Bundesgerichtshof Entscheidungen

Zur Nachforderung von Betriebskosten aufgrund fehlerhafter Betriebskostenabrechnung nach Ablauf der Abrechnungsfrist - VIII ZR 133/10 -


Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in einer Entscheidung vom März 2011 die geringfügig verspätete Korrektur einer fehlerhaften Betriebskostenabrechnung nach Ablauf der Frist aus § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB für zulässig erachtet und es der Mieterin unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, die Vermieterin an ihrem für die Mieterin offensichtlichen und kurz nach Ablauf der Abrechnungsfrist korrigierten Versehen festzuhalten. Zwar soll der Vermieter eine Betriebskostenabrechnung grundsätzlich nach Ablauf der Frist aus § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB nicht mehr zum Nachteil des Mieters korrigieren können, unabhängig davon, worauf der Fehler der Abrechnung beruht. In dem hier vorliegenden Einzelfall allerdings hat der Bundesgerichtshof dem Umstand Rechnung getragen, dass der der Vermieterin unterlaufene Fehler für die Mieterin auf den ersten Blick erkennbar war.


Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der Zivilkammer 67 des Landgerichts Berlin vom 21. April 2010 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 19. Juni 2010 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Spandau vom 9. September 2009 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.

Von Rechts wegen


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Sachverhalt (Tatbestand):

Die Klägerin ist Vermieterin, die Beklagte Mieterin einer Wohnung in B.. Die Klägerin hatte mit der Nebenkostenabrechnung für 2005 die Vorauszahlungen für die Betriebskosten und Heizkosten ab 2006 erhöht. Der Erhöhungsbetrag ist von der Beklagten (Mieterin) jedoch für die Monate Februar bis November 2007 nicht gezahlt worden. Durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Berlin vom 15. November 2007 ist die erhöhte Vorauszahlungsforderung der Klägerin (Vermieterin) als wirksam anerkannt worden. Mit Datum vom 10. Dezember 2008 erstellte die Klägerin (Vermieterin) die Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2007. In dieser wies die Klägerin (Vermieterin) statt der tatsächlich geleisteten Vorauszahlungen von 1.895,75 € (versehentlich) den erhöhten Betrag der geschuldeten Vorauszahlungen, nämlich 2.640,96 €, aus und kennzeichnete ihn handschriftlich mit "Sollvorauszahlungen". Aus der Abrechnung ergab sich deshalb statt einer Nachforderung von 532,78 € ein Guthaben zugunsten der Beklagten (Mieterin) in Höhe von 203,02 €. Dieses verrechnete die Beklagte (Mieterin) mit der Miete für Januar 2009.


Mit Schreiben vom 14. Januar 2009 korrigierte die Klägerin (Vermieterin) ihre Abrechnung und legte dieser die tatsächlich von der Beklagten (Mieterin) geleisteten Vorauszahlungen zugrunde, so dass nunmehr der tatsächliche Saldo in Höhe von 532,78 € zu Lasten der Beklagten (Mieterin) ausgewiesen wurde. Die Klägerin (Vermieterin) hat Zahlung der Nachforderung von 532,78 €, die restliche Miete für Januar 2009 in Höhe von 203,02 € sowie für Februar 2009 in Höhe von 8,91 € jeweils nebst Zinsen begehrt.


Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten (Mieterin) hat das Landgericht die Klage bis auf den Betrag von 8,91 € nebst Zinsen abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin (Vermieterin) die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.


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Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt:

Die Klägerin (Vermieterin) habe gegen die Beklagte (Mieterin) lediglich einen Anspruch auf Zahlung rückständiger Miete für Februar 2009 in Höhe von 8,91 € aus § 535 Abs. 2 BGB. Dagegen könne sie die Nebenkostenvorauszahlungen für 2007 nicht mehr verlangen, da die Abrechnungsperiode abgelaufen sei und nach der Abrechnung vom 10. Dezember 2008 eine Nachforderung ausgeschlossen sei, weil der Rechnungsabschluss ein Guthaben zugunsten der Beklagten (Mieterin) ausweise.


Nebenkostenvorauszahlungen seien zwar grundsätzlich Teil der Miete gemäß § 535 Abs. 2 BGB. Sie könnten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (VIII ZR 261/06) in bestimmten Fällen auch noch nach Abrechnungsreife verlangt werden, etwa wenn der Vermieter erst nach Fristablauf gemäß § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB abrechne, eine Nachforderung zu Lasten des Mieters ermittle und diese bis zur Höhe der ursprünglich zu leistenden Vorauszahlungen verlange. Anders sei dies jedoch, wenn innerhalb des Abrechnungszeitraums eine in formeller Hinsicht wirksame Abrechnung mit einem Guthaben zugunsten des Mieters erstellt werde, die sich als inhaltlich unrichtig erweise, weil die Vorschüsse zu Lasten des Vermieters zu hoch eingestellt gewesen seien. Dies müsse unabhängig davon gelten, ob der Abrechnung - wie hier - Soll-Vorauszahlungen oder - wie in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall (VIII ZR 190/06) - Ist-Vorauszahlungen zugrunde gelegen hätten.


Nach Ablauf der Frist aus § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB seien Korrekturen der Abrechnung zu Lasten des Mieters nur ausnahmsweise zulässig, etwa wenn dem Vermieter eine vorherige Angabe überhaupt nicht oder nicht korrekt möglich sei, wie beispielsweise bei einer noch nicht oder neu festgesetzten Grundsteuer.

Die Höhe der tatsächlich geleisteten Vorauszahlungen müsse der Vermieter dagegen kennen. Sinn der Abrechnung und der Frist aus § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB sei es, für Vermieter und Mieter in absehbarer Zeit die jeweilige Abrechnungsperiode abschließend zu regeln. Unstreitig seien die Zahlungen der Beklagten (Mieterin) auch nicht zunächst in voller Höhe auf die Vorauszahlungen und erst dann auf die Nettokaltmiete zu verrechnen mit dem Ergebnis, dass letztlich keine Nebenkostenvorauszahlung, sondern nur noch die Nettokaltmiete offen sei.


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II. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Zwar gibt das Berufungsurteil die Rechtsprechung des Senats zum Ausschluss von Nebenkostennachforderungen im Wohnraummietverhältnis gemäß § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB für den Regelfall zutreffend wieder. Allerdings verkennt das Berufungsgericht, dass sich die Beklagte (Mieterin) im hier vorliegenden Fall nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB ausnahmsweise nicht mit Erfolg auf den Ablauf der Ausschlussfrist aus § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB berufen kann.


1. Grundsätzlich kann der Vermieter eine Betriebskostenabrechnung nach Ablauf der Frist aus § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB nicht mehr zum Nachteil des Mieters korrigieren. Das gilt namentlich auch dann, wenn das Ergebnis der erteilten Abrechnung - wie hier - ein Guthaben des Mieters ist (Senatsurteil vom 12. Dezember 2007 - VIII ZR 190/06, WuM 2008, 150 Rn. 12). Die Abrechnungsfrist aus § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB und der durch § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB angeordnete Ausschluss von Nachforderungen nach Fristablauf dienen der Abrechnungssicherheit für den Mieter und sollen Streit vermeiden. Dieser Zweck würde verfehlt, wenn der Vermieter einen Abrechnungsfehler nach Ablauf der Abrechnungsfrist noch zum Nachteil des Mieters korrigieren könnte.


Entgegen der Auffassung der Revision kommt es nicht darauf an, worauf der Fehler der Abrechnung beruht. Vielmehr ist eine nachträgliche Korrektur der Abrechnung grundsätzlich auch dann ausgeschlossen, wenn der Vermieter zugunsten des Mieters irrtümlich höhere als die tatsächlich erbrachten Vorauszahlungen angesetzt und deshalb zu Unrecht ein Guthaben des Mieters oder eine zu geringe Nachforderung errechnet hat.

Dass es sich bei den Nebenkostenvorauszahlungen um einen Teil der Miete handelt, rechtfertigt entgegen der Auffassung der Revision keine andere Wertung. Nach der Rechtsprechung des Senats kann der Vermieter Nebenkosten als Vorauszahlungen nur solange geltend machen, als eine Abrechnung noch nicht erteilt und die Abrechnungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Nach dem Eintritt der Abrechnungsreife kann er nur noch die sich aus der Abrechnung ergebenden Beträge verlangen (Senatsurteil vom 16. Juni 2010 - VIII ZR 258/09, NZM 2010, 736 Rn. 22 mwN).


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2. Das Berufungsgericht hat aber zu Unrecht dem Umstand keine Bedeutung beigemessen, dass der hier der Klägerin (Vermieterin) unterlaufene Fehler für die Beklagte (Mieterin) auf den ersten Blick erkennbar war. Zwischen den von der Beklagten (Mieterin) geleisteten Vorauszahlungen von 1.895,75 € und den zu ihren Gunsten berücksichtigten, in der Abrechnung handschriftlich als "Sollvorschüsse" bezeichneten Vorauszahlungen von 2.640,96 € besteht eine erhebliche Differenz. Zudem hatten die Parteien zuvor gerade über die Erhöhung der Vorauszahlungen auf die von der Klägerin (Vermieterin) in die Abrechnung eingestellten "Sollvorschüsse" einen Rechtsstreit geführt, weil die Beklagte (Mieterin) die Erhöhung nicht akzeptiert und dem entsprechend in den Monaten Februar bis November 2007 Vorschusszahlungen nur in der ursprünglichen Höhe geleistet hatte. Unter diesen Umständen ist es der Beklagten (Mieterin) nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, die Klägerin (Vermieterin) an ihrem für die Beklagte (Mieterin) offensichtlichen und kurz nach Ablauf der Abrechnungsfrist korrigierten Versehen festzuhalten.


III. Hiernach kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat entscheidet in der Sache selbst, da es keiner weiteren Feststellungen bedarf (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.


BGH, Urteil vom 30. März 2011

-– VIII ZR 133/10 –-


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