Bundesgerichtshof Entscheidungen

Räumungsverpflichtung des Mieters auf Grund gerichtlichen Vergleiches bei Verzug mit vereinbarten Ratenzahlungen - VIII ZR 272/08 -


Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im Oktober 2009 entschieden:

BGB § 555

Wird im Rahmen eines Räumungsprozesses zwischen den Parteien eines Wohnraummietverhältnisses in einem Prozessvergleich ein bestimmter Mietrückstand festgestellt und vereinbart, dass der Rückstand ratenweise zu tilgen ist, so stellt die vom Mieter für den Fall der nicht rechtzeitigen Erfüllung der Ratenzahlungspflicht übernommene Verpflichtung, die Mietwohnung zu räumen, jedenfalls dann kein gemäß § 555 BGB unwirksames Vertragsstrafeversprechen dar, wenn im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses der Räumungsanspruch des Vermieters bei Zugrundelegung des im Vergleich festgestellten Mietrückstands begründet war.


Sachverhalt (Tatbestand):

Die Beklagten sind die Vermieter einer von den Klägern angemieteten Doppelhaushälfte in P. . Die monatliche Kaltmiete beträgt 700 €. In einem Vorprozess umgekehrten Rubrums beim Amtsgericht Neumarkt i.d.OPf. schlossen die Parteien am 20. Juli 2007 einen gerichtlichen Vergleich, in dem sie unter anderem vereinbarten:

"I. Zwischen den Parteien wird unstreitig gestellt, dass für die Zeit bis 31. März 2006 keine Mietrückstände bestehen.

Für die Zeit vom 1. April 2006 bis schließlich 31. Dezember 2006 stellen die Parteien die Mietrückstände pauschal mit einem Betrag von 1.900 EUR fest.

II. Die Beklagten verpflichten sich, diesen Rückstand in monatlichen Raten von 200 EUR, beginnend ab Juli 2007 zusätzlich zur fälligen Miete zu bezahlen.

III. Die Miete für das streitgegenständliche Anwesen ... sowie die monatliche Rate von 200 EUR sind jeweils am dritten Werktag eines jeden Monats an die Kläger zu bezahlen. Für die Rechtzeitigkeit der Zahlung kommt es nicht auf die Absendung, sondern auf den Eingang des Geldes an.

...

VI. Sollten die Beklagten hinsichtlich der monatlichen Raten von 200 EUR gemäß Ziff. II und III dieses Vergleiches länger als 14 Tage in Verzug geraten, verpflichten sich die Beklagten bereits jetzt, das Anwesen ... (Doppelhaushälfte mit fünf Zimmern, insgesamt ca. 150 qm Wohnfläche nebst 500 qm Garten Carport) innerhalb von acht Wochen ab Eintritt des Verzuges vollständig zu räumen und geräumt an die Kläger herauszugeben ..."


Die vereinbarten Ratenzahlungen erfolgten zunächst rechtzeitig. Bezüglich der Novemberrate ging am 8. November 2007 nur ein Betrag von 100 € auf dem Konto der Beklagten (Vermieter) ein.

Die Kläger (Mieter) hatten zwar bereits am 2. Oktober 2007 eine weitere Zahlung von 100 € an die Beklagten (Vermieter) veranlasst; wegen einer falsch angegebenen Kontonummer wurde die Überweisung jedoch nicht ausgeführt. Erst am 4. Januar 2008 wurde den Beklagten (Vermietern) die restliche Rate für November gutgeschrieben.

Die Beklagten (Vermieter) verlangten mit Schreiben ihrer anwaltlichen Vertreter vom 26. November 2007 Räumung des Anwesens gemäß den Vereinbarungen in dem Vergleich. Am 28. November 2007 erteilte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle den Beklagten (Vermietern) eine vollstreckbare Ausfertigung des Vergleiches vom 20. Juli 2007.

Die von den Klägern erhobene Vollstreckungsgegenklage mit dem Antrag, die Zwangsvollstreckung aus dem gerichtlichen Vergleich vom 20. Juli 2007 für unzulässig zu erklären, blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger (Mieter) ihr Klagebegehren weiter.


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Entscheidungsgründe:

Die Revision bleibt ohne Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, in Ziffer VI des Vergleichs liege kein nach § 555 BGB unwirksames Vertragsstrafeversprechen. Nicht jede Verfallklausel sei einem Vertragsstrafeversprechen gleichzustellen. Dies sei nur dann der Fall, wenn eine Verfallklausel neben der Fälligstellung einer Leistung noch eine gesonderte Leistung des Vertragspartners vorsehe oder an sich bestehende eigene Rechte des Vertragspartners verloren gingen. Daran fehle es hier.

Der ursprüngliche Rechtsstreit sei von der Unsicherheit gekennzeichnet gewesen, ob die den Gegenstand der damaligen Klage bildenden Ansprüche auf Räumung und Zahlung bestanden hätten. Der subjektive Rechtsverzicht sei daher bereits durch den Vergleich selbst erfolgt, indem - im gegenseitigen Nachgeben - die damaligen Kläger (Vermieter) auf die sofortige Durchsetzung ihres vermeintlichen Räumungsanspruchs und die damaligen Beklagten (Mieter) auf ihr unbeschränktes Nutzungsrecht verzichtet hätten. Entsprechend seien die Parteien beim Zahlungsanspruch aufeinander zugegangen. Wollte man heute die Unsicherheit hinsichtlich der Räumungsverpflichtung zur Begründung einer Vertragsstrafe genügen lassen, würde die damalige Absicht der Parteien, die Rechtsunsicherheit durch den Vergleich aus der Welt zu schaffen, in ihr Gegenteil verkehrt.


Die Vollstreckungsgegenklage habe auch nicht deshalb Erfolg, weil im Vergleich nicht davon die Rede sei, dass auch bei einem Teilverzug mit einer Rate Räumung verlangt werden könne. Nach § 362 BGB erlösche das Schuldverhältnis erst, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt werde. Nach § 266 BGB sei der Schuldner zu Teilleistungen nicht berechtigt. Eine gesonderte vertragliche Regelung für Teilleistungen sei angesichts dieser gesetzlichen Regelung nicht erforderlich gewesen.

Die Vollstreckungsklausel sei auch zu Recht vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle und nicht vom Rechtspfleger erteilt worden, da es sich nicht um eine qualifizierte Klausel im Sinne des § 726 ZPO handele. Maßgebend für diese Beurteilung sei, dass die Parteien einen vollstreckbaren Titel für die Räumungsgläubiger hätten schaffen wollen und die damaligen Kläger (Vermieter) nicht auf einen neuen Rechtsstreit hätten verwiesen werden sollen. Dies ergebe nicht nur die Interessenlage, sondern auch der Wortlaut des Vergleichs, wonach "bereits jetzt" eine Verpflichtung zur Räumung habe anerkannt werden sollen.


Das Räumungsverlangen sei auch nicht deshalb treuwidrig, weil den Klägern (Mietern) - nach ihrer Behauptung - ein Anspruch gegen die Beklagten (Vermieter) in Höhe von 1.469,99 € zustehe. Dieser behauptete Anspruch sei bereits bei Vergleichsabschluss bekannt gewesen. Ihm sei von den Parteien ersichtlich keine Bedeutung beigemessen worden. Deshalb könnten die Kläger (Mieter) sich nun bei Nichterfüllung ihrer im Vergleich übernommenen Pflichten nicht auf eine dem Vergleichsabschluss vorangegangene vermeintliche Pflichtverletzung der Beklagten (Vermieter) berufen.


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II. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand; die Revision ist daher zurückzuweisen. Zu Recht hat das Berufungsgericht das Räumungsverlangen der Beklagten (Vermieter) als berechtigt und die ihnen erteilte Vollstreckungsklausel als wirksam angesehen.

1. Die Regelung in Ziffer VI des Prozessvergleichs vom 20. Juli 2007 stellt weder eine Vertragsstrafe dar, noch sind die Regeln über die Vertragsstrafe auf diese Abrede entsprechend anwendbar. Die Vereinbarung ist daher nicht nach § 555 BGB unwirksam.

a) Gemäß § 555 BGB ist eine Vereinbarung unwirksam, durch die sich der Vermieter eine Vertragsstrafe vom Mieter versprechen lässt.

Unter einer Vertragsstrafe wird das Versprechen einer Zahlung (§ 339 BGB) oder einer anderen Leistung (§ 342 BGB) durch den Schuldner verstanden für den Fall, dass dieser eine Verbindlichkeit nicht oder in nicht gehöriger Weise, insbesondere nicht rechtzeitig (§ 341 BGB) erfüllt.

Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der herrschenden Ansicht in der Literatur auch in dem Verzicht auf eigene Rechte eine Leistung zu sehen sein, die im Einzelfall dazu führen kann, die für die Vertragsstrafe geltenden Vorschriften jedenfalls entsprechend anzuwenden (BGH, Urteil vom 27. Juni 1960 - VII ZR 101/59, NJW 1960, 1568; Urteil vom 8. Oktober 1992 - IX ZR 98/91, NJW-RR 1993, 243, un-ter B I 1 c cc; vgl. auch Urteil vom 21. Februar 1985 - IX ZR 129/84, NJW 1985, 1705, unter II 2 c; MünchKommBGB/Gottwald, 5. Aufl., Vor § 339 Rdnr. 36; Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl., § 555 Rdnr. 4; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 9. Aufl., § 555 BGB Rdnr. 4; Lammel, Wohnraummietrecht, 3. Aufl., § 555 BGB Rdnr. 8; Erman/Jendrek, BGB, 12. Aufl., § 555 Rdnr. 2; Palandt/ Weidenkaff, BGB, 68. Aufl., § 555 Rdnr. 1; differenzierend: Staudinger/Emmerich, BGB (2006), § 555 Rdnr. 3).

Entgegen der Auffassung der Revision verzichteten die Kläger (Mieter) in Ziffer VI des Vergleichs jedoch nicht auf ihnen (eventuell) zustehende Rechte.


Der in dem Vorprozess geltend gemachte Räumungsanspruch der Beklagten (Vermieter) stützte sich auf § 543 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 BGB.

Danach liegt ein Grund für eine den Räumungsanspruch auslösende außerordentliche Kündigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum dann vor, wenn der Mieter entweder für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.

Diese Voraussetzungen lagen bei einer vereinbarten monatlichen Miete von 700 € nach Ziffer I Satz 2 des Vergleichs vom 20. Juli 2007 vor, denn dort stellten die Parteien die Mietrückstände für die Zeit vom 1. April 2006 bis 31. Dezember 2006 pauschal mit einem Betrag von 1.900 € fest. Bei diesem Mietrückstand war der Räumungsanspruch der Beklagten (Vermieter) im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses begründet.


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Damit ist in der Vereinbarung gemäß Ziffer VI des Vergleichs, in der sich die (damaligen) Beklagten (Mieter) für den Fall der Nichterfüllung ihrer Zahlungsverpflichtungen aus dem Vergleich "bereits jetzt" zur Räumung des Anwesens verpflichteten, kein Rechtsverzicht der Kläger (Mieter) zu sehen, sondern ein auflösend bedingter Rechtsverzicht der Beklagten (Vermieter), die ihren an sich begründeten Räumungsanspruch zunächst nicht weiter verfolgten, sondern solange zur Fortsetzung des Mietverhältnisses bereit waren, als die Kläger (Mieter) ihre Zahlungsverpflichtungen aus dem Vergleich erfüllten.

Derartige vergleichstypisch als Belohnung ausgestaltete Verfallklauseln sind grundsätzlich wirksam (Senatsurteile vom 19. Dezember 1979 - VIII ZR 46/79, NJW 1980, 1043, unter II 1 b; vom 8. Juli 1981 - VIII ZR 247/80, NJW 1981, 2686, unter I 2; OLG München, NJW-RR 1998, 1663, 1664; Staudinger/ Rieble, BGB (2009), Vorbemerkung zu §§ 339 ff. Rdnr. 28 f.; Münch-KommBGB/Gottwald, aaO, Vor § 339 Rdnr. 8; Palandt/Grüneberg, aaO, § 339 Rdnr. 6).

Entgegen der Auffassung der Revision hat der Bundesgerichtshof dies nicht bereits in ihrem Sinne anders entschieden. Die Revision führt zur Unterstützung ihrer Auffassung das Urteil vom 6. Juni 2002 (X ZR 68/00; www.bundesgerichtshof.de) an. Dem in dieser Entscheidung mitgeteilten Sachverhalt ist indes nicht zu entnehmen, dass die damals zu beurteilende vergleichsweise Regelung als Belohnung ausgestaltet war.


b) Entgegen der Auffassung der Revision war das Berufungsgericht nicht gehalten, einen ausdrücklichen Hinweis darauf zu geben, dass seiner Ansicht nach ein Vertragsstrafeversprechen nicht vorliegt. Soweit die Revision geltend macht, die Kläger (Mieter) hätten auf einen entsprechenden Hinweis eine Zusammenfassung ihres Verteidigungsvorbringens aus dem Vorprozess vorgetragen, ist dies bereits aus Rechtsgründen unerheblich, weil die zu Beginn des Vorprozesses bestehende Unsicherheit über die Höhe der bestehenden Zahlungsrückstände durch den geschlossenen Vergleich beseitigt werden sollte und auch beseitigt wurde. Der Vollzug des Vergleichs kann daher keine zusätzliche Belastung der Kläger (Mieter) mit einer als Vertragsstrafe zu qualifizierenden Leistungspflicht begründen.


3. Die Vollstreckung verstößt auch nicht gegen § 242 BGB.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen befanden sich die Kläger (Mieter) seit dem 7. November 2007 mit einer halben Rate in Höhe von 100 € in Verzug.

Ist - wie vorliegend - für den Fall einer nicht rechtzeitigen Zahlung zu einem bestimmten Termin eine bestimmte Rechtsfolge (bedingt) vereinbart, so geht es zu Lasten des Schuldners, wenn er auch nur einen Tag zu spät zahlt und die Bedingung damit eintritt. Der Sinn solcher Verfallsregelungen ist es gerade, feste Fristen und Termine zu schaffen, durch deren Nichteinhaltung Rechtswirkungen im Sinne auflösender oder aufschiebender Bedingungen ausgelöst werden.

Derjenige, der in einem Vergleich auf einen Teil seiner Ansprüche gegen die Zusicherung verzichtet, dass nunmehr der vereinbarte Zahlbetrag genau und pünktlich unter den festgesetzten Bedingungen an ihn gelangen werde, hat ein Interesse daran, dass auch sein Gegner diese ausgehandelten Zahlungsbedingungen einhält (Senatsurteil vom 8. Juli 1981, aaO, unter I 3).

Es kann ihm daher nicht als treuwidriges Verhalten angelastet werden, wenn er die für den Fall des Zahlungsverzugs vereinbarte Rechtsfolge auch bei einer nur verhältnismäßig geringfügigen Verletzung der im Vergleich festgelegten Zahlungspflicht des anderen Teils für sich in Anspruch nimmt. Dem von der Revision angeführten Umstand, dass den Klägern (Mietern) angeblich eine Forderung gegen die Beklagten (Vermieter) in Höhe von 1.469,99 € zustand, kommt in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu.


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4. Die Rüge der Revision, nicht der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle, sondern der Rechtspfleger hätte die Vollstreckungsklausel erteilen müssen, bleibt bereits deshalb ohne Erfolg, weil - wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben - nach dem Inhalt des Vergleichs die Erteilung einer einfachen Vollstreckungsklausel genügte, für die der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle zuständig ist (§ 794 Abs. 1 Nr. 1, §§ 795, 724 ZPO).

Bei Vereinbarung einer Verfallklausel der vorliegenden Art trägt der Schuldner die Beweislast für rechtzeitige Leistung. Daher liegt kein Fall des § 726 Abs. 1 BGB vor (BGH, Urteil vom 30. September 1964 - V ZR 143/62, DNotZ 1965, 544; Zöller/Stöber, ZPO, 27. Aufl., § 726 Rdnr. 14)


BGH, Urteil vom 14. Oktober 2009

- VIII ZR 272/08 -


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