Bundesgerichtshof Entscheidungen

Keine Minderung der Nutzungsentschädigung bei auftretendem Mangel der Mietsache nach Vertragsbeendigung – XII ZR 66/13 –


Der unter anderem für das Gewerbemietrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Mai 2015 folgende Entscheidung verkündet:

BGB § 546 a

a) Eine erstmals nach Vertragsbeendigung eingetretene Verschlechterung der Mietsache, die beim Fortbestehen des Mietverhältnisses eine Minderung der Miete zur Folge gehabt hätte, führt grundsätzlich nicht dazu, den Anspruch des Vermieters auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung in entsprechender Anwendung von § 536 BGB herabzusetzen (Fortführung von BGH Urteil vom 7. Dezember 1960 - VIII ZR 16/60 - NJW 1961, 916).

b) Etwas anderes gilt nur dann, wenn den Vermieter nach Treu und Glauben im Rahmen des Abwicklungsverhältnisses ausnahmsweise eine nachvertragliche Pflicht zur Beseitigung von Mängeln der vorenthaltenen Mietsache trifft.


Tenor:

Die Revision gegen den Beschluss des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 5. März 2013 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen


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Sachverhalt (Tatbestand):

Die Parteien streiten um Nutzungsentschädigung nach der Beendigung eines Mietverhältnisses über Geschäftsräume.


Im Mai 2004 vermietete der Kläger (Vermieter) dem Beklagten (Mieter) ein Ladenlokal zum Betrieb eines Lebensmittelgeschäfts. Zuletzt war eine monatliche Miete in Höhe von 3.436 € (2.940 € Kaltmiete zuzüglich 496 € Nebenkostenvorauszahlung) vereinbart.


Nachdem der Kläger (Vermieter) das Mietverhältnis zum 31. Mai 2010 ordentlich gekündigt hatte, wurde der Beklagte (Mieter) in einem anschließenden Räumungsrechtsstreit im April 2011 rechtskräftig zur Räumung des Mietobjekts verurteilt. Der Beklagte (Mieter) räumte das Ladenlokal zunächst nicht, zahlte jedoch bis Dezember 2011 einen monatlichen Betrag in Höhe der vereinbarten Miete an den Kläger (Vermieter) weiter. Danach leistete er keine Zahlungen mehr. Der Beklagte (Mieter) räumte das Mietobjekt Ende April 2012.


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Mit seiner Klage macht der Kläger (Vermieter) eine nach der vollen vertraglich vereinbarten Miete bemessene Nutzungsentschädigung für die Monate Januar bis März 2012 in einer Gesamthöhe von 10.308 € geltend. Der Beklagte (Mieter) ist der Klage entgegentreten und hat behauptet, dass es zwischen September 2011 und April 2012 in den gemieteten Räumen insgesamt fünf - auf mangelhafte Dachentwässerung infolge verstopfter Fallrohre und Dachtraufen zurückzuführende - Wasserschäden gegeben habe, welche die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache im streitgegenständlichen Zeitraum erheblich gemindert hätten. Zudem seien durch die Wasserschäden Waren im Wert von rund 62.000 € vernichtet worden; mit entsprechenden Schadenersatzansprüchen erkläre er hilfsweise die Aufrechnung.


Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten (Mieters) hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte (Mieter) sein Begehren nach Klageabweisung weiter.


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Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.


I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Nach § 546 a Abs. 1 BGB könne der Vermieter, dem das Mietobjekt in der Zeit nach Ende des Mietvertrages vorenthalten wird, als Mindestentschädigung den Betrag verlangen, der zur Zeit der Beendigung des Mietverhältnisses als vereinbarte Miete zu entrichten war. Zwar regele § 546 a BGB keinen Schadensersatzanspruch, sondern einen vertraglichen Anspruch eigener Art. Dieser sei aber nicht von einer Gegenleistung abhängig, denn der frühere Vermieter schulde nach Beendigung des Mietverhältnisses keine Gebrauchsüberlassung mehr. Vielmehr schulde der frühere Mieter die Herausgabe des Mietobjekts. Es sei daher nicht widersprüchlich, wenn der frühere Vermieter auf Fortzahlung der ungekürzten Nutzungsentschädigung bestehe, auch wenn sich nach Ende des Mietverhältnisses am Mietobjekt Mängel gezeigt haben sollten. Der Beklagte (Mieter) könne sich auch nicht darauf berufen, dass ein "Minderungsfall" bereits bei Beendigung des Mietverhältnisses vorgelegen habe. Er ziehe als Schadensursache eine Verstopfung von Traufen und Fallrohren in Betracht. Es sei aber nicht ersichtlich und nicht mit Substanz behauptet, dass dieser schadensträchtige Zustand bereits bei Ende des Mietverhältnisses, also ein Jahr und vier Monate vor dem ersten angeblichen Schadensfall vorhanden gewesen sei.


Auch der zur Hilfsaufrechnung gestellte Schadensersatzanspruch stehe dem Beklagten (Mieter) nicht zu, weil der Kläger (Vermieter) nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht mehr zur Instandhaltung der Dachentwässerung verpflichtet gewesen sei. Es sei auch nicht ersichtlich, dass er während der Dauer des Mietverhältnisses gegen eine bis dahin möglicherweise bestehende Pflicht verstoßen habe.


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II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand.

1. Zutreffend hat das Berufungsgericht zunächst angenommen, dass der Kläger (Vermieter), dem das Mietobjekt im Zeitraum nach der Beendigung des Mietverhältnisses (Juni 2010) bis zur Räumung durch den Beklagten (Mieter) (April 2012) vorenthalten worden ist, im hier streitgegenständlichen Zeitraum von Januar bis März 2012 dem Grunde nach eine Nutzungsentschädigung gemäß § 546 a Abs. 1 BGB in Höhe der zuletzt vereinbarten Miete verlangen kann. Nach den - insoweit von der Revision nicht angegriffenen - Feststellungen des Berufungsgerichts lagen die von dem Beklagten (Mieter) behaupteten Mängel bei der Dachentwässerung jedenfalls im Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses am 31. Mai 2010 noch nicht vor.


2. Ohne Rechtsirrtum geht das Berufungsgericht davon aus, dass eine erstmals nach Beendigung des Mietverhältnisses eingetretene Verschlechterung der Mietsache, die beim Fortbestehen des Mietverhältnisses eine Minderung der Miete (§ 536 Abs. 1 BGB) zur Folge gehabt hätte, jedenfalls unter den hier obwaltenden Umständen nicht zu einer Herabsetzung des Anspruchs auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung führt.


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a) Die maßgebliche Rechtsfrage hat der Bundesgerichtshof im Jahr 1960 entschieden (BGH Urteil vom 7. Dezember 1960 - VIII ZR 16/60 - NJW 1961, 916 f.) und ausgesprochen, dass es für den Anspruch des Vermieters auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung unerheblich sei, ob sich der Mietwert der vorenthaltenen Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses (weiter) verringert habe. Aus § 536 Abs. 1 BGB (früher § 537 BGB a.F.) ergebe sich nichts anderes. Die Mietminderung sei eine kraft Gesetzes eintretende Änderung der Vertragspflicht. Daraus folge zugleich, dass bei Vorenthaltung einer Mietsache, deren Mietwert im Augenblick der Beendigung des Mietverhältnisses gemindert gewesen sei, sich auch der Mindestbetrag des Schadens, den der Vermieter als Nutzungsentschädigung verlangen könne, nach diesem geminderten Mietzins richte, weil der kraft Gesetzes geminderte Betrag der im Augenblick der Beendigung des Mietverhältnisses vereinbarte Mietzins sei (vgl. dazu auch Senatsur- teile BGHZ 179, 361 = NJW 2009, 1488 Rn. 25 und vom 21. März 2001 - XII ZR 241/98 - NJOZ 2001, 1084, 1086 f.; BGH Urteil vom 21. Februar 1990 - VIII ZR 116/89 - NJW-RR 1990, 884, 885). Demgegenüber könne sich der frühere Mieter nicht darauf berufen, dass während der Vorenthaltung der Mietsache eine weitere Verschlechterung der Mietsache eingetreten und die Nutzungsentschädigung daher (weiter) zu mindern sei. Denn die bei einem bestehenden Mietverhältnis kraft Gesetzes eintretende Abänderung der Vertragspflicht des Mieters zur Zahlung der Miete folge aus der besonderen Verpflichtung des Vermieters, seinem Mieter den vertragsmäßigen Gebrauch der Sache fortgesetzt zu gewähren; diese Verpflichtung entfalle mit Beendigung des Mietverhältnisses. Der Vermieter könne daher trotz weiterer Verschlechterung der ihm vorenthaltenen Mietsache den letzten Mietzins als "Mindestschaden" weiter fordern (BGH Urteil vom 7. Dezember 1960 - VIII ZR 16/60 - NJW 1961, 916).


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Dieser Entscheidung haben sich in der Folgezeit die obergerichtliche Rechtsprechung (OLG Düsseldorf DWW 1992, 52, 53; ZMR 2001, 447 und Grundeigentum 2007, 514, 515; OLG München Urteil vom 29. Januar 2015 - 23 U 3353/14 - juris Rn. 17 und ZMR 1993, 466, 468; KG ZMR 2013, 26, 27; OLG Brandenburg Urteil vom 1. Oktober 2007 - 3 U 10/07 - juris Rn. 20; ebenso LG Rostock Urteil vom 3. Mai 2012 - 3 O 447/10 - juris Rn. 25) und weite Teile der Literatur angeschlossen (Staudinger/Rolfs BGB [Stand: 2014] § 546 a Rn. 42; Erman/Lützenkirchen BGB 13. Aufl. § 546 a Rn. 8; Palandt/Weidenkaff BGB 74. Aufl. § 546 a Rn. 11; Wolf/Eckert/Ball Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts 10. Aufl. Rn. 1131; Blank/Börstinghaus Miete 3. Aufl. § 546 a Rn. 27; Scheuer/Emmerich in Bub/Treier Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 4. Aufl. Kap. V.A Rn. 132; Pietz/Oprée in Lindner- Figura/Oprée/Stellmann Geschäftsraummiete 3. Aufl. Kap. 16 Rn. 69; Sternel Mietrecht aktuell 4. Aufl. Rn. XIII 114; Lammel Wohnraummietrecht 3. Aufl. § 546 a Rn. 25; Gerber/Eckert/Günter Gewerbliches Miet- und Pachtrecht 8. Aufl. Rn. 651; Stangl in Harz/Riecke/Schmid Handbuch des Fachanwalts Miet- und Wohnungseigentumsrecht 4. Aufl. Kap. 14 Rn. 612; BeckOK BGB/ Ehlert [Stand: Oktober 2012] § 546 a Rn. 13; Kinne Grundeigentum 2007, 825, 826; noch weitergehend Lehmann-Richter PiG 90 [2011], 199, 204, der dem Vermieter die ungekürzte Nutzungsentschädigung in der Vorenthaltungszeit auch dann zuerkennen will, wenn der Mieter bei Vertragsende nur eine geminderte Miete schuldete).


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b) Die vorgenannte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat in jüngerer Zeit allerdings auch Kritik aus dem Schrifttum erfahren (vgl. MünchKommBGB/Bieber 6. Aufl. § 546 a Rn. 10; Soergel/Heintzmann BGB 13. Aufl. § 546 a Rn. 13; Schmidt-Futterer/Streyl Mietrecht 11. Aufl. § 546 a Rn. 69; Kandelhard in Herrlein/Kandelhard Mietrecht 3. Aufl. § 546 a Rn. 21; Kossmann/Mayer-Abich Handbuch der Wohnraummiete 7. Aufl. § 96 Rn. 14; BeckOGK-BGB/Zehelein [Stand: Oktober 2014] § 546 a Rn. 66; Derleder WuM 2011, 551, 555). Diese knüpft im rechtlichen Ausgangspunkt vor allem daran an, dass der Bundesgerichtshof den Nutzungsentschädigungsanspruch gemäß § 546 a BGB (früher § 557 BGB a.F.) in den Gründen seiner Entscheidung aus dem Jahr 1960 noch ausdrücklich als "reinen Schadensersatzanspruch" angesehen habe, während er in späterer Zeit von dieser Sichtweise abgerückt sei und den Anspruch auf Nutzungsentschädigung in seiner nunmehr ständigen Rechtsprechung als einen vertraglichen Anspruch eigener Art behandele, der an die Stelle des weggefallenen Anspruches auf Miete getreten sei (vgl. BGHZ 68, 307, 310 = NJW 1977, 1335, 1336; BGHZ 90, 145, 151 = NJW 1984, 1527, 1528; BGHZ 104, 285, 290 = NJW 1988, 2665, 2666; BGH Beschluss vom 20. November 2002 - VIII ZB 66/02 - NJW 2003, 1365).


Wenn aber der Anspruch auf Nutzungsentschädigung vertraglicher oder vertragsähnlicher Natur sei, müsse nach Ansicht der Gegenmeinung auch das Prinzip der Äquivalenz zwischen Leistung und Gegenleistung im Grundsatz erhalten bleiben (vgl. Schmidt-Futterer/Streyl Mietrecht 11. Aufl. § 546 a Rn. 69). Zwar sei es zutreffend, dass es nach Ende des Mietverhältnisses keine erzwingbare Rechtspflicht des Vermieters zur Beseitigung von nachträglichen Mängeln der vorenthaltenen Mietsache mehr gebe. Für den Vermieter bestehe allerdings eine Obliegenheit, auch nachträglich entstandene Mängel der Mietsache zu beseitigen; dies sei das notwendige Äquivalent zur weiterhin als Entschädigung erhaltenen Miete (Kandelhard in Herrlein/Kandelhard Mietrecht 3. Aufl. § 546 a Rn. 21). Entscheide sich der Vermieter dafür, die Mängel nicht zu beseitigen und sein Leistungsniveau entsprechend bewusst zu verringern, müsse er konsequenterweise auch die daraus resultierenden Folgen für die Höhe seines Nutzungsentschädigungsanspruches hinnehmen. Alles andere liefe auf eine Bestrafung des Mieters und damit auf eine unzulässige Druckausübung hinaus (Schmidt-Futterer/Streyl Mietrecht 11. Aufl. § 546 a Rn. 69).


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c) Der letztgenannten Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen.


aa) Das Mietverhältnis hat sich nach seiner Beendigung in ein gesetzliches Schuldverhältnis verwandelt, in dem Rechte und Pflichten bestehen, die sich inhaltlich aus dem bisherigen Mietverhältnis ergeben. Da dieses Schuldverhältnis aber vorübergehender Natur und gerade auf Abwicklung angelegt ist, ergeben sich in der Vorenthaltungszeit beträchtliche Einschränkungen gegenüber den früheren mietvertraglichen Rechtsbeziehungen (Scheuer/Emmerich in Bub/Treier Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 4. Aufl. Kap. V.A Rn. 115; Staudinger/Rolfs BGB [Stand: 2014] § 546 a Rn. 6). Mit Beendigung des Mietverhältnisses erlischt insbesondere die Pflicht des Vermieters, die Mietsache gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB in einem vertragsgemäßen Zustand zu erhalten (Senatsurteil BGHZ 180, 300 = NJW 2009, 1947 Rn. 16). Der frühe- re Mieter hat daher im Rahmen des Abwicklungsverhältnisses nach allgemeiner Ansicht grundsätzlich keinen Anspruch auf Mangelbeseitigung gegen den Vermieter mehr.


bb) Die Auffassung, dass den Vermieter im Falle einer (weiteren) Verschlechterung der Mietsache während der Vorenthaltungszeit eine Obliegenheit zur Mangelbeseitigung treffe, deren Verletzung eine Minderung der Nutzungsentschädigung entsprechend § 536 Abs. 1 BGB nach sich ziehen müsse, lässt sich mit dem Zweck des § 546 a Abs. 1 BGB nicht vereinbaren.


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(1) Bereits in den Motiven zum Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuches ist die besondere Bedeutung der Vorschrift darin gesehen worden, den Anspruch des Vermieters auf Nutzungsentschädigung in der Vorenthaltungszeit "ein für alle Mal" auf einen Mindestbetrag zu bestimmen und Streitigkeiten zwischen den früheren Vertragsparteien über die Höhe dieses Anspruchs "in ebenso einfacher wie angemessener Weise abzuschneiden" (Motive II, S. 415, zitiert bei Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. II S. 231 f.). § 546 a Abs. 1 BGB soll dem Vermieter einen leicht durchsetzbaren Ersatzanspruch gewähren, der in seiner Höhe weder davon abhängig ist, ob und inwieweit dem Vermieter aus der Vorenthaltung der Mietsache ein wirtschaftlicher Schaden erwachsen ist, noch davon, ob der Mieter aus der vorenthaltenen Mietsache einen dem Wert der von ihm zu entrichtenden Nutzungsentschädigung entsprechenden Nutzen hat ziehen können (BGH Urteil vom 5. Oktober 2005 - VIII ZR 57/05 - NZM 2006, 52 zur Wohnraummiete; BGHZ 107, 123, 128 = NJW 1989, 1730, 1732 und BGH Urteil vom 13. April 2005 - VIII ZR 377/03 - NJW-RR 2005, 1081 zum Finanzierungsleasing). Damit stünde es nicht in Einklang, wenn sich der Vermieter in der Vorenthaltungszeit generell mit der Einwendung auseinandersetzen müsste, dass der frühere Mieter wegen einer nachträglichen mangelbedingten Verschlechterung der Mietsache keinen ausreichenden Gegenwert für die von ihm verlangte Nutzungsentschädigung mehr erhalte.


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(2) Der Bundesgerichtshof hat vor diesem Hintergrund auch in späteren Entscheidungen ausdrücklich betont, dass durch die Regelung des § 546 a Abs. 1 BGB (§ 557 BGB a.F.) durchaus zusätzlicher Druck auf den früheren Mieter ausgeübt werden soll, die vertraglich geschuldete Rückgabe der Mietsache zu vollziehen (BGHZ 107, 123, 128 = NJW 1989, 1730, 1732; BGH Urteil vom 5. Oktober 2005 - VIII ZR 57/05 - NZM 2006, 52). Insoweit würden gegenläufige Anreize gesetzt werden, wenn es dem Mieter in jedem Fall der (weiteren) Verschlechterung der Mietsache gestattet wäre, sich auf die Minderung der Nutzungsentschädigung in entsprechender Anwendung mietrechtlicher Ge- währleistungsvorschriften berufen zu können. Durch den Ausschluss der Minderung wird dem Anspruch auf Nutzungsentschädigung kein Sanktionierungs- oder Bestrafungscharakter beigelegt, der mit seiner vertraglichen oder vertragsähnlichen Natur nicht in Einklang zu bringen wäre. Vielmehr ist das schuldrechtliche Verhältnis der Vertragsparteien in der Vorenthaltungszeit nur noch auf Abwicklung und damit auf Rückgabe der Mietsache angelegt, die vom Willen des Mieters abhängig ist. Könnte sich der Mieter in der Vorenthaltungszeit auf jede weitere Verschlechterung der Mietsache berufen, um eine Kürzung des Anspruchs auf Nutzungsentschädigung zu erreichen, würde ihn dies in seinem Willen zur weiteren - widerrechtlichen - Vorenthaltung der Mietsache nur bestärken (vgl. bereits BGH Urteil vom 7. Dezember 1960 - VIII ZR 16/60 - NJW 1961, 916, 917) und damit gerade den Zweck des schuldrechtlichen Abwicklungsverhältnisses gefährden.


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d) Dies bedeutet allerdings nicht, dass im Fall einer nachträglichen Verschlechterung der Mietsache in der Vorenthaltungszeit eine Herabsetzung des Nutzungsentschädigungsanspruchs unter entsprechender Anwendung des mietvertraglichen Gewährleistungsrechts schlechthin ausgeschlossen wäre.


aa) Auch innerhalb des bestehenden Abwicklungsverhältnisses können nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB einzelne Verpflichtungen des Vermieters aus dem beendeten Mietvertrag noch nach der Vertragsbeendigung fortbestehen. Solche Pflichten können sich im Einzelfall aus der Eigenart des beendeten Mietvertrags oder den besonderen Belangen des Mieters ergeben; zu diesen Pflichten kann im Einzelfall auch die Erhaltung des - nach den Bestimmungen des beendeten Mietvertrags - vertragsgemäßen Zustands gehören. Insoweit bestehen nachvertragliche Verpflichtungen des Vermieters allerdings nur, als sie seinen berechtigten Interessen im Abwicklungsverhältnis nicht in einer Weise zuwiderlaufen, die ihm die Übernahme dieser Pflichten unzumutbar macht (Senatsurteil BGHZ 180, 300 = NJW 2009, 1947 Rn. 16).


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bb) Unter Anwendung dieser Grundsätze hat der Senat für die Geschäftsraummiete bereits entschieden, dass der Vermieter zur Abwendung eines bei seinem früheren Mieter durch eine Versorgungssperre drohenden hohen Schadens zur Fortsetzung der Versorgung der vorenthaltenen Mieträume mit Wasser, Strom und Heizenergie verpflichtet sein kann, wenn dem Mieter eine Räumungsfrist gewährt worden ist und dem Vermieter wegen der regelmäßigen Entrichtung der Nutzungsentschädigung kein wirtschaftlicher Schaden entsteht (Senatsurteil BGHZ 180, 300 = NJW 2009, 1947 Rn. 16).


cc) Nach diesen Maßstäben ist auch die Frage zu beurteilen, ob den Vermieter im Abwicklungsverhältnis eine Verpflichtung zur Beseitigung von Mängeln der vorenthaltenen Mietsache trifft, die - wie hier - über die Erfüllung allgemeiner und jedem Dritten gegenüber zu erfüllenden Verkehrssicherungspflichten hinausgeht.


Dies wird schon im Ausgangspunkt nur der Fall sein, wenn durch das Unterlassen von Maßnahmen zur Instandhaltung oder Instandsetzung der Mietsache akute und schwerwiegende Gefahren für Leben, Gesundheit oder hohe Eigentumswerte des Mieters drohen (vgl. auch LG Berlin MDR 1992, 478, 479; Pietz/Oprée in Lindner-Figura/Oprée/Stellmann Geschäftsraummiete 3. Aufl. Kap. 16 Rn. 98; Scheuer/Emmerich in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 4. Aufl. Kap. V.A Rn. 115).


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Aber auch eine besonders hohe Gefahr für Rechtsgüter des früheren Mieters vermag für sich genommen noch keine nachvertragliche Mangelbeseitigungspflicht des Vermieters zu begründen. Denn der frühere Mieter hat es grundsätzlich selbst zu verantworten, dass er widerrechtlich noch im Besitz der Mietsache ist, und es liegt in seiner Hand, sich den durch den Zustand der Mietsache drohenden Gefahren für seine Rechtsgüter dadurch zu entziehen, dass er die geschuldete Rückgabe der Mietsache an den Vermieter vollzieht. Eine Mangelbeseitigungspflicht des Vermieters kann daher als Ausfluss nachvertraglicher Pflichten nach Treu und Glauben nur in solchen Konstellationen angenommen werden, in denen die fortgesetzte Vorenthaltung der Mietsache durch den früheren Mieter in einem milderen Licht erscheint. Davon wird jedenfalls dann auszugehen sein, wenn und soweit gesetzliche Regeln - insbesondere die Vollstreckungsschutzvorschriften (§§ 721, 765 a ZPO) - dem Mieter eine Weiterbenutzung der Mietsache gestatten (vgl. auch Lehmann-Richter PiG 90 [2011], 199, 206). Es ist aber auch an solche Fälle zu denken, in denen der Mieter - etwa während eines Streits um die Wirksamkeit einer von dem Vermieter ausgesprochenen Kündigung - mit nachvollziehbaren Erwägungen davon ausgehen durfte, weiterhin zum Besitz der Mietsache berechtigt zu sein. So liegt der Fall hier aber offensichtlich nicht, zumal der Beklagte bereits vor dem Auftreten der von ihm behaupteten Mängel der Dachentwässerung rechtskräftig zur Räumung des Mietobjekts verurteilt worden ist.


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dd) Da den Kläger (Vermieter) in Bezug auf die hier streitgegenständlichen Mängel keine nachvertragliche Verpflichtung zur Erhaltung des vertragsgemäßen Gebrauchs trifft, kommt eine Kürzung der Nutzungsentschädigung in entsprechender Anwendung von § 536 BGB nicht in Betracht.


e) Auch im Übrigen stehen Treu und Glauben gemäß § 242 BGB der Geltendmachung des ungekürzten Anspruchs auf Nutzungsentschädigung nicht entgegen.


Zwar hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1960 die Frage aufgeworfen, ob dem Mieter in Ansehung der von ihm geschuldeten Nutzungsentschädigung bei nachträglicher Verschlechterung der vorenthaltenen Mietsache ausnahmsweise über § 242 BGB "geholfen" werden kann; er hat von einer weiteren Erörterung dieses Problems mit der Begründung abgesehen, dass die im damaligen Streitfall in Rede stehende Minderungsquote von lediglich 10 % die Annahme eines solchen Ausnahmefalls ohnehin nicht rechtfertigen würde (BGH Urteil vom 7. Dezember 1960 - VIII ZR 16/60 - NJW 1961, 916). Diese Ausführungen lassen entgegen der Auffassung der Revision aber nicht den Umkehrschluss darauf zu, dass das Verlangen des Vermieters auf Zahlung der ungekürzten Nutzungsentschädigung bei einer deutlich höheren mangelbedingten Minderungsquote gegen Treu und Glauben verstoßen müsste. Auch insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es der Mieter selbst in der Hand hat, sich durch die vertraglich geschuldete Herausgabe der Mietsache seiner Verpflichtung zur Zahlung von Nutzungsentschädigung zu entledigen, wenn ihm die als Nutzungsentschädigung zu zahlende vereinbarte Miete angesichts des Zustands der Mietsache zu hoch ist.


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3. Weil der Kläger nach Maßgabe der vorstehenden Darlegungen seine nachvertraglichen Verpflichtungen aus dem Abwicklungsverhältnis nicht verletzt hat, hat das Berufungsgericht zu Recht erkannt, dass dem Beklagten die zur Hilfsaufrechnung gestellten Schadensersatzansprüche aus § 280 BGB nicht zustehen.


4. Mit Recht hat das Berufungsgericht den Beklagten auch zur Zahlung von Nebenkostenvorauszahlungen verpflichtet. Zur vereinbarten Miete, die gemäß § 546 a BGB als Nutzungsentschädigung zu zahlen ist, gehört neben der Nettokaltmiete auch die Nebenkostenvorauszahlung oder die Nebenkostenpauschale. Über Nebenkostenvorauszahlungen ist entsprechend den Bestimmungen des beendeten Mietvertrags abzurechnen, so dass nach Ablauf der Abrechnungsperiode kein Vorauszahlungsanspruch mehr besteht (OLG Dresden NZM 2012, 84, 88; Scheuer/Emmerich in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 4. Aufl. Kap. V.A Rn. 130; Schmidt-Futterer/Streyl Mietrecht 11. Aufl. § 546 a Rn. 69); die Abrechnungsperiode für die von dem Beklagten zwischen Januar und März 2012 geschuldeten Nebenkostenvorauszahlungen war bei Erlass des die Berufung zurückweisenden Beschlusses noch nicht abgelaufen (vgl. Senatsurteil BGHZ 184, 117 = NJW 2010, 1065 Rn. 33 ff.).


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Zwar ist mittlerweile die Abrechnungsreife eingetreten, und die während des Revisionsverfahrens durch bloßen Zeitablauf eingetretenen unstreitigen bzw. offenkundigen Veränderungen der materiellen Rechtslage sind nach allgemeinen Grundsätzen durch das Revisionsgericht zu berücksichtigen, wenn schützenswerte Belange der Gegenpartei nicht entgegenstehen (vgl. BGH Urteil vom 12. März 2008 - VIII ZR 71/07 - NJW 2008, 1661 Rn. 25; Musielak/Ball ZPO 12. Aufl. § 559 Rn. 10). Solcherart schützenswerte Belange des Klägers (Mieters) sind im vorliegenden Fall aber darin zu erblicken, dass der Vermieter im Revisionsverfahren mit neuem Sachvortrag zur Nebenkostenabrechnung ausgeschlossen wäre und ihm deshalb in diesem Verfahrensstadium die Möglichkeit genommen ist, seinen Antrag wegen der Nebenkosten auf einen Abrechnungssaldo umzustellen.


BGH, Urteil vom 27. Mai 2015

- XII ZR 66/13 -


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