII ZR 381/03, NZM 2005, 639, unter II 2 b (1); vgl. auch BGH, Urteil vom 24. Juni 2009 - XII ZR 145/07, NJW-RR 2009, 1164 Rn. 10 f.).


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2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts findet § 556a BGB hier jedoch uneingeschränkt Anwendung, weil die Beklagten (Vermieter) die an die Klägerin (Mieterin) vermietete Wohnung erst im Jahr 2005 und somit unter der Geltung des § 566a BGB erworben haben. Dem steht auch nicht entgegen, dass einer der Rechtsvorgänger der Beklagten (Vermieter) die Mietwohnung schon 1993, also noch unter der Geltung des § 572 BGB aF, erworben hatte. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts setzt § 566a BGB keine ununterbrochene "Kautionskette" in der Weise voraus, dass bei einer Folge von Veräußerungsgeschäften, die - wie hier - teils vor und teils nach der Neuregelung liegen, auch der unter der Geltung der Neuregelung erwerbende Vermieter für die Rückzahlung der dem ursprünglichen Vermieter erbrachten Kaution nur haftet, wenn auch sämtliche frühere Vermieter einer entsprechenden Haftung ausgesetzt waren.


Die Vorschrift des § 566a BGB dient dem Schutz des Mieters und soll ein Auseinanderfallen von Kaution und Mietvertrag vermeiden. Dem Mieter sollen Schwierigkeiten bei der Durchsetzung der Ansprüche aus der Kaution gegenüber dem unter Umständen schon lange aus dem Mietverhältnis ausgeschiedenen Vermieter, dessen Aufenthalt dem Mieter häufig nicht bekannt sein wird, erspart werden (vgl. BR-Drucks. 439/00, abgedruckt in NZM 2001, 20, 27; BT-Drucks. 14/5663, S. 81). Dieser Schutzzweck greift auch dann ein, wenn nacheinander mehrere Veräußerungen stattgefunden haben, von denen - wie hier - eine noch vor dem Inkrafttreten des § 566a BGB erfolgt ist. Dann haftet zwar, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, der erste Erwerber nur unter den Voraussetzungen des § 572 BGB aF, also wenn der Mieter die Weiterleitung der Kaution an ihn beweisen kann. Weitere Erwerber, die das Mietobjekt erst nach dem Inkrafttreten des § 566a BGB gekauft haben, werden dadurch aber nicht begünstigt; sie haften nach § 566a BGB und können sich weder darauf berufen, dass sie die Kaution nicht erhalten haben, noch geltend machen, dass ein früherer Veräußerer, der selbst noch unter der Geltung des § 572 BGB aF erworben hat, der Haftung des § 566a BGB nicht unterlag. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts folgt aus § 566 BGB nicht, dass die Haftung der Erwerbers nicht weiter gehen kann als die des veräußernden früheren Vermieters, denn die Haftung des Erwerbers bezüglich der Kaution richtet sich nach der insoweit weitergehenden Bestimmung des § 566a BGB.


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Diesem Haftungsrisiko kann der Vermieter, der das Mietobjekt nach Inkrafttreten des § 566a BGB erwirbt, dadurch begegnen, dass er bei Abschluss des Kaufvertrags dafür Sorge trägt, dass ihm entweder die Kaution ausgehändigt wird oder der Umstand, dass er dem Mieter gegenüber in jedem Fall in die Pflichten aus der Kaution eintritt, bei der Preisgestaltung berücksichtigt wird. Auch bei dem Erwerb eines vermieteten Grundstücks in der Zwangsversteigerung nach Inkrafttreten des § 566a BGB kann der Erwerber die ihn gegenüber dem Mieter treffende Verpflichtung aus der Kaution bei der Kalkulation seines Gebotes berücksichtigen. Gesichtspunkte der (echten) Rückwirkung spielen keine Rolle, wenn das Veräußerungsgeschäft nach dem Inkrafttreten des § 566a BGB erfolgt ist. Dass es während der Dauer des Mietverhältnisses zuvor schon unter § 572 BGB aF fallende Veräußerungsgeschäfte gegeben hat, die mangels Weiterleitung der Kaution an den damaligen Erwerber dessen Haftung für die Kaution nicht herbeigeführt haben, steht der Haftung eines nach der Gesetzesänderung eingetretenen Erwerbers nach § 566a BGB somit nicht entgegen (ebenso Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 10. Aufl., § 566a BGB Rn. 3).


III. Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat entscheidet in der Sache selbst, da es keiner weiterer Feststellungen bedarf (§ 563 Abs. 1 ZPO). Dies führt zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils hinsichtlich der Klage und zur Verurteilung der Beklagten (Vermieter) zur Rückzahlung der Kaution nebst Zinsen.


BGH, Urteil vom 01.06.2011

-– VIII ZR 304/10 –-


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