Bundesgerichtshof Entscheidungen

Zur Beweiswürdigung zum Abschluss eines für den Erwerber in der Zwangsversteigerung nachteiligen Mietvertrages unter nahen Angehörigen - VIII ZR 297/12 -


Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich in einer Entscheidung vom September 2013 mit den Anforderungen an den Nachweis eines behaupteten Mietvertrages befasst, der dem Ersteigerer einer Wohnung von einem Angehörigen des ehemaligen Eigentümers entgegen gehalten wird.


Die Kläger (Vermieter) haben im Dezember 2009 eine Wohnung in Garmisch-Partenkirchen in der Zwangsversteigerung erworben und verlangen von der Beklagten (Mieterin) Herausgabe sowie Zahlung von Nutzungsentschädigung. Die Beklagte (Mieterin) behauptet, sie habe im Jahre 2003 mit ihrem Vater und ihrem Bruder als den damaligen Eigentümern der Wohnung einen Mietvertrag abgeschlossen, mit dem ihr gegen Übernahme der Betriebskosten und einer eventuellen Pflege des Vaters ein lebenslanges Nutzungsrecht eingeräumt worden sei. Zum Beleg hat sie im Prozess eine Kopie des angeblichen Mietvertrages vorgelegt.


Mit Schreiben vom 14. Januar 2010 forderten die Kläger (Vermieter) die Beklagte (Mieterin) auf, ab 19. Dezember 2009 eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von 864 € sowie Vorauszahlungen auf die Betriebskosten in Höhe von 136 € monatlich zu zahlen. Bis Juni 2010 leistete die Beklagte (Mieterin) keinerlei Zahlungen. Die Kläger (Vermieter) kündigten das von ihnen als Scheingeschäft angesehene Mietverhältnis vorsorglich wegen Zahlungsverzugs fristlos. Die Beklagte (Mieterin) glich in der Folgezeit lediglich die bis Ende Juni 2011 geforderten Betriebskosten aus.


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Die Kläger (Vermieter) haben Räumung der Wohnung sowie Zahlung von Nutzungsentschädigung in Höhe von 17.477 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten begehrt. Das Amtsgericht hat die Klage nach Einholung eines Schriftsachverständigengutachtens abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Kläger (Vermieter) zurückgewiesen. Zwar habe sich das Amtsgericht nicht mit der Behauptung der Kläger (Vermieter) auseinandergesetzt, die vorgelegte Urkunde sei lediglich "nachgeschoben" und erst nach dem Tod des Vaters erstellt. Auch sei es auffällig, dass die Beklagte (Mieterin) trotz der Aufforderung durch die Kläger (Vermieter) nicht habe erklären können, wann, wo und unter welchen Umständen die Kopie des Nutzungsvertrags erstellt worden sei. Letztlich komme es darauf aber nicht an, weil der als Zeuge vernommene Bruder der Beklagten (Mieterin) jedenfalls einen mündlichen Vertragsschluss bestätigt habe. Da die Kläger (Vermieter) mit dem Erwerb der Wohnung in diesen Vertrag eingetreten seien, schulde die Beklagte (Mieterin) abgesehen von der Übernahme der Betriebskosten keine Nutzungsentschädigung.


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Die vom Bundesgerichtshof zugelassene Revision der Kläger (Vermieter) hatte Erfolg. Der zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Feststellungen des Berufungsgericht zu dem Zustandekommen und dem Inhalt eines mündlichen Mietvertrages von Rechtsfehlern beeinflusst sind, weil es die Widersprüche zwischen den Angaben des Zeugen und den aus der Vertragskopie ersichtlichen Bestimmungen des Mietvertrags außer Acht gelassen hat. Zudem hätte sich das Berufungsgericht auch bei der Frage, ob ein mündlicher Vertrag abgeschlossen wurde, mit dem Vorbringen der Kläger (Vermieter) auseinandersetzen müssen, der Mietvertrag sei von der Beklagten (Mieterin) nur fingiert worden, um sich oder der Familie den Besitz der Wohnung ungeachtet der Zwangsversteigerung weiter zu erhalten.


Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil daher aufgehoben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Berufungsgerichts zurückverwiesen.


BGH, Urteil vom 18. September 2013

- VIII ZR 297/12 –

Mitteilung der Pressestelle des BGH Nr. 151/2013


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Langfassung der Entscheidung:

BGB § 566; ZPO § 286 B, G

Zu den Anforderungen an den Nachweis eines behaupteten, für den Ersteigerer einer Wohnung nachteiligen Mietvertrages, der diesem von einem nahen Angehörigen des ehemaligen Eigentümers entgegengehalten wird.


Tenor:

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Landgerichts München II - 12. Zivilkammer - vom 14. August 2012 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Kammer des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen


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Sachverhalt (Tatbestand):

Die Kläger begehren Herausgabe einer von ihnen am 19. Dezember 2009 im Wege der Zwangsversteigerung erworbenen Wohnung in G. sowie die Zahlung von Nutzungsentschädigung.

Die Wohnung hatte ursprünglich der Mutter der Beklagten gehört und war von der Familie als Ferienwohnung genutzt worden. Nach dem Tod der Mutter im Jahr 2002 war das Eigentum im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den (im Jahr 2007 ebenfalls verstorbenen) Vater der Beklagten sowie ihren Bruder, den Zeugen V. , übergegangen.


Die Beklagte behauptet, mit ihrem Vater und ihrem Bruder am 12. Dezember 2003 die von ihr in Fotokopie vorgelegte "Nutzungsvereinbarung" über die Wohnung abgeschlossen und unterzeichnet zu haben. Darin heißt es:

" …

§ 2 Nutzungszeitraum

Der Nutzungszeitraum wird lebenslänglich für Frau A. V. [= Bekl.] festgelegt. Die Dauernutzung beginnt ab sofort und gilt auch über den Tod von Ad. V. .

Sofern A. V. die Nutzungsvereinbarung kündigt, wird eine Kündigungsfrist von zwei Monaten zum Quartalsende vereinbart.

Bei Verkaufsabsichten bedarf es einer einvernehmlichen Regelung zwischen allen Beteiligten. Eine Kündigung ist ausgeschlossen.


§ 3 Nutzungsgebühr

Als Gegenleistung zur Nutzung wird eine evtl. notwendige Pflege von Herrn Ad. V. durch A. V. geleistet.

In gegenseitiger Abstimmung ist auch weiterhin eine Nutzung durch Ad. V. oder V. möglich.

Frau A. V. verpflichtet sich, sämtliche laufenden Betriebskosten der Wohnung zu zahlen. Ein weiterer Mietzins wird nicht vereinbart, da das Nutzungsrecht mit der o.g. Leistung abgegolten ist."


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Mit Schreiben vom 14. Januar 2010 forderten die Kläger die Beklagte auf, ab dem 19. Dezember 2009 eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von 864 € sowie Vorauszahlungen auf die Betriebskosten in Höhe von 136 € monatlich zu zahlen. Die Kläger haben das von ihnen als Scheingeschäft angesehene Mietverhältnis mit der am 4. Juni 2010 zugestellten Klage vorsorglich fristlos gekündigt, weil die Beklagte seit dem Eigentumswechsel keinerlei Zahlungen erbracht hatte. Die Beklagte zahlte am 18. Oktober 2010 1.496 € Betriebskosten (für die Monate Januar bis November 2009) und glich später auch die bis einschließlich Juni 2011 von den Klägern monatlich geforderten Betriebskosten aus.


Die Kläger begehren Räumung der Wohnung sowie Zahlung von Nutzungsentschädigung, insgesamt 17.477 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.


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Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

Das Amtsgericht sei im Ergebnis zu Recht vom Bestehen eines Mietverhältnisses ausgegangen, in das die Kläger gemäß § 57 ZVG, § 566 BGB eingetreten seien. Zwar sei die Beweiswürdigung des Amtsgerichts, dass es sich bei der vorgelegten Nutzungsvereinbarung vom 12. Dezember 2003 um eine echte Urkunde handele, nicht frei von Rechtsfehlern. Denn die Beklagte trage die Beweislast für ihre Behauptung, dass die Vereinbarung zu dem angegebenen Datum abgefasst und unterzeichnet worden sei. Diesen Beweis habe sie durch die Vorlage einer bloßen Fotokopie nicht erbracht. Denn eine vom Aussteller unterschriebene Privaturkunde begründe den vollen Beweis nur dafür, dass der Aussteller die in ihr enthaltenen Erklärungen abgegeben habe. Dies setze jedoch die - hier nicht erfolgte - Vorlage der Urschrift voraus.


Soweit das Amtsgericht seine Überzeugung von der Echtheit der Urkunde auf die Beurteilung der kopierten Unterschrift als "wahrscheinlich echt" durch den Gutachter und die vage Erinnerung des Zeugen V. an einen Vertragsschluss in der Küche gestützt habe, habe es wesentliche Umstände außer Betracht gelassen. Insbesondere habe sich das Amtsgericht nicht mit der Behauptung der Kläger auseinandergesetzt, die Urkunde sei lediglich "nachgeschoben" und erst nach dem Tode des Vaters der Beklagten erstellt worden. Es sei auch auffällig, dass die Beklagte trotz Aufforderung durch die Kläger in keiner Weise habe erklären können, wann, wo und unter welchen Umständen die Kopie hergestellt und ihr übergeben worden sei. Denn nach den Angaben des Zeugen V. sei es in der Familie nicht üblich gewesen, von Verträgen oder Durchschriften Kopien zu erstellen, und einen Kopierer habe es im Hause auch nicht gegeben. Das Amtsgericht hätte daher den Angaben des Zeugen nicht folgen dürfen, ohne das von den Klägern beantragte physikalisch-technische Gutachten über die Kopie der Vertragsurkunde einzuholen.


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Auf die Einholung eines derartigen Gutachtens könne indes verzichtet werden, weil es letztlich nicht darauf ankomme, ob die vorgelegte Kopie von einer echten, im Jahr 2003 unterzeichneten Vertragsurkunde gefertigt worden sei. Denn ein Mietvertrag könne auch mündlich wirksam abgeschlossen werden. Ein derartiger mündlicher Vertragsabschluss sei hier erwiesen. Denn neben der Aussage des Zeugen V. rechtfertigten weitere Umstände die Annahme, dass der Beklagten ein Nutzungsrecht gegen Übernahme einer eventuell erforderlichen Pflege des Vaters und der laufenden Betriebskosten der Wohnung eingeräumt worden sei. So habe der Zeuge bereits in einem Schreiben vom 21. September 2007 dem Nachlassverwalter mitgeteilt, dass die Wohnung seiner Schwester zur unbeschränkten Nutzung gegen Übernahme der Betriebskosten überlassen worden sei. In den auf diese Weise geschlossenen Mietvertrag seien die Kläger durch den Eigentumserwerb in der Zwangsversteigerung eingetreten und somit an die Bedingungen des Mietvertrages gebunden.


Eine wirksame Kündigung sei nicht erfolgt. Ein Anspruch auf Zahlung von monatlich 864 € Miete sowie 136 € Nebenkosten, wie von den Klägern für die Zeit ab Eigentumserwerb verlangt, stehe ihnen nicht zu, weil sie den Mietvertrag nicht einseitig hätten ändern können. Auch mit einem Zahlungsverzug bezüglich der Betriebskosten lasse sich die in der Klageschrift ausgesprochene Kündigung nicht begründen. Zwar habe sich die Beklagte in der Nutzungsvereinbarung wirksam zur Tragung der Betriebskosten verpflichtet. Die Beklagte habe jedoch unwidersprochen vorgetragen, dass Vorauszahlungen auf die Betriebskosten vierteljährlich im Nachhinein zu erfolgen hätten. Deshalb habe sich die Beklagte bei Zugang der Klageschrift nicht mit zwei Zahlungsterminen in Rückstand befunden.


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II. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können die von den Klägern geltend gemachten Ansprüche auf Räumung der Wohnung (§ 985 BGB) und auf Zahlung von Nutzungsentschädigung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB) nicht verneint werden. Die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Beklagte im Jahr 2003 mit ihrem Vater und ihrem Bruder als den damaligen Eigentümern der Wohnung einen - mit dem Zuschlagsbeschluss auf die Kläger übergegangenen - Mietvertrag abgeschlossen habe, beruht auf einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung, die wesentliche Umstände außer Betracht lässt (§ 286 BGB).


1. Das Berufungsgericht sieht es trotz seiner Zweifel an dem von der Beklagten behaupteten Abschluss eines schriftlichen Mietvertrages aufgrund der Aussage des Zeugen V. und dessen Schreiben vom 21. September 2007 an den Nachlassverwalter als erwiesen an, dass zu diesem Zeitpunkt jedenfalls ein mündlicher Mietvertrag mit dem aus der vorgelegten Kopie ersichtlichen Inhalt zustande gekommen sei.


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Dabei verkennt das Berufungsgericht, dass die Umstände, die Zweifel an der Unterzeichnung eines Mietvertrages am 12. Dezember 2003 wecken, die Darstellung der Beklagten zum Abschluss eines Mietvertrages mit ihrem Bruder und ihrem Vater insgesamt in Frage stellen. Die Beklagte hat keine Erklärung dazu abgegeben, wie es zu der Erstellung und Übergabe der Vertragskopie gekommen sein soll und warum sie das Original trotz entsprechender Aufforderungen im Prozess nicht vorgelegt hat. Das Berufungsgericht sieht selbst, dass sich daraus zumindest der Verdacht ergibt, dass die "Urkunde" von der Beklagten lediglich "nachgeschoben", das heißt erst nach dem Tod des Vaters erstellt worden sein könnte. Dann ist es aber ebenso fraglich, ob es im Jahr 2003 zu einem mündlichen Vertragsabschluss gekommen ist. Die Kläger haben insoweit geltend gemacht, dass der Mietvertrag von der Beklagten insgesamt fingiert worden sei, um sich oder der eigenen Familie den Besitz der Wohnung ungeachtet der Zwangsverwaltung und der Zwangsversteigerung weiter zu erhalten. Hiermit hätte sich das Berufungsgericht auch bei der Frage eines mündlichen Vertragsschlusses auseinandersetzen müssen. Denn die Beklagte trägt, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, die Beweislast dafür, dass sie im Jahr 2003 einen Mietvertrag mit den damaligen Eigentümern geschlossen hat. Dieser Beweis kann jedoch nicht als geführt angesehen werden, solange sich aufdrängende Zweifel nicht ausgeräumt worden sind.


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2. Soweit das Berufungsgericht annimmt, die Angaben des Zeugen V. in dem Schreiben vom 21. September 2007 an den Nachlassverwalter stützten dessen Zeugenaussage zum Abschluss eines mündlichen Mietvertrages, hat es wesentliche Tatsachen außer Betracht gelassen. Denn es hat nicht berücksichtigt, dass zwischen den Angaben des Zeugen in jenem Schreiben und den aus der vorgelegten Vertragskopie ersichtlichen Bestimmungen des Mietvertrages erhebliche Widersprüche bestehen. So ist in dem Schreiben an den Zwangsverwalter ausdrücklich von einem - mündlichen - Mietvertrag zwischen der Beklagten und ihrem Vater die Rede, obwohl der Vertrag schriftlich abgeschlossen worden sein soll und die im Rechtsstreit vorgelegte Vertragskopie auch den Zeugen selbst als Vermieter ausweist. Als Gegenleistung für die Überlassung der Wohnung erwähnt das Schreiben vom 21. September 2007 lediglich die Übernahme der Betriebskosten, nicht aber die ausweislich der Vertragskopie im Jahr 2003 übernommene Pflegeverpflichtung und den Abschluss des Vertrages auf die Lebensdauer der Beklagten. Im Übrigen ist nicht nachvollziehbar, warum dem Zwangsverwalter nicht der Mietvertrag oder zumindest die hier verwendete Kopie vorgelegt worden sind.


In seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht hat der Zeuge keine plausible Erklärung dafür abgeben können, warum er sich in seinem Schreiben an den Zwangsverwalter lediglich auf eine mündliche Absprache bezogen hat. Dass ihm damals nur eine mündliche Abrede in Erinnerung geblieben sein soll, obwohl er selbst als Vermieter eine schriftliche Vereinbarung mit keineswegs alltäglichen Regelungen unterzeichnet haben soll, erscheint kaum nachvollziehbar. Aufgrund der beruflichen Tätigkeit des Zeugen als Immobilienkaufmann wäre im Übrigen auch zu erwarten gewesen, dass er den Abschluss eines Mietvertrages, an dem er selbst als Vermieter beteiligt sein soll, in Erinnerung behält. Das (angebliche) Vergessen ist deshalb geeignet, Zweifel an der gesamten Darstellung des Zeugen zu wecken, zumal er auch ein persönliches Interesse daran hat, seiner Schwester die aus dem Familienbesitz stammende Wohnung zu erhalten. Die vom Amtsgericht protokollierten Angaben des Zeugen, die das Berufungsgericht seiner Überzeugungsbildung vom Abschluss eines mündlichen Mietvertrages zugrunde gelegt hat, sind im Übrigen sehr allgemein gehalten und detailarm. Insbesondere fehlen nähere Angaben dazu, wie es zu dem Mietvertrag mit den detaillierten Regelungen zugunsten der Beklagten gekommen sein soll; auch mit diesem Umstand hat sich das Berufungsgericht nicht auseinandergesetzt.


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3. Schließlich weckt auch der widersprüchliche Vortrag der Beklagten zu den Betriebskosten Zweifel an ihrer Darstellung, sie habe mit ihrem Vater und ihrem Bruder im Jahr 2003 einen Mietvertrag zu den aus der Vertragskopie ersichtlichen Konditionen abgeschlossen.


a) Auf der einen Seite hat die Beklagte ihr Zahlungsverhalten nach erfolgter Zwangsversteigerung - sie hat zunächst weder an die Kläger noch an die Hausverwaltung der Eigentümergemeinschaft Zahlungen auf die Betriebskosten geleistet - im Prozess damit begründet, dass die Kläger nicht zur Höhe der von ihr zu erbringenden Zahlungen vorgetragen hätten. Andererseits hat sie jedoch geltend gemacht, seit dem Abschluss des Mietvertrages im Jahr 2003 bis Dezember 2009 die Betriebskostenvorauszahlungen an die Hausverwaltung erbracht zu haben, so dass ihr deren Höhe bekannt gewesen sein muss. Ein nachvollziehbarer Grund, warum sie die Abschlagszahlungen nach dem Eigentumswechsel nicht in der bisherigen Höhe weiterhin an die Hausverwaltung (oder nunmehr an die Kläger) gezahlt hat, ist nicht ersichtlich und wird von ihr auch nicht vorgebracht. Ein Zurückbehaltungsrecht wegen fehlender Abrechnungen für den Zeitraum vor dem Eigentumserwerb der Kläger, wie es das Amtsgericht angenommen hat, stand der Beklagten schon deshalb nicht zu, weil diese Abrechnungen nicht von den Klägern, sondern von den bisherigen Vermietern, also dem Bruder der Beklagten und gegebenenfalls den Erben ihres verstorbenen Vaters zu erstellen gewesen wären (zur Abrechnungspflicht des bisherigen Vermieters bei Eigentumswechsel vgl. Senatsurteile vom 3. Dezember 2003 - VIII ZR 168/03, NJW 2004, 851 unter II 2, sowie vom 4. April 2007 - VIII ZR 219/06, NZM 2007, 441 Rn. 13).


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b) Der weitere Vortrag der Beklagten, die Betriebskostenvorauszahlungen seien aufgrund einer Vereinbarung der Mietvertragsparteien von ihr jeweils (erst) nach Ablauf eines Vierteljahres an die Hausverwaltung zu entrichten gewesen, steht im Widerspruch zu der von ihr vorgelegten Vertragskopie, die eine solche Vereinbarung nicht enthält. Zudem hat die Beklagte im streitigen Zeitraum auch keine vierteljährlichen Zahlungen erbracht, und zwar weder an die Hausverwaltung noch an die Kläger. Vielmehr hat sie die von den Klägern ab Erwerb (19. Dezember 2009) in Höhe von 136 € monatlich begehrten Betriebskostenvorauszahlungen erst während des Rechtsstreits - am 18. Oktober 2010 - nachgezahlt. Zuvor hatten allerdings die Kläger mit der am 5. Juni 2010 zugestellten Klage das Mietverhältnis unter Berufung darauf, dass sich die Beklagte mit der Zahlung der angeblich allein als Miete geschuldeten Betriebskosten für mehrere Monate in Verzug befinde, vorsorglich fristlos gekündigt. Nach den Gesamtumständen drängt sich bezüglich der Darstellung der Beklagten zur Zahlungsweise der Betriebskosten deshalb der Verdacht einer bloßen Schutzbehauptung auf, der wiederum insgesamt Zweifel an ihrer gesamten Darstellung zum Abschluss eines Mietvertrages weckt.


III. Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, weil die gegen die Glaubwürdigkeit des lediglich in der ersten Instanz vernommenen Zeugen V. sprechenden Umstände seine erneute Vernehmung durch das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1, § 398 ZPO (vgl. Senatsurteil vom 17. Juli 2002 - VIII ZR 151/01, NJW-RR 2002, 1649 unter II 2 b; Senatsbeschluss vom 14. Juli 2009 - VIII ZR 3/09, NJW-RR 2009, 1291 Rn. 5, jeweils mwN) sowie eine erneute tatrichterliche Würdigung erfordern. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Dabei macht der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch.


BGH, Urteil vom 18. September 2013

- VIII ZR 297/12 -


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