Bundesgerichtshof Entscheidungen

Keine Gebrauchspflicht des Mieters zur tatsächlichen Nutzung der angemieteten Wohnung - VIII ZR 93/10 -


Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich in einer Entscheidung vom Dezember 2010 mit der Frage des Mietgebrauchs einer Wohnung vor dem Hintergrund eines von dem Vermieter geltend gemachten Unterlassungsanspruchs auf angeblich zweckwidrige Nutzung einer Wohnung beschäftigt.


Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 24. März 2010 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen


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Sachverhalt (Tatbestand):

Der Beklagte (Mieter) mietete ab 1. September 1986 von der Rechtsvorgängerin der Klägerin (Vermieterin) ein Zimmer im ersten Stock des Anwesens A. straße in M. . Nach § 1 Nr. 1 des Mietvertrages vom 17. September 1986 wurde das Zimmer "zur Benutzung als Wohnung" vermietet.


Mit einem am 28. Dezember 1988 unterzeichneten "Anhang zum Mietvertrag" übernahm der Beklagte (Mieter) ab 1. Januar 1989 ein weiteres angrenzendes Zimmer. Aufgrund "Wohnungs-Mietvertrags" vom 21. März 2000 wurde dem Beklagten (Mieter) schließlich noch ein Zimmer im ersten Stock überlassen; im Gegenzug hierzu gab der Beklagte (Mieter) zwei weitere, von ihm im vierten Obergeschoss des Anwesens angemietete Räume an die Klägerin (Vermieterin) zurück.


Seit September 2000 wohnt der Beklagte (Mieter) mit seiner Tochter in einer im Melderegister der Stadt M. als Erstwohnsitz eingetragenen Wohnung in der B. straße . In den streitgegenständlichen Räumen, die im Melderegister der Stadt M. als "Nebenwohnung" geführt werden, stehen umfangreicher eigener - teilweise ererbter - Hausrat sowie Gegenstände der verstorbenen Großmutter der Tochter des Beklagten (Mieters). Der Beklagte (Mieter) bietet in der Wohnung befindliche Gegenstände in der Zeitschrift "kurz und fündig" zum Verkauf an und empfängt in der Wohnung Kaufinteressenten.


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Die Klägerin (Vermieterin) hat unter anderem behauptet, der Beklagte (Mieter) nutze die von ihr angemieteten Räume entgegen dem Vertragszweck nicht mehr als Wohnung, sondern als Lager und betreibe aus den Räumen heraus einen gewerblichen Handel mit den dort befindlichen Gegenständen. Der Beklagte (Mieter) hat dies bestritten; die Verkaufstätigkeiten erschöpften sich in dem gelegentlichen Verkauf von in der Wohnung befindlichen Hausratsgegenständen.


Die Klägerin (Vermieterin) hat den Beklagten (Mieter) wegen der von ihr als vertragswidrig angesehenen Nutzung der angemieteten Räume erfolglos mit Schreiben vom 30. April 2008 und 1. Juli 2008 abgemahnt. Mit der Klage hat die Klägerin (Vermieterin) den Beklagten (Mieter) auf Unterlassung der Nutzung der angemieteten Räume "zu gewerblichen Zwecken, insbesondere als Lager und Verkaufsräume" in Anspruch genommen.


Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Im Zuge der von ihr gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegten Berufung hat die Klägerin (Vermieterin) zusätzlich den Hilfsantrag gestellt, den Beklagten (Mieter) zu verpflichten, es zu unterlassen, die angemieteten Räume "zu anderen als Wohnzwecken" zu nutzen. Die Berufung der Klägerin (Vermieterin) ist auch im Hilfsantrag erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin (Vermieterin) ihr Unterlassungsbegehren weiter.


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Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

Der Klägerin (Vermieterin) stehe gegen den Beklagten (Mieter) kein Anspruch auf Unterlassung aus § 541 BGB zu. Zwar seien die Räume unstreitig zu Wohnzwecken vermietet worden. Aus dem Gesetz lasse sich jedoch keine Pflicht ableiten, in den zu Wohnzwecken angemieteten Räumen auch tatsächlich zu wohnen; eine Gebrauchspflicht kenne das Gesetz nicht.


Soweit die Klägerin (Vermieterin) dem Beklagten (Mieter) vorwerfe, er verwende die vermieteten Räume zum Betrieb eines Gewerbes, sei der Sachvortrag der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin (Vermieterin) nicht ausreichend, um einen vertragswidrigen Gebrauch annehmen zu können. Die Klägerin (Vermieterin) habe nicht konkret behauptet, dass die Tätigkeit des Beklagten (Mieters) nach außen in Erscheinung trete, etwa durch Anbringung eines Schildes am Hauseingang oder das tägliche Erscheinen einer größeren Anzahl von Kunden. Auch sei nicht vorgetragen, dass der Beklagte (Mieter) für seine Verkaufsaktivitäten Mitarbeiter beschäftige.


Die Klage bleibe auch im zulässigen Hilfsantrag erfolglos. Der Vortrag der Klägerin (Vermieterin) sei nicht geeignet, eine Nutzung der angemieteten Räume zu anderen als Wohnzwecken darzulegen. Dass sich in einer Wohnung Einrichtungsgegenstände befänden, sei für eine Wohnnutzung gerade typisch; anders wäre es, wenn der Beklagte (Mieter) die Wohnung zur Lagerung ölverschmierter Autoteile nutzen würde. Im Übrigen seien ein Nachteil der Klägerin (Vermieterin) oder eine Belästigung anderer Mitmieter durch die Nutzung des Beklagten (Mieters) weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.


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II. Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält rechtlicher Nachprüfung stand. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts steht der Klägerin (Vermieterin) gegen den Beklagten (Mieter) kein Unterlassungsanspruch gemäß § 541 BGB zu.

1. Die Klägerin (Vermieterin) hat von dem Beklagten (Mieter) Unterlassung begehrt, die angemieteten Räume "zu gewerblichen Zwecken, insbesondere als Lager- und Verkaufsräume" hilfsweise "zu anderen als Wohnzwecken" zu nutzen. Angesichts ihrer sehr weiten, insbesondere im Hilfsantrag einen konkreten Verletzungstatbestand nicht einmal ansatzweise beschreibenden Fassung ist fraglich, ob die gestellten Prozessanträge im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO noch hinreichend bestimmt sind, um eine zulässige Klageerhebung annehmen zu können.


Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was ihm verboten ist, dem Vollstreckungsverfahren überlassen bliebe (st. Rspr; vgl. nur BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - I ZR 259/00, BGHZ 156, 1, 8 f. - "Paperboy"; zuletzt: BGH, Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 202/07, GRUR 2010, 749 Rn. 21 - "Erinnerungswerbung im Internet"). Dies kann jedoch dahin stehen, denn der Klägerin (Vermieterin) steht auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen jedenfalls materiell-rechtlich kein Unterlassungsanspruch zu.


2. Nach § 541 BGB kann der Vermieter auf Unterlassung klagen, wenn der Mieter einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache trotz Abmahnung fortsetzt. Die Parteien haben im Streitfall eine Nutzung zu Wohnzwecken vereinbart. Die tatsächliche Nutzung der angemieteten Räume durch den Beklagten (Mieter) hält sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts innerhalb dieses vereinbarten Zwecks.


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Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass den Mieter keine Gebrauchspflicht trifft (vgl. Senatsurteile vom 4. April 1979 - VIII ZR 118/78, NJW 1979, 2351 unter 2 b; vom 7. März 1983 - VIII ZR 333/81, WM 1983, 531 unter I 2 c bb); wo der Mieter seinen Lebensmittelpunkt begründet und im herkömmlichen Sinne "wohnt" (schlafen, essen, regelmäßiger Aufenthalt etc.) ist den persönlichen Vorstellungen und der freien Entscheidung des Mieters überlassen. Dass der Beklagte (Mieter) seinen Lebensmittelpunkt seit dem Jahr 2000 nicht mehr in den von der Klägerin (Vermieterin) angemieteten Räumen, sondern in der Wohnung in der B. straße sieht und in den angemieteten Räumen nur noch umfangreicher Hausrat steht, vermag daher entgegen der Auffassung der Revision die grundsätzlich nach wie vor gegebene Nutzung zu Wohnzwecken nicht zu verändern.


Auch ist dem Berufungsgericht zuzustimmen, wenn es die Existenz von Hausratsgegenständen in einer Wohnung als geradezu typisch für eine Wohnnutzung ansieht. Die Anzahl der Hausratsgegenstände ist dabei ebenso ohne Belang wie ihre Anordnung in der Wohnung. Auch ist es einem Mieter unbenommen, eigene oder in seiner Verfügungsbefugnis stehende Hausratsgegenstände von Familienangehörigen zu veräußern; darin liegt grundsätzlich auch dann keine von einer Vereinbarung mit dem Vermieter abhängige geschäftliche Tätigkeit des Mieters, wenn sie nach außen in Erscheinung tritt. Zwar mag sich im Einzelfall auch aus derartigen Tätigkeiten ein Unterlassungsanspruch des Vermieters nach § 541 BGB wegen vertragswidrigen Gebrauchs ergeben können, etwa wenn die zum Verkauf angebotenen Gegenstände nicht zur persönlichen Nutzung, sondern zu Zwecken des alsbaldigen Weiterverkaufs erworben worden sind oder der Mieter durch die Verkaufstätigkeiten Schutz- und Obhutspflichten in Bezug auf die Mietsache verletzt oder den vertragsgemäßen Gebrauch anderer Mieter stört. Für all das fehlt es jedoch im Streitfall an tatrichterlichen Feststellungen; übergangenen Sachvortrag der Klägerin (Vermieterin) zeigt die Revision insoweit nicht auf.


BGH, Urteil vom 8. Dezember 2010

- VIII ZR 93/10 -


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