Bundesgerichtshof Entscheidungen

Kein Anspruch auf gesetzliche Verzugszinsen infolge verspäteter Betriebskostenabrechnung während des laufenden Mietverhältnisses - XII ZR 44/11 -


Der unter anderem für das Gewerbemietrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im Dezember 2012 folgende Entscheidung verkündet:

BGB §§ 288 Abs. 1, 556 Abs. 3 Satz 1

Wenn ein Betriebskostenguthaben verspätet an den Mieter ausbezahlt wird, weil der Vermieter mit der Verpflichtung auf Erstellung einer Betriebskostenabrechnung in Verzug geraten ist, ergibt sich ein Anspruch auf gesetzliche Verzugszinsen auch nicht aus einer entsprechenden Anwendung des § 288 Abs. 1 BGB.


Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 9. März 2011 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen


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Sachverhalt (Tatbestand):

Die Parteien streiten im Rahmen der Widerklage nur noch darüber, ob die Beklagte (Mieterin) von der Klägerin (Vermieterin) Verzugszinsen wegen der verspäteten Abrechnung von Betriebskosten verlangen kann.


Die Beklagte (Mieterin) hatte von der Klägerin (Vermieterin) Gewerberäume angemietet. Das Mietverhältnis endete am 31. Dezember 2009.

Neben der Nettomiete für die angemieteten Räume vereinbarten die Parteien Betriebskostenvorauszahlungen. Nach § 13 des Mietvertrags sollten die entstandenen Nebenkosten "in einem Zeitraum von zwölf Monaten in tatsächlicher Höhe abgerechnet" werden.


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Die Klägerin (Vermieterin) rechnete die Betriebskosten für die Jahre 2002 bis 2007 nicht binnen zwölf Monaten seit dem Ende des jeweiligen Abrechnungszeitraums ab. Erst nach einer schriftlichen Aufforderung durch die Beklagte (Mieterin) vom 25. August 2009 erstellte sie die Betriebskostenabrechnungen, aus denen sich ein erhebliches Guthaben zu Gunsten der Beklagten (Mieterin) ergab. Dieses wurde von der Klägerin (Vermieterin) sodann vollständig ausgeglichen.


Mit der Klage hat die Klägerin (Vermieterin) rückständige Miete für den Monat November 2009 geltend gemacht. Mit der Widerklage verlangt die Beklagte (Mieterin) wegen der verspäteten Abrechnung für die Guthaben aus den Abrechnungszeiträumen 2004 bis 2007 jeweils vom ersten Tag des Folgejahres an bis zum Zeitpunkt der Abrechnung die Zahlung gesetzlicher Verzugszinsen.


Das Landgericht hat der Widerklage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Klägerin (Vermieterin) das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Widerklage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision möchte die Beklagte (Mieterin) die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.


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Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Beklagten (Mieterin) auf Zahlung von Verzugszinsen auf das Abrechnungsguthaben verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt, es fehle bereits an der konkreten Festlegung eines Abrechnungszeitraumes für die Betriebskostenvorauszahlungen, um die Fälligkeit der vorzunehmenden Abrechnung kalendermäßig bestimmen zu können. Im Mietvertrag laute es hierzu nur, dass die Betriebskosten in einem Zeitraum von zwölf Monaten in tatsächlicher Höhe abzurechnen seien. Diese Formulierung lasse für sich betrachtet bereits keine kalendermäßige Bestimmung der Abrechnungsfrist zu. Da die Parteien im Mietvertrag nicht bestimmt hätten, dass die Betriebskostenvorauszahlungen für das im Juni bzw. Juli 2004 begonnene Mietverhältnis als Rumpfjahr und danach kalenderjährlich abgerechnet werden, habe es in jedem Fall einer Mahnung durch die Beklagte (Mieterin) bedurft, um die Klägerin (Vermieterin) in Verzug zu setzen. Zwar seien Betriebskostenvorauszahlungen auch in Gewerberaummietverhältnissen regelmäßig jährlich abzurechnen; dies bedeute aber nicht zwangsläufig, dass dies kalenderjährlich geschehen müsse, sondern unterliege der Vereinbarung der Parteien. Sei der Beginn des Abrechnungszeitraums vertraglich nicht vereinbart, habe der Vermieter insoweit gemäß § 315 BGB ein Leistungsbestimmungsrecht. Dass die Klägerin (Vermieterin) dieses Leistungsbestimmungsrecht hier bereits vor der tatsächlich durchgeführten Abrechnung im August bzw. September 2009 ausgeübt habe, sei von den Parteien nicht vorgetragen worden. Entsprechend fehle es an der Vereinbarung einer kalendermäßig bestimmten Leistung.


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Aber selbst wenn man von einer kalendermäßig bestimmbaren Fälligkeit der Leistung und damit von einem möglichen Verzugseintritt ohne Mahnung ausginge, sei Voraussetzung für den Erfolg der Widerklage, dass auch der Anspruch des Mieters auf Erstattung etwaiger Überzahlungen mit Ablauf der Abrechnungsfrist fällig werde. Dieser werde aber erst mit Erteilung der Abrechnung fällig. Soweit der Bundesgerichtshof für die Geschäftsraummiete entschieden habe, dass der Vermieter in der Regel spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach dem Ende des - zu vereinbarenden - Abrechnungszeitraums die Betriebskostenabrechnung zu erteilen habe, folge hieraus lediglich, dass der Mieter ab diesem Zeitpunkt den Vermieter auf Erteilung der Betriebskostenrechnung in Anspruch nehmen könne und keine weiteren Vorauszahlungen auf die Betriebskosten mehr erbringen müsse. Dies gelte jedenfalls solange das Mietverhältnis nicht beendet sei.


Der Mieter sei grundsätzlich hinreichend dadurch geschützt, dass er nicht nur einen Anspruch auf Abrechnung der Betriebskosten habe, sondern die fortlaufenden Vorauszahlungen gemäß § 273 BGB verweigern könne. Damit könne er Druck auf den Vermieter ausüben, damit dieser die geschuldete Abrechnung erteile. Ein Anspruch auf Rückzahlung der bereits entrichteten Vorschüsse - den die Beklagte (Mieterin) im Streitfall im Übrigen nicht geltend mache - komme dagegen erst mit Beendigung des Mietverhältnisses in Betracht. Die Klägerin (Vermieterin) habe die Betriebskosten jedoch vor Beendigung des Mietverhältnisses abgerechnet und die Abrechnungsguthaben an die Beklagte (Mieterin) ausgekehrt. Entsprechend sei die Klägerin (Vermieterin) weder mit der Rückerstattung zu viel bezahlter Betriebskosten noch mit einem Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Vorschüsse in Verzug geraten. Der Beklagten (Mieterin) stünden daher die geltend gemachten Verzugszinsen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.


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II. Die Entscheidung hält den Angriffen der Revision im Ergebnis stand. Sie erweist sich jedenfalls deshalb als richtig, weil die Beklagte (Mieterin) von der Klägerin (Vermieterin) weder in direkter noch in entsprechender Anwendung des § 288 Abs. 1 BGB Verzugszinsen für die zwischenzeitlich an sie ausbezahlten Betriebskostenguthaben verlangen kann.


1. Nach § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine Geldschuld, mit der der Schuldner in Verzug geraten ist, zu verzinsen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen bereits deshalb nicht vor, weil die Klägerin (Vermieterin) in dem Zeitraum, für den die Beklagte (Mieterin) Verzugszinsen verlangt, nur zur Erstellung einer Betriebskostenabrechnung verpflichtet war und daher keine Geldschuld vorlag. Die Beklagte (Mieterin) konnte in dem genannten Zeitraum von der Klägerin (Vermieterin) weder die Erstattung eines Betriebskostenguthabens noch die Rückerstattung der geleisteten Vorauszahlungen auf die Betriebskosten verlangen.


a) Grundsätzlich wird der Anspruch des Mieters auf Rückerstattung zu viel bezahlter Betriebskosten erst mit der Erteilung einer formell ordnungsgemäßen Abrechnung fällig (BGHZ 113, 188 = NJW 1991, 836; BGH Urteil vom 9. März 2005 - VIII ZR 57/04 - NJW 2005, 1499, 1501). Da die Klägerin (Vermieterin) nach den von der Revision unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts die Betriebskostenabrechnungen für die Abrechnungszeiträume 2004 bis 2007 erst im August bzw. September 2009 erstellt hat, wurde der Anspruch der Beklagten (Mieterin) auf Erstattung der Betriebskostenguthaben erst zu diesem Zeitpunkt fällig.


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b) Die Beklagte (Mieterin) hatte bis zur Erstellung der Betriebskostenabrechnungen auch keinen Anspruch gegen die Klägerin (Vermieterin) auf Rückzahlung der geleisteten Betriebskostenvorauszahlungen.


Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Mieter nach Ablauf der Abrechnungsfrist unmittelbar die Rückzahlung der in dem Abrechnungszeitraum geleisteten Betriebskostenvorauszahlungen verlangen, wenn der Vermieter nicht innerhalb einer angemessenen Frist über die Betriebskosten abgerechnet hat, es sei denn, der Vermieter ist an der Einhaltung der Frist aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen gehindert gewesen (BGH Urteil vom 9. März 2005 - VIII ZR 57/04 - NJW 2005, 1499, 1501). Dies gilt jedoch nur, wenn der Vermieter bis zur Beendigung des Mietverhältnisses keine Betriebskostenabrechnung erstellt hat. Während eines laufenden Mietverhältnisses ist der Mieter bereits dadurch ausreichend geschützt, dass er im Falle der verspäteten Abrechnung die Zahlung weiterer Betriebskostenvorauszahlungen bis zur Erstellung der Betriebskostenabrechnung gemäß § 273 Abs. 1 BGB verweigern kann (Senatsurteil vom 27. Januar 2010 - XII ZR 22/07 - NJW 2010, 1065 Rn. 39; BGH Urteil vom 29. März 2006 - VIII ZR 191/05 - NJW 2006, 2552 Rn. 11 f.). Zudem kann der Mieter für die Abrechnungszeiträume, in denen er während des noch laufenden Mietverhältnisses die Möglichkeit gehabt hätte, von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch zu machen, auch nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht unmittelbar die Rückzahlung der geleisteten Vorauszahlungen auf die Betriebskosten verlangen (BGH Urteil vom 26. September 2012 - VIII ZR 315/11 - NJW 2012, 3508 Rn. 10).


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Danach stand der Beklagten (Mieterin) bis zur Erstellung der Betriebskostenabrechnung kein Anspruch auf Rückzahlung der in den Jahren 2004 bis 2007 geleisteten Betriebskostenvorauszahlungen zu. In diesen Abrechnungszeiträumen hätte die Beklagte (Mieterin) jeweils die Möglichkeit gehabt, hinsichtlich der Betriebskostenvorauszahlungen ihr Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB auszuüben und so die Klägerin (Vermieterin) zur Erstellung der Betriebskostenabrechnungen anzuhalten. Die Voraussetzungen für den vom Bundesgerichtshof im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung entwickelten Rückzahlungsanspruch lagen daher nicht vor (vgl. BGH Urteil vom 29. März 2006 - VIII ZR 191/05 - NJW 2006, 2552 Rn. 12). Da das Mietverhältnis nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erst zum 31. Dezember 2009 endete, konnte die Beklagte (Mieterin) lediglich hinsichtlich der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2008 kein Zurückbehaltungsrecht geltend machen. Dieser Abrechnungszeitraum ist jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, so dass dahingestellt bleiben kann, wann die Fälligkeit des Erstattungsanspruchs für diesen Abrechnungszeitraum eingetreten ist.


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2. Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich ein Anspruch auf Verzugszinsen für die Beklagte (Mieterin) auch nicht aus der entsprechenden Anwendung des § 288 Abs. 1 BGB.

a) Zu der Frage, wann und unter welchen Voraussetzungen ein Mieter bei einer unterbliebenen oder verspäteten Abrechnung der Betriebskosten Verzugszinsen auf sein Guthaben verlangen kann, werden unterschiedliche Auffassungen vertreten.


Teilweise wird eine entsprechende Anwendung des § 288 Abs. 1 BGB bejaht und angenommen, dass ein Vermieter, der schuldhaft nicht fristgerecht über die Betriebskosten abgerechnet habe, ein etwaiges Guthaben des Mieters gemäß § 288 Abs. 1 BGB verzinsen müsse (AG Berlin-Mitte GE 2005, 805; Staudinger/Weitemeyer BGB [2010] § 556 Rn. 135; Neuhaus Handbuch der Geschäftsraummiete 4. Aufl. Rn. 1056; Beyerle in Lindner-Figura/Oprée/ Stellmann Geschäftsraummiete Rn. 145; Kirsch/Leonhard GE 2010, 1306).


Eine andere Ansicht lehnt eine entsprechende Anwendung des § 288 Abs. 1 BGB mit der Begründung ab, der Vermieter schulde nur eine fristgerechte Abrechnung und damit keine Geldschuld iSv § 288 Abs. 1 BGB. Außerdem sei der Mieter vor den Folgen einer verspäteten Abrechnung durch die Möglichkeit, in einem laufenden Mietverhältnis die Zahlung weiterer Betriebskostenvorauszahlungen verweigern und bei einem beendeten Mietverhältnis unmittelbar die Rückzahlung der geleisteten Vorauszahlungen verlangen zu können, ausreichend geschützt (Beuermann GE 2010, 1306, 1307; Kinne GE 2005, 768; Schmid Handbuch der Mietnebenkosten 12. Aufl. Rn. 3187; vgl. dazu auch Schmid GE 2005, 905 f.).


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b) Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. § 288 Abs. 1 BGB kann nicht entsprechend angewendet werden, wenn ein Betriebskostenguthaben verspätet an den Mieter ausbezahlt wird, weil der Vermieter mit der Verpflichtung auf Erstellung einer Betriebskostenabrechnung in Verzug geraten ist.


aa) § 288 Abs. 1 BGB gewährt dem Gläubiger einer Geldschuld einen Anspruch auf Verzugszinsen in der durch die Vorschrift festgelegten Höhe, ohne dass ein konkreter Verzugsschaden dargelegt werden muss (vgl. BGH Urteil vom 25. April 2006 - XI ZR 271/05 - NJW 2006, 2398 Rn. 9). Damit trägt das Gesetz dem Umstand Rechnung, dass die Vorenthaltung geschuldeten Geldes stets einen Schaden darstellt, weil die mit dem Besitz von Geld verbundenen Nutzungsmöglichkeiten regelmäßig geldwerte Vorteile bieten, die dem Gläubiger durch die Nichterfüllung einer Geldschuld genommen werden (so schon BGHZ 74, 231 = NJW 1979, 1494). Der Sinn der Regelung des § 288 Abs. 1 BGB liegt jedoch nicht nur in einer abstrakten Entschädigung des Gläubigers für die entbehrte Kapitalnutzung (BGHZ 94, 330 = NJW 1985, 2325, 2326). Durch die in § 288 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BGB bestimmte Höhe der Verzugszinsen soll der Schuldner auch angehalten werden, eine Geldschuld pünktlich zu erfüllen (Staudinger/Löwisch/Feldmann BGB [2009] § 288 Rn. 4; Prütting/Wegen/Weinreich BGB 7. Aufl. § 288 Rn. 1; Erman/Hager BGB 13. Aufl. § 288 Rn. 1). Die Vorschrift trägt insoweit dem besonderen Schutzbedürfnis des Gläubigers einer Geldforderung Rechnung. Insbesondere dann, wenn der Gläubiger zur Vorleistung verpflichtet war, steht ihm in der Regel keine effektive Möglichkeit zur Verfügung, den Schuldner zur Zahlung zu veranlassen. Ein Zurückbehaltungsrecht kann er nach Erbringung der eigenen Leistung nicht mehr ausüben. Ein konkreter Verzugsschaden in einer Höhe, die den Schuldner zur Zahlung bewegen könnte, wird von ihm oft nicht dargelegt werden können. Die in § 288 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BGB bestimmten Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz bzw. acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, verhindern, dass der Schuldner aus der Zahlungsverzögerung oder -verweigerung wirtschaftliche Vorteile zieht und für seine Vertragsuntreue gleichsam belohnt wird (so schon BGHZ 94, 330 = NJW 1985, 2325, 2326 mwN; vgl. dazu auch BT-Drucks. 14/1246 S. 5, 14/6040 S. 148 f. und MünchKommBGB/Ernst 6. Aufl. § 288 Rn. 4).


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bb) Aufgrund dieses gerade auf den Verzug mit einer Geldschuld bezogenen Schutzzwecks des § 288 Abs. 1 BGB kann diese Vorschrift nicht entsprechend angewendet werden, wenn der Vermieter eine Betriebskostenabrechnung nicht fristgerecht erfüllt und in der Folge ein Betriebskostenguthaben verspätet an den Mieter ausgezahlt wird.


Zwar führt die verspätete Abrechnung der Betriebskosten in den Fällen, in denen sich aufgrund der Abrechnung ein Guthaben für den Mieter ergibt, dazu, dass dem Mieter (jedenfalls zeitweise) unberechtigt ein Geldbetrag vorenthalten wird. Aufgrund des vom Gesetzgeber bewusst eng gefassten Anwendungsbereichs des § 288 Abs. 1 BGB kann die Vorschrift jedoch nicht auf alle Fälle angewendet werden, in denen mittelbar die Verschaffung von Geld geschuldet wird (Staudinger/Löwisch/Feldmann BGB [2009] § 288 Rn. 11).


Der Vermieter ist nach Ablauf der Abrechnungsfrist zunächst nur dazu verpflichtet, eine Betriebskostenabrechnung zu erstellen. Erst nach der Erstellung der Abrechnung und unter der Voraussetzung, dass die vom Mieter im Abrechnungszeitraum geleisteten Vorauszahlungen die Höhe der abrechnungsfähigen Betriebskosten übersteigen, erlangt der Mieter einen auf die Zahlung von Geld gerichteten Anspruch. Entsprechen die abrechnungsfähigen Betriebskosten den geleisteten Vorauszahlungen oder übersteigen sie diese sogar, steht dem Mieter auch bei einer verspäteten Abrechnung kein Zahlungsanspruch zu. Dies zeigt, dass der Anspruch des Mieters auf Abrechnung der Betriebskosten nicht mit einer Geldschuld iSv § 288 Abs. 1 BGB gleichgesetzt werden kann, bei der von vornherein feststeht, dass dem Gläubiger durch eine verspätete Leistung des Schuldners Geld vorenthalten wird.


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Hinzu kommt, dass der Mieter - anders als der Gläubiger einer "echten" Geldschuld - über ausreichende Möglichkeiten verfügt, den Vermieter zur Erstellung der Betriebskostenabrechnung zu veranlassen. Während eines laufenden Mietverhältnisses kann er die Zahlung weiterer Betriebskostenvorauszahlungen gemäß § 273 Abs. 1 BGB verweigern. Da die zurückbehaltenen Betriebskostenvorauszahlungen regelmäßig schnell die Höhe eines etwaigen Rückzahlungsguthabens des Mieters erreichen, kann davon ausgegangen werden, dass der Vermieter die Betriebskostenabrechnung zeitnah erstellen wird, um die laufenden Betriebskostenvorauszahlungen wieder zu erhalten (vgl. BGH Urteil vom 29. März 2006 - VIII ZR 191/05 - NJW 2006, 2552 Rn. 13). Im beendeten Mietverhältnis kann der Mieter nach Ablauf der Abrechnungsfrist sofort die Rückzahlung der geleisteten Betriebskostenvorschüsse verlangen und diese gegebenenfalls auch im Wege einer Klage geltend machen, ohne zuvor auf die Erstellung der Betriebskostenabrechnung klagen zu müssen (BGH Urteil vom 9. März 2005 - VIII ZR 57/04 - NJW 2005, 1499, 1501). Darüber hinaus hat der Mieter auch die Möglichkeit, den Vermieter in Verzug zu setzen und einen konkreten Schaden, der ihm aufgrund der verspäteten Abrechnung entstanden ist, nach §§ 280 Abs. 2, 286, 249 BGB geltend zu machen, etwa wenn der Mieter einen Überziehungskredit in Anspruch nimmt. Schließlich kann der Mieter auch eine abstrakte Schadensberechnung nach § 252 BGB vornehmen, wenn er zum Beispiel geltend machen kann, er habe das Guthaben gewinnbringend anlegen können (vgl. hierzu Schmid GE 2005, 905 f.).


Eine zusätzliche Möglichkeit, den Vermieter zur Erbringung der geschuldeten Leistung zu veranlassen, erfordert der Schutz des Mieters nicht. Entgegen der Auffassung der Revision besteht nicht die Gefahr, dass der Vermieter durch eine verzögerte Abrechnung die Fälligkeit des Erstattungsanspruchs des Mieters unangemessen hinauszögert. Der Mieter kann durch die genannten Möglichkeiten auf eine rasche Erstellung der Betriebskostenabrechnung hinwirken und damit die Fälligkeit eines etwaigen Erstattungsanspruches herbeiführen.


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cc) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Soweit dort verschiedentlich eine entsprechende Anwendbarkeit von § 288 Abs. 1 BGB angenommen wurde, beruhte dies jeweils auf den Besonderheiten der geltend gemachten Ansprüche, weshalb sich diese Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall nicht übertragen lässt. Im Urteil vom 26. April 1979 (BGHZ 74, 231 = NJW 1979, 1494), in dem der Bundesgerichtshof die entsprechende Anwendbarkeit des § 288 Abs. 1 BGB für einen Anspruch auf Verschaffung eines zinslosen Darlehens bejaht hat, wurde zur Begründung maßgeblich darauf abgestellt, dass die Nichterfüllung dieses Anspruchs der Vorenthaltung von Geld gleichkomme. In beiden Fällen werde dem Gläubiger die mit dem Besitz von Geld verbundene Nutzungsmöglichkeit (zumindest zeitweise) genommen. Dies rechtfertige, beide Fälle schadensmäßig gleich zu beurteilen.


Im Urteil vom 15. September 2005 (III ZR 28/05 - NJW 2005, 3709, 3710) hat der Bundesgerichtshof darauf abgestellt, dass der in diesem Verfahren geltend gemachte Anspruch auf Herausgabe von Geld gemäß § 667 Alt. 2 BGB wie eine "normale" Geldschuld behandelt werden könne und daher § 288 Abs. 1 BGB entsprechend anzuwenden sei.


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Zuletzt hat der Bundesgerichtshof im Urteil vom 25. April 2006 (BGHZ 167, 268 = NJW 2006, 2398) für den Fall des Verzugs mit einer Freigabeerklärung für hinterlegtes Geld die entsprechende Anwendbarkeit von § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB bejaht. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass § 288 BGB nach Sinn und Zweck der Vorschrift auch in diesem Fall gelten müsse, weil dem Gläubiger ein Geldbetrag, auf den er einen Anspruch habe, schuldhaft und rechtswidrig vorenthalten werde. Zwar schulde der Schuldner nicht das hinterlegte Geld. Aber die Auszahlung des Geldes an den Gläubiger hänge allein von der Freigabeerklärung ab, so dass die Freigabeforderung einen Geldbetrag zum Gegenstand habe. Lediglich der äußeren Form nach sei der Anspruch nicht auf Zahlung von Geld, sondern auf die Einwilligung in die Auszahlung von Geld gerichtet.


Diese Rechtsprechung kann auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden. In den genannten Entscheidungen begründete der Bundesgerichtshof die entsprechende Anwendbarkeit des § 288 Abs. 1 BGB jeweils maßgeblich mit der Erwägung, dass die geltend gemachten Ansprüche unmittelbar darauf gerichtet waren, dem Gläubiger einen Geldbetrag zu verschaffen. Dieses gemeinsame Merkmal rechtfertigte die Gleichstellung mit einer "echten" Geldschuld. Die Verpflichtung des Vermieters zur Erstellung einer Betriebskostenabrechnung weist dieses Merkmal hingegen nicht auf. Der Mieter kann von seinem Vermieter zunächst nur die Erstellung einer ordnungsgemäßen Abrechnung über die im Abrechnungszeitraum angefallenen Betriebskosten verlangen (§ 556 Abs. 3 Satz 1 BGB). Diesen Anspruch erfüllt der Vermieter bereits dadurch, dass er eine den von der Rechtsprechung entwickelten Vorgaben entsprechende Abrechnung erstellt (vgl. hierzu Palandt/Weidenkaff BGB 71. Aufl. § 535 Rn. 93 mwN) und diese dem Mieter übermittelt. Ein vertraglicher Rückerstattungsanspruch steht dem Mieter, wenn der Vermieter ordnungsgemäß abgerechnet hat, nur zu, soweit die geleisteten Nebenkostenvorauszahlungen durch die in dem betreffenden Abrechnungszeitraum tatsächlich angefallenen Nebenkosten nicht aufgezehrt sind (vgl. BGH Urteil vom 9. März 2005- VIII ZR 57/04 - NJW 2005, 1499, 1501). Der Anspruch auf Erstellung einer Betriebskostenabrechnung ist daher nicht unmittelbar auf die Verschaffung eines Geldbetrags gerichtet und somit nicht mit den in den genannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs geltend gemachten Ansprüchen vergleichbar.


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3. Da die Beklagte (Mieterin) mit der Widerklage allein die Verzinsung ihres Betriebskostenguthabens nach §288 Abs. 1 BGB begehrt und einen weiteren Verzugsschaden nicht konkret dargelegt hat, muss der Senat die zwischen den Parteien streitige Frage, ob sich die Klägerin (Vermieterin) auch ohne Mahnung durch die Beklagte (Mieterin) mit der Erstellung der Betriebskostenabrechnung für die Jahre 2004 bis 2007 in Verzug befand, nicht entscheiden.


4. Die Revision ist danach als unbegründet zurückzuweisen.


BGH, Urteil vom 5. Dezember 2012

- XII ZR 44/11 -


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